Charlie
Der Mond ließ den Fluss so silbern schimmern, wie Nannos Schwanzflosse. Nanno war längst im Wasser und ließ sich auf dem Rücken treiben. Charlie beobachtete ihn und hielt die Füße in das kühle Nass.
„Komm auch rein!", sagte Nanno schließlich. „Komm. Schwimm mit mir."
Das kleine Irrlicht klatschte aufgeregt mit den Händen und zeigte zu Nanno. Charlie verzog das Gesicht. „Ich kann nicht schwimmen."
Das Irrlicht seufzte und Nanno schwamm nah an das Ufer. „Hier ist das Wasser noch flach. Komm. Wir bleiben da, wo du stehen kannst."
„Wo ich stehen kann? Wie tief ist der Fluss?", fragte Charlie nun und sah unruhig zu Nanno.
Die Nixe grinste. „Sehr tief. Ein paar Meter bleibt der Fluss flach, dann kommt eine steile Klippe. Aber dort müssen wir nicht hin. Komm."
Charlie nickte. Dann zog er seine Kleidung aus und folgte Nanno in das kalte Wasser. Zitternd ging er bis zu Nanno. Das Wasser war tatsächlich noch flach genug, dass er stehen konnten. Doch es reichte ihm bereits nach wenigen Schritten bis zu den Schultern. Nanno lächelte und umarmte Charlie.
„Willkommen in meiner Welt", flüsterte er ihm in das Ohr. Charlie errötete. Das kleine Irrlicht schwirrte lachend um sie herum und neckte sie in ihrer fremden Sprache.
Nannos Schwanzflosse war ganz nah. Sie streifte kurz Charlies Beine und ein Schauer lief über seinen Rücken. Nanno legte den Kopf auf Charlies Schulter. Erstaunt schlang Charlie die Arme um ihn. „Und jetzt?", fragte er. „Was machen wir jetzt?" Charlie ließ seine Hände über Nannos Rücken und Arme gleiten. Er betrachtete die funkelnden Perlen, mit welchen Nanno sich schmückte und bewunderte die Umrisse der Schwanzflosse. Nannos Haut war glatt und kühl. „Du bist schön."
„Du auch", sagte Nanno leise. „Du darfst."
„Was darf ich?"
„Ich merke doch, dass du meine Flosse anstarrst. Du darfst." Nanno lachte. Sein Atem kitzelte Charlie im Nacken. Vorsichtig ließ er seine Hand über Nannos Rücken gleiten, bis er die glatten Schuppen der Schwanzflosse erreicht. Die andere Hand legte er auf Nannos Schulter. Die Nixe seufzte zufrieden, als Charlie fasziniert über seine Schuppen strich und drückte sich eng an Charlies unbekleideten Körper.
„Ähm", sagte Charlie nervös. Nanno kicherte nur.
Die Zeit schien stillzustehen. Nanno küsste Charlies Schulter und seinen Nacken und Charlie küsste seine Wange. Doch irgendwann überkam ihn doch die Müdigkeit. Charlie gähnte.
Nanno lachte. „Ich sehe dich dann morgen, ja? Außer... Nein. Es wird schon nichts passieren!" Er küsste flüchtig Charlies Wange und tauchte unter, um in den Tiefen des Flusses zu verschwinden. Lächelnd stieg Charlie aus dem Fluss und zog sich wieder an. Das Irrlicht flog ihm kichernd hinterher. Doch dann versteckte es sich plötzlich in Charlies Haaren.
Molly wartete auf ihn. Lucas und Joris schliefen, doch sie war wach. „Du bist vielleicht der erste Mensch, der lebend aus einem Bad mit einer Nixe zurückgekehrt ist. Charlie? Es tut mir leid. Deine Freunde wollen weder dir noch uns etwas Böses. Ich hätte dir glauben sollen. Aber nach alldem was passiert ist..." Sie strich sich durch das lockige Haar. „Ich hatte Angst." Das Irrlicht zwitscherte leise etwas. Molly betrachtete die kleine Gestalt neugierig. „Irrlichter sind wirklich niedlich", murmelte sie leise.
„Das sind sie. Und danke. Ich versteh schon. Vergeben und vergessen. Du wolltest nur das Beste für uns alle."
Joris
Charlie und Molly waren beide ungewöhnlich müde. Beide. Joris fragte sich, wie lange die beiden wach gewesen waren. Er hatte nichts mitbekommen.
Lucas brachte gerade ein Lagerfeuer in den Gang. Er hatte ein paar violette Ratten mit einer selbstgebauten Falle gefangen und wollte diese über dem Feuer rösten. Molly saß in ihrer Unterwäsche am Fluss und wusch ihre Kleidung. Sie wollte sie später zum Trocknen aufhängen. Dafür hatte sie bereits etwas Schnur zwischen zwei Bäumen befestigt.
Charlie saß träge unter der Plane und starrte zum Fluss. Ein kleines Irrlicht schlief eingerollt auf seinem Schoß. Er hatte es also retten können.
„Hallo Joris!"
Erschrocken sah er neben sich. Dort schwebte Ehlin und lächelte ihn an. „Du hast meine Nachricht weitergegeben. Wie wunderbar. Ich hörte von den Feen, dass sie deinen Bruder nun sehr mögen."
„Die Feen?", fragte Joris verwundert. Lucas und Molly betrachteten die Sylphe interessiert. Molly lächelte. Charlie hingegen gähnte nur und begrüßte den plötzlichen Gast mit einem trägen Kopfnicken.
Ehlin setzte sich, noch immer leicht schwebend, neben Joris und griff nach einer seiner Hände. Die Haut der Sylphe fühlte sie an wie ein erfrischender Luftzug. „Feen sind wahre Tratschtanten. Es kann gut sein, dass ihr bald von einigen Nymphen aufgesucht werden. Nymphen sind zwar scheu, aber auch sehr neugierig."
„Nymphen? Und du?" Joris lächelte.
„Ich? Ich bin bei dir!" Ehlin lachte leise. Dann sah sie zu Charlie. „Und? Hast du Nanno schon geküsst? Nicht auf die Wange, nein, auf den Mund?"
Charlie rollte mit den Augen. „Wie wäre es? Du könntest Joris küssen. Auf den Mund!" Er streckte der Sylphe die Zunge raus.
„Wie?" Sofort errötete Joris und sah mit großen Augen zu Ehlin. Ehlin zwinkerte ihm amüsiert zu, was Molly zum Schmunzeln brachte. Sie mit ihrer nassen Kleidung auf sie zu, um diese aufzuhängen.
„Du musst Ehlin sein. Ich heiße Molly. Und da vorne sitzt mein Mann Lucas", sie zeigte zu ihrem Mann. Lukas winkte, doch er konzentrierte sich voll und ganz auf das Lagerfeuer, welches wie üblich schwer zu entzünden war.
Sie unterhielten sich eine Weile, bis ein paar Nymphen kichernd an ihnen vorbei liefen und sie ohne Scheu beobachteten. Charlie, höflich wie er war, begrüßte die hübschen, geisterhaften Damen, die dies als Anlass nahmen, sie alle zum Tanzen und Feiern aufzufordern. Auch ein paar Feen kamen angeflogen und brachten ihnen süßes Obst und tanzten dann in der Luft.
Lucas beobachtete lachend vom Lagerfeuer aus das Geschehen, während er die Ratten röstete. Das kleine Irrlicht war wachgeworden und saß nun auf seiner Schulter, da Charlie gerade mit vier Nymphen im Reigen tanzte. Sie stellten sich ihm als Alika, Alea, Alste und Andine vor und verkündeten, dass sie nun beste Freunde waren. Das amüsierte Charlie. Die quirligen Nymphen waren lustige Zeitgenossen und forderten Joris immer wider dazu auf, Ehlin zu küssen. Ehlin sagte dazu nichts, doch er lächelte Joris wartend an.
So verbrachten sie alle den gesamten Tag feiernd.
(c: sasi)
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NIXE - Zwischen Wasser und Wald (BL)
FantasiaNanno lebt in einer unterirdischen Stadt. Charlie, sein Bruder und ihre Freunde sind auf der Flucht. Doch die Menschen verirren sich im Feenwald. Was passiert, wenn Mensch und Nixe aufeinandertreffen? (Dies ist ein weiterer Kurzroman zu den Hexe-Bü...