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JAMES

Trotz meines anfänglichen Hoffens war der Rest der letzten Woche nicht prickelnder als der Start. Nachdem der Kerl im Keller vier Tage durchgehalten hatte, hatten wir ihm am fünften endlich Erlösung gegeben. Aus dem war nichts rauszuholen. Überhaupt nichts.
Ich bereue es ein bisschen, da ich stets denke, es besser gemacht haben zu können. Ja, ich hätte es besser machen müssen. Es wird sich noch eine Chance ergeben, an dem ich dies umsetzen kann, das weiß ich einfach. Die Karakov Bande wird nicht lockerlassen, selbst wenn ihr Anführer im Knast verrottet. Sie wollen seinen alten Posten bereit haben, wenn er entlassen wird. Die Schwachmaten denken doch wirklich, dass dies je geschehen wird. Sergio Karakov war jahrelang der Mann, der ganz oben auf Interpols Liste stand. Der kommt so schnell nicht wieder auf freien Fuß, dafür muss ich nicht mal mitmischen, dass erledigen schon welche.

Etwas Neues allerdings hat sich nicht ergeben. Es ist niemand von den Russen aufgetaucht, um es ein zweites Mal zu versuchen, einzubrechen. Sawyer hat mich stets über alles Neue was im Hotel vor sich geht auf dem Laufenden gehalten und konnte keine mysteriösen Aktivitäten feststellen. Die Karakovs scheinen also vorerst ihre Füße stillzuhalten. Gut für sie, denn sollte ein zweites Mal jemand versuchen in mein Hotel einzudringen, werde ich das anders regeln und das Unkraut gleich an der Wurzel packen, bevor er dreifach zurückkommt. Die Schweine denken, sie könnten sich alles erlauben, dabei sind Sawyer und ich es, die nun das Sagen haben. Sie müssten alle nach unserer Pfeife tanzen, und uns anflehen ihnen ihr erbärmliches Leben zu schenken. Eines Tages werden sie das auf allen Vieren vor uns kniend.
Apropos. In unserem Thema Frau sind Sawyer und ich noch kein Stück weitergekommen. Wir haben uns einige mögliche Anwärterinnen aus der Agentur angesehen, die uns auch mit Nataly bekannt gemacht hat. Niemand von denen erfüllt unsere Erwartungen. Vorerst bedeutet dies also kein Spaß für uns. Das mit ihrem Tod war wirklich eine Schande, obwohl ich sie so sehr verabscheue.
Verräter bleibt Verräter, egal wie fickbar.

Nataly war nur das perfekte Beispiel dafür. Wäre sie nicht so unglaublich dumm gewesen, hätte sie noch weiter von unserer Gütigkeit profitieren können, doch die dumme Schlampe bekam den Rachen nicht voll und geizte nach mehr. Frauen sind materialistisch, egal wie sehr sie beteuern, es nicht zu sein. Am Ende des Tages würde doch jeder für eine gewisse Summe Geld mit uns ins Bett springen. Nataly war eine dieser Frauen, die für Geld alles tun würden. Sie hat alles mit sich anstellen lassen und sich nie beschwert, da sie einstig Geldscheine gesehen hat, wenn sie uns ansah. Ja, die kleine Bitch war eine billige Nutte. Ersatz zu finden, ist gar nicht so leicht, musste ich feststellen. Zeit habe ich ohnehin kaum dafür, ich muss mich um wichtigere Dinge kümmern. Deshalb bin ich auch so genervt, als ich mit dem Fahrstuhl nach unten ins Kingsley fahre, um Sawyer zu suchen. Der Mistkerl ist wie vom Erdboden verschluckt und antwortet weder auf Textnachrichten noch auf Anrufe. Was ist nur in den Gefahren? Normalerweise reagiert er immer sofort. Mein bester Freund ist zuverlässig, aber heute scheint ihm eine Sicherung durchgegangen zu sein.

Meine Schuhsohlen trommeln über den schwarzen Marmorboden und werden eins mit dem Beat des Liedes, dass durch die alten Gemäuer des Clubs schallt. Ich staune nicht schlecht, als ich das Täubchen auf der Bühne entdecke. Rayna und ein paar der anderen schauen zu, wie erotisch und elegant sie sich über die Bühne räkelt. Ich kann nicht anders als innezuhalten. Sie lässt es so einfach wirken, wie keine der anderen. Die Brünette hat es im Blut, und auch wenn ich es mir nicht eingestehen will - sie ist verdammt gut. Sie schwebt wie eine Feder über die Bühne, kreist ihre Hüften, streckt ihren Busen heraus und kommt nicht einmal aus dem Takt. Sie trägt den hauchdünnen schwarzen String und den Spitzen BH, den ich ihr habe zukommen lassen. Es passt wie angegossen und lässt sie ausschauen wie den Traum jeder unserer Gäste. Ich habe es letzte Woche an ihren Reaktionen gesehen, als sie das erste Mal auftrat. Sawyer mag denken, dass sie hier nicht hingehört, aber er kann nicht leugnen, dass sie es verdammt nochmal draufhat. Sie ist der feuchte Traum jedes pubertierenden Jungens und ich glaube nicht, dass sie sich ihrer Schönheit nur ansatzweise bewusst ist. Jemand wie sie kann so viel mehr aus sich machen. Das Selbstbewusstsein, was sie auf der Bühne so zum Strahlen bringt, fehlt ihr wenn sie vor uns steht und unbeholfen stottert. Manchmal würde ich sie am liebsten schütteln und ihr sagen, dass sie sich verdammt nochmal zusammenreißen soll. Jane könnte zu etwas werden, von dem sie nie gedacht hätte, dass es in ihr schlummert. Vielleicht braucht sie nur den Schubs in die richtige Richtung.

Ich kann meine Augen nur schwer von ihr nehmen. Ich muss mich selbst ermahnen, wieso ich eigentlich hier bin, und sehe mich suchend um. Tatsächlich entdecke ich Sawyer an der Bar neben dem Tresen stehen. Er plaudert gerade mit zwei seiner Mitarbeiter und zeigt ihm ein paar Dinge auf einem iPad. »Sawyer!«, spreche ich ihn über die laute Musik hinweg an und halte direkt auf sie zu. Der hellbraunhaarige schaut auf, sagt etwas zu den beiden Männern, die sich sofort in Luft auflösen. »Alles in Ordnung James?«, erkundigt er sich und beäugt mein vor Zorn verzerrtes Gesicht skeptisch. »Du-«, meine ich und zeige mit dem Finger auf ihn, »gehst gefälligst an dein Telefon.«
»Sorry, hab's nicht gehört und der Empfang hier unten ist mies.«
»Ist mir scheißegal«, blaffe ich aufgebracht. Mein bester Freund klopft mir versöhnlich auf die Schulter und legt das iPad zur Seite. »Gibt es Probleme?«, erkundigt er sich und entspannt sich etwas, als ich den Kopf schüttle. »Nein, das ist das Problem. Es ist viel zu ruhig in der Stadt«, erkläre ich ihm.
Ich traue der Ruhe nicht. Das tat ich nie.
»Denkst du, die planen was?«
»Ja, denke ich.«
»Vielleicht sind sie nur mit anderen Dingen beschäftigt. Sergios Reihen sind geschwächt«, erinnert mein bester Freund mich und zaubert zwei Gläser und eine Flasche Schnaps herbei. »Trotzdem ist der Kerl letzte Woche bei uns eingestiegen«, erinnere ich ihn und warte ungeduldig, bis er das Glas gefüllt hat, bevor ich mir den Inhalt durstig die Kehle runterstürze.
»Wenn du willst, frage ich ein paar in der Szene, ob die was gehört oder gesehen haben«, schlägt er vor und genehmigt sich ebenfalls ein Gläschen. Da Sawyer früher professioneller Boxer war, hat er einige Kontakte, die uns immer wieder in die Karten spielen. Wir sind so gut vernetzt wie kein anderer in der Stadt und überall auf der Welt, vor allem weil wir unsere Kontakte pflegen und sie nicht nur kontaktieren, wenn wir sie brauchen. Dies ist das A und O, wenn man erfolgreich sein will. Sawyers Kontakte könnten uns tatsächlich etwas Arbeit abnehmen. »Ich will, dass unsere Männer trotzdem die Augen offenhalten in den Straßen.«
»Tun sie doch immer James. Wieso bist du so verspannt?«, will er wissen und legt seine Hände an meine Schultern. Zunge schnalzend schlage ich sie weg und wische mir über den Stoff meines faltenfreien Anzugs. »Finger weg.«
»Schon gut Grinch. Aber sag schon, was plagt dich? Ist es die Situation mit Nataly?«, spekuliert er und trifft damit genau ins Schwarze. Natürlich ist es das. Ich brauche jemanden, um Druck abzulassen. Die Sessions mit der Nutte waren immer der perfekte Grund dafür, nun staut sich alles in mir an, bis ich an die Decke gehen werde und vollständig den Verstand verliere.

»Das gleiche könnte ich dich fragen, Saw«, knurre ich und bringe meinen besten Freund dazu, mit den Schultern zu Zucken. »Stress«, antwortet er schlichtweg, was auf das gleiche hinausläuft wie meins. Wir brauchen dringend jemanden, um Dampf abzulassen. Vielleicht tut es eine der Frauen hier für ein einziges Mal. Meine Augen schweifen über die Tänzerinnen, die alle recht hübsch sind. Vermutlich würden sie es jedoch nicht aushalten. Fuck. Frustriert sinke ich auf den Barhocker und kehre ihnen fluchend den Rücken. Ich hasse es, die Kontrolle zu verlieren. Hasse es, nicht zu wissen was Karakovs lästiges Anhängsel als Nächstes planen wird, um uns wieder zu stürzen. Ich fühle mich ihm untergeben, etwas, dass nicht sein darf. Sawyer und ich sitzen an der Spitze Londons und niemand wird das je wieder ändern. Nataly sowohl als auch der kleine Wichser von letzter Woche sind gnadenlos gescheitert. Ich werde nie zulassen, dass einer von ihnen an sein Ziel kommt. Mürrisch schließe ich meine Hand um das kristallene Glas und quetsche es so fest zwischen meinen Fingern ein, dass ich fast Angst habe, es zu zerstören. Ich brauche Ablenkung, bevor mir die Sache zu Kopf steigt.

Kings of London | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt