Charlie
Ehlin und Joris saßen gemeinsam unter der Plane, als plötzlich mehrere Nixen an der Wasseroberfläche auftauchten. Lucas und Molly starrten die Nixen erschrocken an. Die beiden unterhielten sich gerade über ein paar merkwürdige Pilze, die Lucas gefunden hatte und welche Molly für giftig hielt. Doch jetzt sprangen sie erschrocken auf. Fnips zog erschrocken an Charlies Haaren und sauste dann allarmiert in die Luft.
Als die Nixen aus dem Wasser kamen, auf menschlichen Beinen, sah Lucas nervös zu Charlie. Doch Charlie hatte nur Augen für Nanno, der unruhig auf ihn zulief und Charlie in die Arme fiel.
„Ich wollte das nicht, Charlie. Bitte, sei mir nicht böse", murmelte er und drückte sein Gesicht an Charlies Hals. „Bitte! Verzeih mir!"
„Was soll ich dir verziehen?", fragte Charlie verwirrt und strich über Nannos weiches Haar. Eine Nixe mit hellviolettem Haar warf ihm warnende Blicke zu.
Die Gruppe von Nixen umstellte die Gruppe. Ein paar von ihnen hielten eigentümliche Speere in den Händen. Ehlin stellte sich schützend vor Joris.
„Was soll das?", fragte die Sylphe verärgert. „Warum seid ihr alle gekommen? Was wollt ihr? Geht wieder!"
Die Nixen beachteten Ehlin kaum. Stattdessen schritten zwei von ihnen an der Sylphe vorbei und griffen ungnädig nach Joris. Weitere Nixen nahmen Molly und Lucas gefangen. Die Nixe mit blass violettem Haar kam auf Charlie zu. Die Frau warf Nanno einen finsteren Blick zu.
„Nicht, Mama!" Nanno schüttelte flehend den Kopf und stellte sich vor Charlie.
Mama? Charlie betrachtete Nannos Mutter. Sie hatten beide dieselbe Augenfarbe. Doch mehr Ähnlichkeit bestand nicht zwischen ihnen. „Das ist der Mensch?", fragte sie ihren Sohn. Nanno nickte.
„Dürfen wir erfahren, was das soll?", rief Molly wütend. Sie versuchte sich loszureißen, doch die Nixen waren stärker.
Nannos Mutter drehte sich zu ihr um. „Es wurde beschlossen, dass ihr eine Gefahr für uns darstellt. Doch wir stellen euch vor die Wahl. Unterzieht euch einem Test, oder sterbt! Wählt. Mehr Güte werden wir euch nicht gewähren. Und das ist wie wir hörten mehr, als ihr Menschen anderen Völkern zugesteht."
„Was?" Auch Lucas versuchte sich zu befreien. „Sterben? Ein Test? Güte? Was reden Sie da? Wir sind keine Gefahr! Das ist doch verrückt. Wir sind nur auf der Durchreise!"
Schnaubend hielt ihm eine Nixe seinen Speer an die Kehle. „Wähle, oder schweig!"
Molly schrie erschrocken auf. „Nicht!"
„Der Mensch sagt die Wahrheit!", rief Ehlin und versuchte die Nixen dazu zu bewegen, Joris loszulassen. „Irrlichtmagie hält sie hier fest. Das ist alles."
Fnips saß in der Baumkrone, auf sicherem Abstand zu den Nixen. Das kleine Irrlicht schimpfte laut. Charlie verstand zwar die Worte nicht, doch es klang nach Schimpfwörtern und anderen Freundlichkeiten. Nun sausten auch einige Feen an den Bäumen vorbei und schirmten Charlie von Nannos Mutter ab. Auch sie schimpften verärgert. Die Nixe schnaubte.
„Der Rat hat entschieden! Mischt euch nicht ein, oder wir fressen euch auch!", zischte sie die kleinen Wesen an. Diese streckten ihr die Zunge raus und rissen an ihren Haaren. Fluchend schlug Nannos Mutter nach ihnen, doch die Feen entwischten ihr. Eine andere Nixe, ein alter Herr, übernahm daher das Wort.
„Wie entscheidet ihr euch?", fragte er.
„Und was für ein Test wäre das?", fragte Joris genervt. „Etwas mehr müssen Sie uns schon sagen. Sollen wir eine besondere Muschel finden? Einen Frosch essen? Das ist doch albern! Wir haben Ihnen allen nichts getan!"
Die Feen stimmten ihm lautstark zu und gingen dazu über, die Nixen mit Früchten zu bewerfen, die weitere Feen mitbrachten. Das Irrlicht feuerte sie eifrig dabei an.
Der alte Mann jedoch lächelte Joris unbeeindruckt an. Eine rote Beere traf ihn spritzend am Kopf. Als er sie fortwischte, klebte blutroter Saft an seiner Stirn. „Nun, Junge. Es geht um den Phönixtest. Der Phönix wird eure Herzen testen. Habt ihr reine Herzen, lässt er euch am Leben. Besteht ihr sein Urteil nicht, lässt er euch verbrennen. Ein qualvoller Tod. Wir würden euch schnell töten. Und dann essen."
„Essen!", rief Molly aufgebracht. „Ihr könntet uns auch den Weg aus dem Wald zeigen! Das Ergebnis wäre dasselbe! Wir wären nicht mehr im Wald!"
Der alte Mann verzog das Gesicht. „Ach ja? Und dann? Dann kommt ihr mit weiteren Menschen zurück? Mit Sklavenhändlern? Wir haben von den Verbrechen der Menschen gehört. Wir lassen nicht zu, dass ihr unser Grün gefährdet! Doch unserem Nanno zuliebe, geben wir euch eine Möglichkeit, euch zu beweisen. Daher lassen wir euch die Wahl. Aus Gnade."
Charlie seufzte verzweifelt. „Wir sind hier, weil wir mit der Sklaverei nicht einverstanden sind. Wir wollen in die Steppe. Es ist die Wahrheit. Ich mache den Test. Aber ich habe einen Vorschlag. Nein, eine Forderung! Wenn ich den Test bestehe, dann lasst ihr Molly und Lucas gehen. Joris auch. Die Feen zeigen ihnen sicher den Weg zur Steppe, oder?" Er sah kurz zu den Feen. Diese nickten zustimmend. „Sie werden nicht mit Sklavenhändlern wiederkehren."
„Ihr geht wirklich fort? So schnell? Der Test ist gefährlich!", raunte Nanno ihm zu. „Würdest du bleiben? Bei mir?" Charlie drückte seine Hand.
Auch Nannos Mutter war dieses Detail aufgefallen. Nun da die Feen sie in Ruhe ließen, wand sie sich wieder Charlie und Nanno zu. „Du möchtest bleiben, Mensch?"
Charlie nickte. „Wenn ich den Test bestehe, dann wäre das doch sicher kein Problem?", wand er sich an Nannos Mutter. „Ich habe Ihren Sohn sehr gern. Ich will ihm nichts Böses. Aber ich wünsche mir ihr aller Vertrauen. Wenn ich dafür diesen Test machen muss, gern. Denn ich möchte bleiben."
Die Nixe rümpfte die Nase, doch dann nickte sie. Nanno lächelte verlegen.
„Ich mache den Test auch!", rief Joris. „Wenn wir bestehen, dann lassen Sie Molly und Lucas diesen Wald verlassen, ja?" Er sah zu Ehlin. „Ich will auch bleiben." Die Sylphe kaute besorgt auf seiner Unterlippe.
Der alte Herrn runzelte die Stirn und drehte sich zu den anderen Nixen. „Können wir dieser Forderung zustimmen?" Die meisten Nixen nickten. Nur ein paar wenige schüttelten den Kopf. Dann sah er wieder zu Joris. „Wir sind einverstanden. Ihr zwei macht den Test. Besteht ihr, dürfen eure Freunde gehen. Besteht ihr beide nicht, werden wir sie essen."
Nervös sah Charlie erst zu Nanno und dann zu seinem Bruder.
(c: sasi)
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NIXE - Zwischen Wasser und Wald (BL)
FantasyNanno lebt in einer unterirdischen Stadt. Charlie, sein Bruder und ihre Freunde sind auf der Flucht. Doch die Menschen verirren sich im Feenwald. Was passiert, wenn Mensch und Nixe aufeinandertreffen? (Dies ist ein weiterer Kurzroman zu den Hexe-Bü...