Kapitel 10

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Nanno wollte nicht glauben, was Elsa ihm erzählt hatte. Charlie sollte böse sein? Nein! Niemals! Daher wartete er nachts zwischen dem hohen Schilf darauf, dass Charlie zum Fluss kam. Die anderen Menschen schliefen bereits. Ihr seltsames Haus wurde von den Bäumen und Blumen in sanftes Licht gehüllt. Der Feenwald war nachts am schönsten. Alles leuchtete. Jeder Baum, jeder Grashalm. Es war einfach wundervoll.

Genau wie die unterirdische Höhle, in welcher die Stadt der Nixen lag. Auch diese war nachts am prächtigsten. Tagsüber spendete das Eis Licht, doch nachts glühten die Blumen, die trotz der Kälte dort wuchsen. Nanno störte die Kälte nicht. Er spürte sie nicht. Er war für das Leben zwischen Eis und Wasser geschaffen.

Es dauerte etwas, bis Charlie zum Fluss kam. Das Irrlicht war nicht zu sehen. Der Mensch wirkte nachdenklich, als er sich an das Flussufer setzte. Er lächelte, als er Nanno zwischen dem Schilf entdeckte. „Hallo Nanno", sagte er.

Nanno schwamm langsam näher und betrachtete Charlie. Dunkle Haut, schöne hellbraune Augen und dunkelrotes Haar. Charlie war schön. Waren alle Menschen schön?

„Was ist?" Charlie fuhr sich nervös durch das Haar. „Ist alles in Ordnung? Warum starrst du mich an? Habe ich was im Gesicht?"

Nanno schüttelte den Kopf. „Versklaven Menschen andere Völker? Eine Freundin sagte, dass ihr das macht. Stimmt das? Versklavst du andere? Seid ihr deswegen hier? Bitte sag, dass ihr nicht deswegen hier seid! Mein Volk würde euch angreifen und Essen!"

Charlie blinzelte überrascht und ging einen Schritt zurück. „Ähm. Nein? Ich versklave niemanden? Deswegen sind wir alle zusammen weg. Weil wir dagegen sind. Gegen die Sklaverei. Wir wollen in die Steppe. Dort herrscht die Königin nicht."

„Die Königin? Steppe? Ihr bleibt nicht hier?" Das beunruhigte Nanno. Aber warum? Er wollte, dass zumindest Charlie bleibt. Warum nur, war ihm plötzlich ein Mensch so wichtig? Die anderen Menschen kannte er nicht.

„Es ist nicht geplant, nein. Wir mussten fliehen. Die Königin und andere Hexen und Zauberer sind grausam. Gut, es gibt auch nette Hexen und Zauberer, aber... Ja. Menschen, besonders Hexen und Zauberer, versklaven andere Völker. Elfen und Werwölfe. Wir haben uns dagegengestellt, daher mussten wir fort. Die Königin mag es nicht besonders, wenn man ihre Herrschaft in Frage stellt."

„Dann bist du nicht böse." Nanno nickte zufrieden. Soweit konnte er Charlie folgen. Es gab also eine böse Königin? „Gut! Aber... Dann ist es also wahr?"

„Ja." Charlie seufzte und setzte sich wieder auf die feuchte Erde. „Leider."

„Das ist schlimm..." Nanno ließ sich auf dem Rücken treiben. Lächelnd bemerkte er, wie Charlie seine Schwanzflosse betrachtete. Nanno genoss es, in der Stille bewundert zu werden. Wie es sich wohl anfühlte, wenn ein Mensch seine Schwanzflosse berührte? Das Berühren von Schwanzflossen war nur Partnern vorbehalten. Natürlich streiften sich ab und zu zwei Schwanzflossen, aber das galt nicht als bewusste Berührung und war daher nicht tabu.

„Mein Bruder und ich haben eine Sylphe getroffen. Ehlin... Joris findet sie hübsch", beendete Charlie die Stille.

„Sie?" Nanno lachte. „Nein. Keine ‚Sie'."

„Er?" Charlie runzelte die Stirn. „Wirklich?"

„Nein. Auch kein 'Er', auch wenn es Ehlin egal ist, wie man ihn bezeichnet. Sylphen sind nichts von Beidem. Nicht Mann und nicht Frau. Ihnen ist egal, wie man sie bezeichnet. Ob als Mann oder Frau. Darauf legen sie keinen Wert. In ihrer eigenen Sprache haben sie eine Bezeichnung, aber die können nur Sylphen aussprechen." Nanno schwamm diesmal nah an Charlie heran, sodass nur sein Unterleib im Wasser war. Er stützte den Kopf in seine Hände und lächelte. „Ehlin ist mein Freund. Er ist alt. Sehr alt. Die Sylphen sind genau so alt wie die Zeit! Genau wie die Nymphen. Nymphen sind immer weiblich."

„Das wusste ich nicht." Charlie lächelte und betrachtete Nanno. Es fühlte sich seltsam an. Als würde Charlie ihn wie ein Buch lesen und sich jedes Detail einprägen. Nanno errötete.

„Joris mochte bislang nur Frauen! Aber jedes Mädchen, dass er versuchte für sich zu gewinnen, war von ihm nicht beeindruckt." Charlie lachte. „Er wird überrascht sein, wenn ich ihm erzähle, dass Ehlin keines ist."

„Warum?", fragte Nanno und zog an einem Halm des Schilfs. „Mag er keine... Die Nichts sind?"

„Das werden wir wohl bald herausfinden! Ehlin ist sehr hübsch."

„Bin ich hübsch?", wollte Nanno nun wissen. „Und warum ist das Irrlicht nicht bei dir?"

„Ähm." Charlie sah verlegen weg. „Das Irrlicht ist heute nicht gekommen... Vielleicht hat es etwas zu tun? Und... Ja... Du bist sehr hübsch..."

Nanno legte zufrieden den Kopf schief. „So hübsch wie Ehlin?"

„Ähm..." Charlie sah ihn wieder an. „Hübscher?"

Das freute Nanno. Ehlin war sehr schön. Ihm gefiel es, dass dieser Mensch ihn hübscher fand.

„Joris und ich wurden von Feen vom Wasserfall vertrieben... Weißt du, warum?... Oh und... Du sagtest, dein Volk würde angreife... Kannst du an Land?"

„Der Wasserfall ist für sie ein besonderer Ort. Die Feen betrachten ihn als den Spender allen Lebens. Sie dulden keine Fremden dort." Grinsend zog sich Nanno aus dem Wasser und setzte sich mit etwas Abstand neben den schönen Menschen. Langsam wich seine Schwanzflosse zwei dünnen Beinen. Stolz grinste er Charlie an und zeigte dabei seine Spitzen Zähne.

Charlie machte große Augen und seine Wangen färbten sich dunkelrot. Sein Blick wanderte von Nannos Gesicht, über seinen Bauch und zu seinen Beinen... Und zu dem, was zwischen Nannos Beinen war.

„Oh!" Schnell sah Charlie weg und rückte noch etwas zur Seite. „Du hast.... Beine"

Nanno grinste stolz. „Ja! Alle Nixen haben Beine." Doch warum war der Mensch nun verlegen? Er hatte doch wissen wollen, ob Nanno aus dem Wasser konnte. Also hatte er es ihm gezeigt. Verwirrt betrachtete er den Menschen. Er trug Kleidung die ihn größtenteils bedeckten... Und Nanno trug Perlen und Muscheln, die ihn nicht im Geringsten bedeckten. Vielleicht deshalb? Nanno kaute auf seiner Unterlippe und beschloss, sich einen kleinen Spaß zu erlauben. „Warum guckst du weg? Bin ich als Mensch so hässlich? Habe ich hässliche Beine?" Er strampelte etwas mit den Beinen. „Sind sie hässlich?"

Erschrocken sah Charlie zu ihm. „Was... Nein... Deine Beine... Du hast nichts... Also... Du bist wunderschön!... Also... Deine Beine sind schön. Ja. Du hast schöne Beine." Wieder fiel Charlies Blick zwischen Nannos Beine. „Beine!", sagte er erneut und sah schnell weg. „Schöne Beine!"

„Danke!" Lachend legte Nanno sich in den Sand und genoss das sanfte Licht des Mondes auf seiner Haut. „Du hast auch sehr schöne Beine."

Charlie betrachtete ihn kurz und wurde dabei noch röter.


(c: sasi)


Nanno hat hübsche Beine

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Nanno hat hübsche Beine. XD

NIXE - Zwischen Wasser und Wald (BL)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt