Kapitel 12

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Joris

Er machte sich Sorgen um Charlie. Sein kleiner Bruder war andauernd müde. Und nun schien er dazu noch besorgt. Er hatte Joris von dem Irrlicht erzählt und auch von der Nixe. Nanno. Charlie sprach viel über ihn. Joris sähe es lieber, wenn Charlie die Nacht zum Schlafen nutzte, doch anscheinend hatte sein Brüderchen sich in die Nixe verguckt.

Das brachte Joris zum Schmunzeln. Immerhin war es Charlie, der Joris gefragt hatte, was er mit einer Nixe wollte. Einer Nixe mit Schwanzflosse.

Molly und Lucas waren ebenfalls skeptisch, doch sie konnten Charlie nicht davon überzeugen, sich mit der Nixe zu treffen. Genauso wenig, wie sie Joris davon abhalten konnten, die Sylphe wiedersehen zu wollen.

Gerade sammelte Joris Feuerholz. Lucas hatte ihn damit beauftragt. Joris ging daher vorsichtig durch den Wald und achtete darauf, dass der Fluss immer in Sichtweite blieb. Er wollte sich nicht noch einmal verirren. Er hörte, wie Charlie und Molly zusammen herumalberten. Gerade sangen sie lachend ein altes Wiegenlied. Und sie trafen keinen einzigen Ton. Lucas beschwerte sich über den Gesang.

„Deine Freunde können nicht besonders gut singen", sagte eine leise, hallende Stimme. Joris sah sich erschrocken um, doch er sah zunächst niemanden.

„Wo bist du?", fragte er daher. Die Stimme kannte er. „Ehlin? Bist du das?"

Vor ihm erschien die Sylphe. Schwebend und wunderschön. Charlie hatte ihm erzählt, dass Sylphen weder Frau noch Mann waren. Und wenn Joris sich diese schöne Person genauer ansah, dann war das auch zu erkennen. Ehlins Körper war weder männlich noch weiblich, was ihre Kleidung jedoch größtenteils verbarg. Seine Kleidung?

Die Sylphe war schlank und hatte edle, feine Gesichtszüge. Wunderschön.

„Hallo Ehlin", begrüßte er sie lächelnd.

„Hallo Joris", sagte Ehlin leise. „Ich habe deinem Bruder versprochen, dich zu treffen. Er sagte, ich gefalle dir."

„Ähm." Joris errötete. „Sagte er das?" CHARLIE!!

„Ja."

„Oh." Er wusste nicht, ob er seinem Bruder danken oder ihm eine Ohrfeige geben sollte. Er tendierte allerdings zu der zweiten Möglichkeit.

„Stimmt es nicht?" Ehlin legte den Kopf schief. „Das wäre bedauerlich."

„Wäre es? Oh!... Nun, also. Du... gefällst mir?"

Die Sylphe kicherte. „Ist dies eine Frage, die ich dir beantworten soll?"

„Nein?" Verlegen strich er sich durch das dunkle Haar. „Und... Gefalle ich dir? Ähm... Nein, vergiss es. Schon gut."

„Ja. Sehr." Ehlin lächelte und schwebte ganz nah an ihn heran, sodass sich ihre Nasen beinahe berührten. „Du bist nicht der erste Mensch, mit dem ich spreche. Ich habe früher schon einmal jemandem aus dem Wald geholfen. Einem Mädchen, dass sich beim Spielen im Feenwald verirrt hatte. Sie dürfte nun eine alte Frau sein. Wenn sie noch lebt. Sie war auch niedlich. Aber dich, dich würde ich gerne behalten."

„Niedlich? Behalten?" Joris starrte in Ehlins Augen, die seinen so nah war. Er wollte die Sylphe am liebsten küssen. Könnte er sie... ihn ... küssen? Ehlin war beinahe durchsichtig... Geisterhaft.

Ehlin nahm wieder etwas mehr Abstand. „Worüber denkst du nach?", fragte er. Joris entschied sich für ‚er', da Ehlins Stimme etwas tiefer war als die Stimme vieler Frauen. Fast männlich und doch undefinierbar.

„Worüber ich nachdenke? Nun. Darf ich dich berühren?", fragte er. „Geht das? Du wirkst, als wärst du nicht hier. Wie ein Geist."

„Geist? Ja, das mag stimmen." Ehlin lachte leise. „Ich bin ein Luftgeist. Hier. Bitte!" Er hielt Joris seine Hand hin. Schüchtern griff er nach der Hand und lächelte. Ehlins Haut fühlte sich warm an und gleichzeitig so, als bestünde sie nur aus einem sanften Wind und doch war seine Haut weich.

„Ich habe deinem Bruder versprochen, mich nach einem bestimmten Irrlicht umzuhören", sagte Ehlin und betrachtete dabei Joris Hand auf seiner.

„Ja, er macht sich Sorgen um eines. Hast du etwas herausgefunden?" Joris strich mit dem Daumen über Ehlins Handrücken. Die Sylphe erschauderte lächelnd.

„Ja. Feen halten derzeit ein Irrlicht fest. Teile dies bitte deinem Bruder mit. Aber er sollte nicht allein zu den Feen gehen."

„Was? Weißt du, wo sie sind?" Joris wollte Ehlin nie wieder loslassen. Es viel im schwer, sich auf das Thema zu konzentrieren.

„Ich hörte, sie halten das Irrlicht tief im Wasserfall fest. Sag dies bitte Charlie." Ohne Vorwarnung verschwand Ehlin. Joris betrachtete seine nun leere Hand und grinste wehmütig. Er gefiel Ehlin also?

Nanno

Charlie. Von nun an war dies Nannos liebster Name. Charlies Augen, seine Nase, das schöne Haar... Nanno war verliebt. Er lag in seinem Bett und freute sich darauf, den Menschen später zu treffen. Seine Arbeit hatte er für den Tag beendet. Bis zu dem Treffen wollte er sich ausruhen, um sich dann nachts wieder aus der Stadt zu schleichen.

Die meisten Nixen würden es nicht gutheißen, dass er sich mit einem Menschen trifft. So wie Elsa. Hoffentlich hatte sie es niemandem erzählt. Sie waren Freunde!

Doch leider hatte er kein Glück.

„Nanno! Stimmt es?" William rannte wütend in Nannos Wohnung und schließlich in sein Schlafzimmer. Überrascht setzte Nanno sich hin.

„Ist etwas passiert?", fragte er seinen besten Freund.

„Ich habe mit Elsa gesprochen!", zischte William und verschränkte die Arme. „Und?"

Oh nein!

„Rate mal, was sie mit erzählt hat!" William schnaufte, so wütend war er. Und er wartete nicht auf Nannos Antwort. „Stimmt es? Du triffst dich mit einem Menschen? Du hast unsere Anwesenheit verraten? Wegen dir konnte ich keinen Menschen kosten! Du wusstest, wie sehr ich mich darauf gefreut habe! Und es wird noch schlimmer! Elsa macht sich große Sorgen um dich!"

„Schlimmer?", fragte Nanno leise. Sollte er fliehen? William war ihm unheimlich, wenn er wütend war. Dann funkelten seine Augen bedrohlich.

Sein bester Freund warf die Hände in die Luft und marschierte im kleinen Raum auf und ab. „Elsa vermutet, du bist in den Menschen verliebt. Nanno! Man verliebt sich nicht in sein Essen! Nicht in einen Menschen. Was ist, wenn er ein Haustier aus dir machen will. Menschen versklaven andere Völker! Davon hast du doch sicher gehört? Die halbe Stadt spricht darüber!"

Nun wollte Nanno am liebsten mit den Augen rollen. „Ich bin froh, dass ihr Charlie nicht gefressen habt. Und ich bin froh darüber, dass ich es nicht versucht habe. Er ist gut. Und ganz sicher will er kein Haustier aus mir machen. Behalte es für dich, ja? Bitte."

William schüttelte den Kopf. „Du hast den Verstand verloren!" Dann stürmte er davon.

Nanno seufzte. Oh nein... Das gibt Ärger.


(c: sasi)




NIXE - Zwischen Wasser und Wald (BL)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt