15. Fallakte - Die Tränen und die Treue eines Freundes

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[Cenhelm Murth]

Cenhelm wusste nicht, warum er sich wenige Minuten vor Mitternacht an die Vergangenheit erinnerte. Einen Auslöser gab es nicht. Er saß alleine in seiner Küche, aß zu Abend, als ihn seine Beziehung mit Charlie plötzlich einholte. Es war keine Panikattacke gewesen, aber gut fühlte er sich nicht an. Sein Herz schmerzte und die Last erdrückte ihn wie ein tonnenschwerer Stein. Lange hatte er ziellos an Wand vor ihm angestarrt. Die weiße Tapete mit den feinen Maserungen. Ranken, ein wenig wie Nerven, die sich durch einen Körper zogen. Oder der geniale Plan einen gewissenlosen Serienmörders.

Schritte unterbrachen die Erinnerungen. Im Flur eilte jemand die Treppe hoch. Das musste Eadweard sein, der von seiner abendlichen Schicht nach Hause kam. Warum rannte er? Ob etwas passiert war? Vielleicht sollte er nachsehen. Ohnehin könnte er etwas Gesellschaft brauchen. Hoffentlich schmiss ihn der Chirurg nicht aus seiner Wohnung. Im Moment wollte er nur die unliebsamen Gedanken vergessen. Ablenkung. Das benötigte er.

Cenhelm zog sich ein Hemd über und verließ seine Wohnung. Unter Eadweards Türschlitz schimmerte Licht, aber er sah keinen Schatten, der sich bewegte. Hoffentlich war er nicht im Begriff, sich ins Bett zu begeben.

»Herr Warther?« Der Detektiv klopfte an der Tür. »Ich weiß, es ist spät, aber wie wäre es mit einer Tasse Tee?« Eadweard liebte Tee. Nun, lieben war vielleicht übertrieben, aber es wäre ungewöhnlich, wenn er verneinen würde.

Es folgte keine Antwort. Cenhelm klopfte erneut. »Herr Warther? Kann ich eintreten?«

Wieder erhielt er Schweigen. Der Detektiv trat einen Schritt zurück. Sollte er einfach eintreten? Schlimmstenfalls würde er einen nackten Eadweard sehen. Das könnte verkraften. Ob er einen gro-?

Nein. Cenhelm ohrfeigte sich in Gedanken. Vorerst keine unanständigen Vorstellungen bezüglich seines Nachbarn. Vorerst. Er hatte versprochen, ihn nicht in Bedrängnis zu bringen, immerhin wusste er am besten, wie es sich anfühlte, zu etwas dergleichen gezwungen zu werden. Es ging nicht nach seinem Tempo. Er musste sich nach dem Chirurgen richten. Selbst wenn es bedeutete, dass ihre Beziehung bei Freundschaft blieb. Niemals würde er absichtlich das Band zwischen ihnen zerstören.

Trotzdem würde er eintreten. Eadweards Schweigen beunruhigte ihn. Was, wenn tatsächlich etwas geschehen war? Vorsicht war besser als Nachsicht.

»Ich komme jetzt rein«, kündigte er an, bevor er die Tür öffnete. Sein Blick schweifte durch das Zimmer. Auf dem Boden lagen Mantel und Schal. Normalerweise hängte er seine Kleidung ordentlich am Kleiderhaken auf. Das war unüblich.

Ein Schluchzen zog sein Augenmerk in Richtung des Schlafzimmers. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass es Eadweards Stimme war. Panisch stürmte er in den angrenzenden Raum. Auf dem Boden, am Kopf des Bettes saß sein Nachbar. Eine Decke wickelte sich um seinen Körper und seine Haare waren zerzaust.

Cenhelm blieb das Herz stehen. Er weinte. Eadweard Warther weinte. Nicht, dass er nicht das Recht besäße zu weinen, aber er war nicht der Charakter, dem er einen Zusammenbruch zugetraut hatte. Normalerweise wirkte er so gefasst. Eine unerschütterliche Burg mit den stärksten Abwehrmechaniken.

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