XVII. Die Versöhnung

330 12 0
                                    

Erst gegen Mittag schälten Heidi und ich uns aus dem Bett, aber auch nur, weil der Hunger eingesetzt hatte. Im Esssaal angekommen, gesellten sich auch langsam Elias und Josef zu uns. Allerdings wechselten wir kein Wort, da alle noch kaputt waren. Verständlicherweise, denn als wir gestern, oder besser gesagt heute Morgen, ins Zimmer kamen, war es schon fast um fünf.

Heidi, Josef und ich blieben still am Tisch sitzen, als Elias noch seine Tasse Tee trank. Er stellte die Tasse ab, nachdem er fertig war und sah zu Heidi. "Was?", fragte sie genervt nach einer Weile des Wartens. "Willst du es ihr irgendwann noch sagen oder muss ich das machen?", konterte er und deutete mit einer geschwungenen Handbewegung auf mich. Mir was sagen? Heidi rollte nur mit den Augen. "Ich hätte es ihr schon noch gesagt." "Wann?"

Die beiden stritten sich noch eine ganze Weile, ohne auf irgendeinen Punkt zu kommen. Und ich wusste immer noch nicht, worum es geht, weshalb ich meinen Blick zu Josef schweifen ließ. Er sah kurz zu seiner Schwester, die ihm mit einem 'sag nichts' Blick ansah und schaute dann wieder zu mir, bevor er seufzte. "Carlos hat Jane gestern abgesagt." So weit war ich schon. Ich deutete mit einer Handbewegung an, dass er fortfahren soll, wobei er aber seinen Namen in warnendem Ton von seiner Schwester zu hören bekam. Das hielt ihm glücklicherweise nicht vom Reden ab. "Und er wollte dich dafür fragen." Wenn auch gemurmelt, kam es klar und deutlich bei mir an.

Meine Gedanken zogen kurz blank, bevor sie im Eiltempo in meinem Kopf umher donnerten. Warum hat er dann nicht gefragt? Ich hätte ja gesagt. Vielleicht hatte er Angst? Nein. Carlos doch nicht. War er deshalb so trostlos gestern auf der Party? Meinetwegen? Vielleicht.

"Heidi hat ihn in die Flucht gejagt", klärte Elias mich auf. "Das meinte ich mit Trubel gemacht. Sie hat möglicherweise eine kleine Szene veranstaltet." "Elias!", zischte besagter Blondschopf. "Du hättest es ihr nicht gesagt, sei ehrlich."

"Warum? Du wusstest, ich wollte mit ihm zur Party", meinte ich verwirrt. Ich wollte ihr nichts Böses zusprechen, aber ich hatte es ihr definitiv gesagt. Sie sah mich entschuldigend an. "Ich wollte nicht, dass du nur seine zweite Wahl bist. Und vielleicht war er auch einfach am falschen Ort zur falschen Zeit. Keine Ahnung. Rückblickend habe ich vielleicht etwas überreagiert."

"Du solltest mit ihm reden."


Und ich tat genau das. Auf dem schnellstmöglichen Weg machte ich mich zu dem Zimmer der Jungs auf, in der Hoffnung, dass er schon wach war.

Angekommen klopfte ich an die Tür, doch öffnete mir nicht Carlos, sondern Jay die Tür. Er musterte mich einmal von oben bis unten, bevor er leise seufzte. "Was willst du?"

"Mit Carlos reden. Ist er da?" "Nein." Jay wollte die Tür wieder zuschieben, doch ich stellte schnell meinen Fuß dazwischen. "Kannst du mir wenigstens sagen, wo er ist?" "Auf jeden Fall nicht hier." Er schubste meinen Fuß aus dem Türspalt und schloss die Tür mit Schwung vor meiner Nase.

Was mach' ich jetzt?


Carlos' Sichtweise

Fechten ohne Gegner schien vielleicht für Jay oder die anderen sinnlos, aber ich konnte wenigstens meinen Dampf ablassen. Ich war nicht wütend auf sie. Wie hätte ich es sein können? Rosa hat nichts getan.

Sie wird garantiert nicht deine zweite Wahl sein, nur weil du nicht mit Jane hingehst.

Hätte ich Jane einfach gleich abgesagt, wäre alles anders gewesen. Oder vielleicht nicht. Ich hätte es sicher irgendwie wieder verbockt.

Lass sie einfach in Ruhe. Sie geht eh mit Elias zur Party.

Wahrscheinlich hatte ich alles falsch gedeutet. Und ich dachte, dass zwischen uns etwas wäre. Jeder hatte es gesagt. Anscheinend lagen alle falsch. Sie schien Spaß gehabt zu haben, mit ihm. Und immer wenn sie zu mir sah, schien sie traurig zu werden. Ich machte sie traurig. Ich sollte mich wirklich fern halten. Auch, wenn es weh tut.

Vergiss es.

Ich merkte gar nicht, dass sich die Tür geöffnet hatte. Erst als sie neben mir stand, bemerkte ich sie.

Lass sie einfach in Ruhe.

Ich versuchte, mich weiter aufs Fechten zu konzentrieren, ohne sie anzusehen. Was mir meine volle Willenskraft kostete. Ich konnte hören, wie sie mich beim Namen rief, doch reagierte nicht.

Sie legte ihre Hand auf meine, die den Degen hielt, um mich zum Stillstand zu bringen. "Es tut mir leid, was auch immer Heidi gesagt hat. Ich hätte mit dir reden sollen. Ich hätte meinen Mumm zusammennehmen und dir alles ins Gesicht sagen können, aber ich dachte, dass du mit Jane zur Party gehen wolltest und -"

Ich blickte nun endlich zu ihr und unterbrach sie. "Ich wollte nie mit Jane zur Party. Ich war nur ein Idiot und wollte freundlich sein. Eigentlich ... wollte ich mit dir hin. Aber -"

Ich konnte vor meinem inneren Auge sehen, wie Elias und sie zusammen lachten. Als hätte mir jemand ein Messer durchs Herz gerammt. Die Erinnerung schmerzt genauso wie das reale Ereignis.

"Aber wegen Heidi hast du dich nicht getraut zu fragen?" Seufzend nickte ich, woraufhin sie leicht lächelte. "Was immer Heidi gesagt hat, vergiss es. Ich weiß nicht, was sie gesagt hat, aber ich wollte auch mit dir zur Party gehen, okay?"

Meine Gedanken zogen blank und mir rutschte der Degen aus der Hand. Mit einem Klirren kam er auf dem Boden auf. Zum Glück sind die nicht scharf. Nach dem relativ lauten Geräusch fuhren meine Gedanken auch wieder auf Hochtouren. "Du machst Witze. Du willst nur, dass ich mich besser fühle. Ich hab dich doch mit Elias gesehen."

Sie seufzte, bevor sie meine andere Hand in ihre nahm. Sofort hatte sie meine vollste Aufmerksamkeit. Sie schaffte es immer wieder, mich alles vergessen zu lassen, was um mich herum passiert.

"Carlos. Elias hat sich die ganze Nacht darüber lustig gemacht, dass – na ja – dass meine ganze Aufmerksamkeit bei dir war. Und ich habe mich die ganze Nacht gefragt, warum du nicht bei Jane bist oder warum du so traurig wirkst. Und im Endeffekt war ich dann für dich traurig, obwohl ich nicht wusste, warum und ich hatte auch nicht den Mumm zu dir zu gehen und zu fragen."

Ein leichtes Lächeln machte sich auf meinem Gesicht breit. Sie ist süß, wenn sie über ihre Worte stolpert. "Ich hätte wohl einfach mit dir reden sollen, huh?" Sie schüttelte sanft mit dem Kopf. "Wir hätten miteinander reden müssen. Ich komme mir irgendwie dumm vor. Das hätte alles so einfach sein können." Sie lachte leicht und ich tat es ihr gleich.

"Habt ihr euch jetzt endlich vertragen? Das ging einem ja langsam auf den Keks", ertönte die Stimme von Dude, was mich plötzlich aus meiner Blase riss. Rosa lachte unterschwellig, bevor meine Hände losließ und einen Schritt auf Dude zuging. "Ich muss mich echt noch dran gewöhnen, dass du reden kannst." Sie griff in ihre Hosentasche und zog ein Täschchen heraus, aus dem sie Hundeleckerlis nahm. Dude aß ihr die Leckerlis sofort aus der Hand.

"Und ja, jetzt ist alles wieder beim Alten", antwortete sie dem Hund. Ich stimmte ihr lächelnd zu.

Ich muss es ihr trotzdem noch sagen. Nur nicht jetzt.

Freundin des Feindes (Carlos - Descendants)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt