Kapitel 18

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Nanno

Sie brachten die Menschen tief in den Feenwald. Dabei folgten sie dem Fluss. Nanno hatte fürchterliche Angst. Er wollte Charlie nicht sterben sehen. Er wollte seine Hand ergreifen und weit mir ihm davonlaufen! Die Feen und das kleine Irrlicht folgten der Gruppe. Charlies kleine Freundin saß auf seiner Schulter und kuschelte sich an seinen Hals. Auch sie wirkte ängstlich.

Nanno sah zu seiner Mutter, die an der Spitze der Gruppe ging. Zusammen mit den anderen Ratsmitgliedern. Nanno ging ganz am Ende. Es war ihm nicht gestattet worden, sich zu den Menschen zu stellen. Ehlin ging neben ihm her und schimpfte leise in der Sprache der Sylphen. Nanno musste ihn nicht verstehen, um zu wissen, dass es auch Ehlin nicht gefiel, wie die Menschen behandelt wurden. Charlie und die anderen Menschen wurden Speere in den Rücken gehalten.

Speere! Wozu? Ihnen werden sicher nicht plötzlich Krallen und spitze Zähne wachsen, mit denen sie uns angreifen! Wir sind die, mit den spitzen Zähnen!

Alle waren still.

Dann kamen sie an einem hohen Baum an, in welchem das Phönixpaar nistete. Dieser Baum war so hoch, dass er vom Fluss aus gesehen werden konnte. Ein paar Nixen zogen Molly und Lucas zur Seite. Die anderen wiesen Charlie und Joris an, sich nach vorne zum Rat zu stellen. Dabei bedrohten sie sich weiterhin mit ihren Speeren. Charlie drehte sich kurz lächelnd zu Nanno um, dann folgten er und sein Bruder der Aufforderung.

Nanno wollte die beiden am liebsten von dem Baum wegziehen, doch seine Beine bewegten sich nicht. Mit zitternden Knien beobachtete er das Geschehen.

„Erhabener Phönix!", rief Bastien. „Diese beiden Menschen erbitten dein Urteil." Er zeigte auf Charlie und Joris, die sich nervös ansahen. Ein schriller Schrei war zu hören, dann erhob sich ein großer Vogel mit eleganten roten Federn in die Luft. Bastien sprach ihn erneut an. „Erhabener Phönix! Bitte prüfe die Herzen dieser beiden Menschen. Sie stellen sich deinem Urteil freiwillig und akzeptieren ihr Schicksal."

Bastien klingt wie ein Wichtigtuer. Nanno rollte mit den Augen, doch dann ergriff ihn wieder die Angst um Charlie. Bitte, Phönix! Bitte!

Der Phönix war ein intelligentes Wesen. Er konnte zwar nicht sprechen, doch es hieß, dass diese Vögel jede Sprache verstanden und tief in die Herzen und Seelen aller Kreaturen sehen konnten. Der Vogel war schön und schrecklich zugleich. Legenden besagten, dass er denen, die er liebte, ein sehr langes Leben schenken konnte.

Erneut schrie der Phönix. Er umkreiste die Gruppe und flog knapp über Nannos Kopf her. Nanno erschauderte. Er beobachtete, wie der Phönix kurz Molly und Lucas betrachtete. Danach landete er vor Joris Füßen. Er sah ihn an und schlug mit den Flügeln. Mit einem weiteren Schrei erhob er sich wieder in die Luft, um dann auf Charlies Schulter zu landen. Erschrocken versteckte das Irrlicht sich in Charlies Haaren. Der Phönix putzte zufrieden seine Federn, und widmete sich dann dem rotem Haar. Auch dieses wurde liebevoll ‚gesäubert', während das Irrlicht protestierte. Die Nixen starrten den Menschen und den prächtigen Vogel verwirrt an.

Nanno lächelte und rannte zu Charlie. „Du hast den Test bestanden! Ihr beide habt bestanden!" Stürmisch umarmte er Charlie. Empört flappte der Phönix mit den Flügeln, doch er blieb auf Charlies Schulter sitzen.

Cyrille räusperte sich. „Der Phönix hat sein Urteil verkündet. Joris und Charlie haben reine Herzen." Dann betrachtete er Charlie nachdenklich. „Junge?", wand er sich an ihn.

„Ja?", fragte Charlie nervös.

„Der Phönix hat dich als besonders würdig erwählt. Du musst ein außerordentlich reines Herz haben. Gerne heißen wir dich und deinen Bruder im Grün willkommen. Keine Nixe wird euch ein Haar krümmen." Nachdenklich betrachtete Cyrille den schönen Vogel. „Der Phönix ist ein mächtiger Freund."

Ein leises Murmeln ging durch die Menge.

Charlie grinste. „Danke", sagte er zu Cyrille, und strich dem Vogel über das Gefieder. Der Phönix knabberte liebevoll an Charlies Fingern.

Die Feen jubelten.

Molly und Lucas liefen erleichtert zu Joris und Charlie. „Ihr lebt!", rief Lucas erleichtert. Der Phönix sah die beiden kurz an, dann knabberte er weiter an Charlies Haar. Ehlin schwebte zu Joris und küsste seine Wangen. Joris errötete und zog die Sylphe an sich.

Nun kam Nannos Mutter auf sie zu. „Ich akzeptiere das nicht!", sagte sie. „Nein! Der Phönix muss sich vertan haben! Das kann nicht sein."

Coco schüttelte ernst den Kopf. „Der Phönix irrt niemals. Er ist ein weiser Vogel." Dann sah sie zu Nanno. „Delphine? Dein Sohn hat gut gewählt! Und du weißt, dass der Phönix diejenigen straft, die sein Urteil missachten."

„Was?" Delphine schnaubte. Nanno streckte ihr die Zunge raus und griff nach Charlies Hand. Der Phönix plusterte sein Gefieder auf und betrachtete Delphine warnend.

„Mama? Dir gefällt nur nicht, dass ich einen Menschen gewählt habe", sagte Nanno. „Lern ihn doch erst einmal kennen!" Gleichzeitig flog der Phönix wieder hoch in die Lüfte und ließ einen lauten Schrei hören.

„Wir essen Menschen!", sagte Delphine. „Wir verlieben uns doch auch nicht in Algen! Oder in einen Fisch. Spätzchen! Das geht doch nicht."

„Mein Großvater war in einen Fisch verliebt", rief eine Nixe lachend. „Er blieb dem Fisch treu, bis dieser ihn mit einer Fischdame betrogen hat!"

Die Menge lachte leise.

„Mama." Nanno seufzte. „Ich liebe ihn." Charlie errötete.

„Aber!", protestierte Delphine, doch ein Klecks Phönixkot landete auf ihrer Schulter. Erneut schrie der Phönix. Delphine verzog angewidert das Gesicht. „Na gut, Nanno. Ich lerne ihn kennen. Der Phönix will es so. Ob es mir gefällt, oder nicht."

„Ich bin mir sicher, du wirst Charlie mögen!" Nanno hoffte es zumindest. Natürlich verstand er die Einwände seiner Mutter. Wäre Charlie ein Fisch, hatte Nanno ihn definitiv gegessen. Und auf ihre eigene Art, machte seine Mutter sich nur Sorgen um ihn. Dennoch konnte er ihr nicht zustimmen.

Cyrille wand sich nun an Molly und Lucas. Er entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten und bat die Feen, ihnen den Weg zur Steppe zu weisen. Die Feen willigten ein.

Ehlin kuschelte sich an Joris. Joris spielte mit Ehlins langem Haar. Die beiden waren in ihrer eigenen Welt und schienen nicht mehr mitzubekommen, was um sie herum geschah. Der kleine Aufstand von Nannos Mutter war ihnen gänzlich entgangen.

Das kleine Irrlicht schwirrte singend um Charlie und Nanno. Nanno schlang die Arme um seinen Menschen und legte seinen Kopf auf dessen Schulter.


(c: sasi)


Phönix (KI-Kunst)

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Phönix (KI-Kunst)

Charlie und der Phönix (KI - Kunst)

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Charlie und der Phönix (KI - Kunst)

NIXE - Zwischen Wasser und Wald (BL)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt