19. Fallakte - Frau Willson und die Erkenntnis

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[N̲̅][e̲̅][u̲̅][n̲̅][z̲̅][e̲̅][h̲̅][n̲̅][t̲̅][e̲̅] [F̲̅][a̲̅][l̲̅][l̲̅][a̲̅][k̲̅][t̲̅][e̲̅]

[Eadweard Warther]

Obwohl Eadweard bereits gemerkt hatte, dass Emilia ihm aus dem Weg ging, heute fiel es ihm besonders auf. Normalerweise war sie diejenige, die ihm beim Operieren unterstützte, stattdessen wälzte sie die Aufgabe auf Herrn Regiva ab. Unter den auffordernden Blicken seinen Kollegen, bekam selbst er ein schlechtes Gewissen. Oder zumindest ein Gefühl, das in diese Richtung ging. Entweder suchte er das Gespräch heute oder die Situation würde sich verschlimmern. Die Tatsache ihrer Auseinandersetzung war so offensichtlich, dass es selbst den übrigen Kollegen auffiel. Die ersten Gerüchte begannen zu kursieren.

Es war kurz nach sechs, als Warther den Operationssaal verließ. Frau Willson müsste gerade in der Umkleide sein. Ihre Schicht endete, aber seine lief noch eine Weile. Mit anderen Worten, es war Zeit seine Autorität ausnutzen und seine Verpflichtungen für die nächste halbe Stunde auf eine andere Person abzuwälzen. Gesagt getan. Zum Glück hatte das Krankenhaus vor kurzem einen Neuling erhalten. Sollte er sich den Ruf bei seinem neuen Kollegen ruhig verderben. Er wirkte nicht wie die Art von Charakter, der sich gegenüber Eadweard durchsetzen könnte.

Der Schwarzhaarige passte Frau Willson im Flur zum Ausgang ab. Als sie ihn erblickte, blieb sie kurz stehen. Dann wandte sie den Blick ab und beschleunigte ihr Tempo.

»Frau Willson, haben Sie ein paar Minuten Zeit? Ich würde gerne mit Ihnen sprechen.«

»Nein, habe ich nicht.« Entgegen ihrer Worte warf sie ihm einen Schulterblick zu. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten.

Eadweard schnitt ihr den Weg ab, sodass sie gezwungen war, erneut stehen zu bleiben. »Sie haben Zeit. Donnerstag Abends hören Sie sich immer diese Sendung im Radio an. Das ist ihr Ritual. Das machen Sie seit vier Jahren.«

Emilia presste die Lippen aufeinander. Ihre Augen mieden den Blickkontakt. »Selbst wenn, ich denke nicht, dass es etwas zu besprechen gibt.«

»Das sehe ich anders.«

»Wenn es eine dumme Ausrede ist, dann möchte ich sie nicht hören.«

»Es ist keine Ausrede, aber ich möchte mich erklären.«

»Tch, natürlich.« Sie setzte einen Schritt vor, doch Eadweard packte sie am Handgelenk. Zum ersten Mal schnitten sich ihre Blicke. Ihr Augen waren wässrig. Er hätte nicht gedacht, dass ihr die Situation so nah ging. »Was machst du da? Lass mich los.«

Ihre Versuche seinen Griff zu lösen, scheiterten. Wenn er seine Hände um ihren Hals legte, wäre es ein Leichtes, sie zu ersticken. »Erst, wenn Sie bereit sind, mich anzuhören.«

»Ich verstehe nicht, warum du plötzlich reden möchtest? Wenn es dir wichtig gewesen wäre, hättest du dich früher gemeldet. Simon hat dich darum gebeten, habe ich recht? Du musst dich nicht zu einer Entschuldigung zwingen. Besonders nicht, wenn sie nicht ernst gemeint ist.«

Wäre sie ernst gemeint? Nein, vermutlich nicht. Immerhin betrachtete er seine Handlung nicht als falsch. Er hatte niemanden beleidigt, niemanden ermordet und niemandem Schaden zugefügt. Das Einzige, dem er sich schuldig befand, war eine komische Verhaltensweise. »Sie haben recht. Herr Regiva sprach mich auf die Situation an.«

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