7 - [Besser Als Nichts]

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Viel zu packen gab es nicht, trotzdem zögerte ich alles heraus. Eigentlich waren es nur die Sachen, die ich an dem Tag an hatte. Mehr hatte ich sowieso nicht dabei gehabt. Vielleicht hatte man mehr auch einfach nicht retten können...

Ich war noch nicht bereit das Krankenhaus zu verlassen und meine eigene Wohnung wieder zu betreten. Dort wäre ich nur von allem umgeben gewesen, was mich an sie erinnert hätte. Dem konnte ich einfach noch nicht gegenüber stehen.

Ich wollte mich nicht erinnern. Ich wollte nur vergessen. Dr. Shepherd meinte, ich sollte für sie weiter leben, aber sah ich ohne meine Familie überhaupt keinen Sinn dafür. Schließlich hatte ich nie wirklich einen Sinn im Leben gesehen, ich existierte einfach. Schwomm mit dem Strom mit und hoffte irgendwann meinen eigenen Weg zu finden.

"Du bist nur vor etwas über einer Woche aufgewacht und schon willst du uns verlassen?" Hörte ich eine bekannte Stimme im Türrahmen lachen. Killian. Ich hatte ihn nicht mehr richtig in die Augen gesehen, seit er mir diesen Zettel gab. Aber nun fiel es mir wieder leichter seinen braunen Augen zu betrachten.

Schweigend sah ich ihn an. Ich hatte Fragen und nur er besaß die Antworten dazu. Nun war es sowieso egal, ich hätte Killian eh nicht wieder gesehen. "Woher kennst du H?"

Es fühlte sich völlig falsch an diesen Namen zu verwenden, aber hätte Killian denn überhaupt ihren richtigen Namen gewusst? Harlow. Ich fühlte mich besonders, auch wenn es nur ihr Name war, den sie mir gab.

Er schlenderte mit einem erfreut Lächeln aus dem Rahmen und setzte sich aufs Bett. Ein langes Gespräch wäre das sicherlich gewesen, weshalb ich meine fast leere Tasche auf dem Boden stellte und gemeinsam mit ihm aus dem Fenster sah.

Die Sonne schien nicht hindurch, stattdessen hing sie hoch oben im Himmel. Nur die Wolken konnte man von weitem sehen, zusammen mit einigen Vögel, die sich auf das Fensterbrett gesetzt hatten.

"Ich dachte schon, du hättest den Zettel weggeschmissen." Atmete er erleichtert aus und ließ seine Schultern hängen. Das war nicht die Antwort, die ich hören wollte. Sie hatte noch nicht einmal etwas mit meiner Frage wirklich zutun. "Warum hast du ihn mir gegeben?" Stellte ich dann eben als zweite Frage und sah ihn an, aber er sah fast schon stur aus dem Fenster und mied zwanghaft meinen Blick.

Sein Schweigen machte mich nervös, aber sein Grinsen machte mich wütend. Warum grinste er? Und warum zu Hölle, wollter er mir nicht in die Augen sehen?

"Antworte mir!" Verlangte ich sauer, aber lachte er mir nur mit gesenkten Kopf entgegen. "Okay, okay, okay." Gab er dann endlich von sich, als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. "Ich schätze, ich schulde dir eine Antwort." Und hielt schön einen Finger dabei hoch. Eine? Er schuldete mir so viele Antworten!

Aber es war ja nicht so, als hätte ich dagegen protestieren können. Wenn er gewollt hätte, dann hätte er auch nichts sagen müssen. Wütend kreuzte ich meine Arme und hoffte darauf, dass er mir tatsächlich wenigstens eine Frage beantworten würde. Schließlich war eine Antwort besser als keine.

"Viele Menschen sind am Boden zerstört, wenn sie die Nachricht bekommen, dass ihre geliebten verstorben sind." Begann er und stand mit ausgebreiteten Armen von dem Bett auf. Als hätte er sich gerade wie ein Gott gefühlt, der eine Entscheidung über jemanden treffen dürfte.

So jemand hätte nicht im Krankenhaus arbeiten sollen, wo er im wahrsten Sinne des Wortes hier entscheiden konnte, wen er das Leben rettete und wen nicht.

Ab diesen Punkt war ich mir sicher, dass Killian ein Wahnsinniger war, den man hätte wegsperren sollen - nur wenn er nicht schon in Therapie war, was ich stark bezweiflte.

Irgendwie lustig, nicht einmal ich dachte an eine Therapie. Vielleicht hätte dir mir ja geholfen, aber konnte ich nicht immer wieder diese Gefühle durchleben.

Ich wollte nur vergessen, nur aufhören zu atmen. Keinen dieser Momente je wieder erleben.

"Du hingegen warst wütend." Grinste er mir entgegen. Er wusste nichts. Ich war auch am Boden zerstört, ich konnte nicht darüber hinweg kommen. Aber natürlich war ich auch wütend! Wie hätte ich mich sonst fühlen sollen, wenn jemand meine ganze Familie umbrachte?

"Deswegen habe ich dir den Zettel gegeben." Er wirkte so stolz auf sich selbst, dass ich ihn einfach sprachlos in die Augen sah. "Tja, war nett dich kennengelernt zu haben, Estelle, aber ich hoffe, dass ich dich nie wieder hier sehe."

Killian stopfte seine Hände in seine Hosentasche und wollte aus dem Zimmer gehen, aber eine Sache musste ich noch wissen.

Abrupt stand ich auf und ließ seinen verwirrt Blick über mich ergehen, nur damit er stehen blieb, selbst wenn ich nicht einmal auf dem selben Fleck stehen bleiben konnte.

Ich wusste, dass er mir meine Frage über Harlow nicht beantwortet hätte, aber gegen diese konnte er nichts sagen. "Wurden meine Rechnungen bezahlt?" Verzweiflung hob sich in meine Stimme, aber das war ich auch: verzweifelt.

Als ich nun diesen Vertrag unterschrieben hatte und er seine Versprechen nicht hielt, dann war doch nun wirklich alles für nichts. Dann hätten mich die Ärzte einfach sterben lassen können.

"Ich glaube nicht, dass-" Wollte er beginnen. Er glaubte nicht, dass das eine Rolle spielte, aber wie Thorne selbst gesagt hatte: ich konnte meine eigene Wohnung schon kaum bezahlen, geschweige denn Krankenhausrechnungen! "Antworte mir einfach!"

Er seufzte und lehnte sich an den Türrahmen. Sein Blick war gesenkt und ungeduldig bewegte er sein Bein.

Wenn er mir nicht in den nächsten zwanzig Sekunden geantwortet hätte, dann wäre ich aus dem Zimmer gerannt und hätte Dr. Shepherd aufgesucht und ihn über meine Rechnung ausgefragt. Selbst wenn dieser im OP gestanden hätte.

"Ja hat er, mach dir nicht so viele Sorgen darüber." Seufzte Killian genervt, als wäre er wütend auf sich selbst gewesen, bevor er mein nun ehemaliges Zimmer mit schnellen Schritten verließ.

Ein Teil von mir war erleichtert, ein anderer hasste Thorne dafür, dass er sein Wort hielt.

Trotzdem änderte das nichts an meinen selbsthass den ich verspürte, eben weil ich diesen Vertrag unterschrieben hatte. Dieser Vertrag war wahrscheinlich der größte Fehler meines Lebens,

Till Death Do Us Apart Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt