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SAWYER

James Plan, ins Haus der Karakovs einzubrechen ist eine Schnapsidee, aber vielleicht auch die einzige Möglichkeit, die wir haben. Die Überwachungskameras der Villa haben aufgezeichnet, wie er dort ein und aus gegangen ist. Heute hat er das Grundstück noch nicht verlassen, also muss er in der Villa sein. Ich sehe dem Plan mit gemischten Gefühlen entgegen. Ich weiß, dass ich heute töten werde, und doch fühlt es sich merkwürdig an, zu wissen das der Albtraum mit Sergio bald vorüber ist. Es ist sein Todestag, und er weiß es nicht. James bereitet sich bereits umfassend auf die Aktion vor, während ich mir eine Jacke anziehe und die Schlüssel vom Tisch schnappe. Donner grollt durch den Nachthimmel als wir das Gebäude des Boxclubs zusammen verlassen und uns auf den Weg zum SUV machen, in dem Phillip bereits am Straßenrand auf uns wartet. Er staunt nicht schlecht als er mich sieht. Ich klopfe dem schweigsamen Fahrer anerkennend auf die Schulter, klettere auf den Rücksitz und warte bis er losfährt. Es ist gegen eins als wir Westminster verlassen und James pausenlos telefoniert, um alle zusammenzutrommeln. Der Regen peitscht gegen die Fenster des Autos, Donner und Blitz wechseln sich ab. Der Verkehr ist zu dieser Zeit nicht all zu übel und so dauert es keine Stunde, bis wir zurück am McLeod sind. Unter dem großen Vordach des exklusiven Hotels parkt Philipp den Wagen und ich steige auf den ausgerollten roten Teppich, der mich direkt ins Foyer führt. James folgt mir. Gerade als wir das Innere des Hotels betreten kommt Daniel hinter dem Empfang hervor und faltet seine Hände nervös vor der Brust. »Sie haben Besuch Mister McLeod und Mister Young. Ich war so freundlich und habe ihre Gäste in die Hill Lounge geführt«, lächelt er und deutet mit einer ausschweifenden Handbewegung auf die Lounge zu unser linken, einen Flur weiter. James lässt sein Telefon sinken und stopft es verwirrt in seine Hosentasche. »Besuch?«, hakt er nach und auch mir schrillen alle Alarmglocken. Wer besucht uns zu dieser später Zeit noch?

Mit großen Schritten durchquere ich das Foyer zielstrebig, bevor Daniel noch etwas auf James Worte erwidern kann. Mit einem Handgriff reiße ich die Türen der Lounge auf und entdecke zwei Personen im inneren. »Karakov«, knurre ich die Frau verachtend an und bekomme nicht mit das James sich an mir vorbei ins Zimmer schiebt. »Fergus, Mila, was verschafft uns die Ehre?«, erkundigt er sich bei den beiden. Schnaufend schließe ich die Tür hinter uns, damit wir ungestört sind. »Karakovs sind hier nicht geduldet«, mache ich klar. Die Frau neben James Cousin blickt mir mutig entgegen. »Ich bin keine Karakov. Ich bin eine Duncan«, widerspricht sie mit fester Stimme. Schnaubend verschränke ich die Arme und nähere mich den beiden. Fergus legt einen Arm um ihre Schultern, schenkt mir einen warnend bösen Blick, bevor er sich an James wendet. »Es tut mir leid, dass wir so plötzlich hier auftauchen, aber wir haben gehört, dass Milas Vater zurück in der Villa ist«, erklärt er ihm. James nickt und wirft mir einen knappen Blick zu. Es ist eine stille Warnung, dass ich die Klappe halten soll.
»Richtig. Er hält sich dort auf. Aber wieso seid ihr hier?«, runzelt er dir Stirn. Die dunkelhaarige Frau schluckt sichtlich und schaut zu ihrem ... was sind die beiden eigentlich? Der Ring an ihrem Finger erzählt mir alles, was ich wissen muss.
»Mein Vater«, beginnt sie und Fergus nickt ihr mutig zu, »der hat zu vielen Menschen leid verursacht. Es muss enden. Ein für alle Mal.«
James schnalzt interessiert mit der Zunge und wippt auf seinen Füßen hin und her. »Ach ja?«
Diese Mila -wie er sie genannt hat- nickt. »Ja«, untermauert sie ihre Worte. Sie sind so widersprüchlich zu der Art, mit der sie sich an Fergus Seite schmiegt. Der Schotte starrt mich grimmig an, vermutlich weil ich etwas gegen seine Frau gesagt habe. Es könnte mir nur nicht egaler sein. Sie mag zwar den Namen Duncan tragen, aber im Blut ist sie immer noch eine Karakov. Daran ändert nichts etwas. Sie ist die Tochter des Feindes, und das wird sie für mich immer bleiben.

»James... wenn Sergio nach Inverness gekommen wäre, hätte ich es selbst erledigt. Aber London ist euer Revier. Ihr seid die einzigen, die das können«, bittet Fergus ihn. Wieder sieht James mich an. »Wir wollten ihn eh umbringen«, werfe ich ein, »heute Nacht.«
»Wieso?«, traut Mila sich zu fragen. Ihre Stirn lehnt gegen Fergus, der sie ihm Arm hält, als würde er sie wirklich lieben. Ausgerechnet Sie...
»Er hat etwas, dass uns gehört«, erklärt James ihr kryptisch. Milas Augen huschen zu ihm. »Verstehe. Und das ist in der Villa?«
»Nehmen wir an.«
»Ich habe die Schlüsselkarte für das Anwesen«, murmelt sie plötzlich und wühlt in ihrer Jackentasche herum. Sie löst sich von Fergus, geht ein paar Schritte auf uns zu. Überraschenderweise bleibt sie vor mir stehen, während Fergus mich über ihren Rücken hinweg mit seinen Blicken erdolcht. Was er wohltun würde, sollte ich ihr nur ein Haar krümmen?
»Hier«, sie reicht mir die graue Karte und sieht mich mutig an, »die verschafft euch überall Zutritt.«
Ich betrachte das Kärtchen einen Moment, bevor ich sie ihr aus der Hand schnappe und das flache Plastik  Ding fest drücke. Mila tritt zufrieden zurück, gesellt sich wieder an die Seite des Schotten, der sich sichtlich entspannt. »Ich kann euch nicht helfen, aber ich hoffe, dass ihr den Job erledigen könnt«, meint er. Sein Cousin nickt. »Natürlich, das kommt sehr gelegen. Bleibt ihr über Nacht? Ich lasse euch in die Suite bringen«, schlägt er vor. Fergus nickt dankbar. »Wir reisen morgen wieder ab. Bis dahin sollten wir uns wohl ein bisschen ausruhen. Komm Mila«, spricht er zu ihr und schiebt sie sanft an mir vorbei. James beordert den Pagen her, der ihre Koffer und auch sie nach oben in die Suite bringen wird. Danach unterhalten sich die beiden Männer kurz, während Mila und ich unbeteiligt danebenstehen.
»Ich hoffe ihr findet sie«, flüstert sie mir mit einem Lächeln auf dem Gesicht zu. Meine Stirn legt sich in tiefe Falten. Woher weiß sie- misstrauisch mustere ich die zierliche Russin. »Was?«
»Das Mädchen«, hilft sie mir auf die Sprünge, »die die mein Vater vor euch versteckt. Ich bin nicht blöd«, macht sie mir klar. Das hätte ich auch keinesfalls gedacht. Sie ist gerissen, so wie ihr Vater.
»Das ist übrigens deine Villa, sie läuft auf deinen Namen. Wenn er Tod ist, kannst du sie nutzen«, erzähle ich ihr und ignoriere das, was sie eben gesagt hat. Milas große Augen starren zu mir hinauf, das Lächeln auf ihren Lippen wird breiter, und doch sind ihre Augen mit ein bisschen Trauer gefüllt. »Danke dass ihr das tut. Ihr macht die Welt zu einem besseren Ort damit. Nicht nur für mich.«
Ich nicke, schiebe die Karte, die sie mir gab in die Tasche meines Hoodies und schaue ihr nach, als sie und Fergus dem Pagen zu den Aufzügen folgen und dann aus unserem Sichtfeld verschwinden. James seufzt, dreht sich zu mir um und nickt ebenfalls auf die Aufzüge. »Komm, unten warten bereits alle auf uns«, meint er.

Ich folge ihm bis hinab in die Katakomben des Hotels. Wir durchqueren das Kingsley, treten aus einer Tür in die privaten Flure des Kellers. Am Ende des langen alten ausgestrahlten Ganges mit gewölbter Decke, befindet sich ein großer Versammlungsraum tief in den verwinkelten Fluren. Es ist ein reines Labyrinth hier unten und man kann sich schnell verlaufen, wenn man sich nicht auskennt.
Ich trete nach James in den großen Versammlungsraum voller Menschen, dessen Stimmen sich wild in der kühlen Luft vermischen und ein einziges Wirrwarr in meinem Kopf erzeugen.  Ich knalle die Tür lautstark zu, erst dann verstummen sie und richten ihre Augen auf uns. Sie sind alle da. Die Albaner, meine Leute aus dem Hotel, die Männer von den Straßen. Jeder der für uns arbeitet und einen höheren Rang hat, befindet sich in diesem Raum. Und wir werden sie alle brauchen. »Ihr ahnt vielleicht, wieso wir euch hergebeten haben«, spricht James mit ernster Stimme und lässt seine Augen und den Kopf sichtlich durch die Menge schweifen. Er hat einen Hang zur Dramatik, was mich manchmal verzweifeln lässt vor Zorn.
»Wir beenden es heute Nacht«, führe ich seine Worte fort und verschränke die Arme erneut vor meiner Brust. »Sergio Karakov wird sterben.«
Gejubel bricht unter den Männern aus. Sie lachen, zeigen uns wie sehr unsere Worte sie erfreuen. Jeder von ihnen hasst die Karakovs so wie wir. Den meisten, hat Sergio etwas genommen, was ihnen sehr wichtig war. So wie uns nun. Ich spüre, dass es James unter den Fingern brennt und er Jane am liebsten schon gestern wieder hier im Hotel gehabt hätte. Aber ich bin nicht derjenige der ihm erzählen muss, dass er aufhören soll zu träumen. Es wird heute Nacht passieren und schon morgen liegt sie oben im Gästezimmer, wie James es wünscht. Wir können nur hoffen, dass sie sich in der Villa befindet.
»Ruhe!«, schnauzt James laut und reißt mich aus meinen Gedanken. Er schlägt eine Eisenstange gegen die Steinwald, worauf die Stange klirrende Geräusche von sich gibt, und die Masse verstummt. Der Besitzer des Hotels schmeißt die Stange zurück in eine Ecke, strafft seine Schultern selbstbewusst und räuspert sich. »Sorgt dafür das die Waffen verteilt werden und die Autos bereit sind. Es geht Punkt fünf Uhr am Tor des Karakov Anwesens los. Wir brauchen Männer die die Sachen außer Gefecht setzen. Betäubungspfeile, keine Patronen, klar?«
Ein unzufriedenes Raunen geht durch die Masse, aber sie antworten einheitlich mit einem Ja. Mir passt die ganze Sache auch nicht. Ich würde am liebsten jeden dieser Wichser erledigen, aber das ist nun mal nicht möglich und James Plan, weniger Leichen zu hinterlassen ist vermutlich auch der bessere. Solang Sergio am Ende tot ist, ist mir alles andere egal.
»Ein zweites Team knöpft sich den Hintereingang vor und klettert über die Mauer des Grundstücks. Zu dieser Uhrzeit sollten keine Bediensteten im Haus sein also haben wir leichtes Spiel. Sergio selbst wird in seinem Zimmer sein. Es werden nachher Grundrisse der Villa verteilt, damit ihr wisst, wohin ihr müsst. Ein drittes Team kommt, wenn alles vorbereitet ist und das Tor sich geöffnet hat. Wir dringen alle zusammen in die Villa ein. Der, der Sergio findet, bringt ihn lebendig zu Sawyer oder mir. Klar?«
»Ja!«, schallt es zurück. Zufrieden wirft mir James einen Blick zu, der viel sagt. Ich weiß, ich weiß James. Schon bald wird Jane wieder in Freiheit sein, und Sergio Tod. Wir haben so lang auf diesen Tag gewartet, und nun da er da ist, fühlt es sich flau in meinem Magen an. Ich kann nicht sagen, ob es die Tatsache ist, dass ich pausenlos an Jane denken muss, oder daran, dass ich mir nicht ausmalen will, was Sergio mit ihr veranstaltet. Eines steht fest, der Albtraum ist noch vor Anbruch der Sonne vorbei und London gehört endgültig uns.

Kings of London | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt