58. Fallakte - Das Gespräch mit Herr Flaming und der Vorgeschmack

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[A̲̅][c̲̅][h̲̅][t̲̅][u̲̅][n̲̅][d̲̅][f̲̅][u̲̅][n̲̅][f̲̅][z̲̅][i̲̅][g̲̅][s̲̅][t̲̅][e̲̅] [F̲̅][a̲̅][l̲̅][l̲̅][a̲̅][k̲̅][t̲̅][e̲̅]

[Cenhelm Murth]

»Die Wahrheit über Ihren Sohn?« Cenhelms Augen verengten sich. »Wollen Sie mich verarschen?«

Herr Flamings Blick war unergründlich. Der Detektiv konnte ihn nicht durchschauen. In dieser Hinsicht ähnelte er seinem Sohn. Eine kalte, abweisende Haltung, welche jeden davon abhielt, ihn zu lesen, als wäre er ein offenes Buch. Cenhelm wollte sich nicht klein fühlen, aber nach Charlie fühlte er sich schwach. Rowards autoritäre Haltung flößte ihm unweigerlich Respekt ein. Respekt, den er nicht besitzen wollte. Gedanklich schüttelte er seinen Kopf und wischte sich erneut die Tränen aus dem Gesicht. Er musste sich zusammenreißen. Charlie konnte nicht wissen, wo er sich befand. Deswegen bräuchte er sich nicht zu fürchten. Außerdem musste er für Eadweard standhaft bleiben. Es war ein Geben und Nehmen. Warther schützte ihn vor Charlie. Er schützte ihn vor seinem Vater.

»Warum sollte ich darüber scherzen?« Rowards Gang glich einer Katze. Gezielte, fließende Bewegungen. Ein Raubtier, das seine Beute in die Enge trieb.

Cenhelm schluckte. »Ist das eine ernst gemeinte Frage?«

Herr Flaming musterte ihn für einen Moment, bevor er ihm den Rücken zukehrte und nach einer Flasche Wein griff, die auf einer Kommode stand. Er füllte zwei Gläser mit dem rötlichen Inhalt, bevor er eins Cenhelm anbot. Dieser lehnte selbstverständlich ab. Was sollte das werden? Niemals würde er Flamings Worten glauben. Er hatte seinen Freund misshandelt. Würde er dafür nicht im Knast landen, würde er ihm die Nase brechen. Allerdings wusste er selbst, dass Gewalt keine Lösung war. Schlimmstenfalls schüttete er Öl ins Feuer. Roward war ein Gegner, den man nicht im Kampf schlagen konnte. Es war eine intellektuelle Schlacht.

»Ich spreche nicht mit Ihnen, um Ihr Bild von mir zu verändern. Eigentlich ist es mir gleich, was ein Prostituierter von mir denkt.«

Cenhelms Hände ballten sich zu Fäusten. »Genauso ist es mir gleich, was ein Kinderschänder von mir denkt. Sie widern mich an.«

Sein Gegenüber schmunzelte, während er sein Weinglas in der Hand schwenkte. »Ich denke, dass ein fremder Mann nicht das Recht besitzt, darüber zu urteilen, wie ich meinen Sohn erziehe. Seinetwegen starb meine Frau.«

»Eadweard liebte seine Mutter. Genauso wie er Sie einst liebte. Er wollte nie, dass sich seine Mutter erhängt. Er hat sie nicht dazu angestiftet oder ihr ähnliche Gedanken in den Kopf gepflanzt. Ihre Frau war mit der Situation überfordert. Wäre es nicht Ihre Aufgabe als Geliebter gewesen, Sie zu beschützen?«

Cenhelm erkannte noch im selben Augenblick, wie er den letzten Satz aussprach, dass er einen Fehler gemacht hatte. Rowards Augen verengten sich zu einem Spalt. Mordlust glitzerte in ihnen. Es lief ihm eiskalt den Rücken herunter. »Sie sind nur ein ignoranter Junge. Sie wissen nicht, was es bedeutet, Frau und Kinder alleine zu versorgen. Sie wissen nicht, wie viel ich geopfert habe, um ihnen diesen Wohlstand zu bieten.«

Vorsichtshalber trat der Detektiv einen Schritt zurück. Er traute Roward selbst die schlimmsten Gewalttaten zu, aber er hielt ihn für rational genug, um keine impulsiven Handlung zu tätigen. »Vielleicht haben Sie Ihre Prioritäten falsch gesetzt. Lieber arm und glücklich als reich und unglücklich.«

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