"Aufstehen!" Schrie eine Stimme gedämpft von der anderen Seite der Wand. Ich war schon seit einer Weile wach, aber machte ich mir nicht die Mühe aufzustehen.
Harlows Worte wollten mich einfach nicht verlassen, auch wenn Harlow selbst nicht einmal mehr im Bett lag.
Als ich meine Augen öffnete, war sie einfach fort. Schnell schloss ich sie wieder, aber konnte ich nicht mehr einschlafen.
Als ich sie gestern fragte, ob die Leere irgendwann verschwinden würde, meinte ich eigentlich meine Schuldgefühle.
"Raus aus dem Bett!" Rief Killian mir zu, als er die Tür aufschwag. "Wo ist Harlow?" Sein Grinsen fiel ihn von den Lippen und mit gekreuzten Armen stand er im Türrahmen und sah mich an.
Beleidigt sah er sich im Raum um, bevor er sich übertrieben zu Räuspern begann. "Oh Killian, wie schön dich zu sehen. Ach Killian, liebend gerne esse ich zum Frühstück mit dir-" "Ich habe keinen Hunger."
Zum zweiten Mal fiel sein Grinsen von den Lippen, aber war dieses sowieso nur vorgespielt gewesen.
,,Fängt das schon wieder an?" Seufzte er. Mit langsamen Schritten kam er auf mich zu und setzte sich zu mir aufs Bett. "Wo ist Harlow?" Fragte ich noch einmal mit Ungeduld in meiner Stimme nach. "Keine Ahnung." War seine simple Antwort, die ich so unbefriedigend fand.
Sie standen sich doch so nah, wie konnte er also nicht wissen, wo sie war? Er musste am lügen sein, aber selbst wenn er es gewusst hätte, dann hätte er es mir nicht verraten. Für alles schien es ja einen Grund zu geben.
"Bist du gestern nicht nach Hause gegangen?" Wechselte ich lieber das Thema, sonst hätte mich meine Unwissenheit noch in den Wahnsinn getrieben.
Ein Lächeln formte sich auf seinen Lippen - dieses mal war es nicht gespielt. "Daran wirst du dich wohl gewöhnen müssen, ich schlaf nämlich öfters hier. Und nur damit du bescheid weisst; ich schlafe nackt."
Er sagte es ohne Scham, dass mir der Mund schon offen stand. Warum zur Hölle musste ich das wissen? Aber danke, jetzt war ich mir wenigstens sicher, dass ich kein zweites Mal einfach in irgendwelche Räume gehen würde.
"Und du erzählst mir das weshalb?" "Naja, falls du mal versehentlich in mein Zimmer stolpern solltest..." Zwinkerte er mir mit einer Unmenge an Selbstbewusstsein zu, dass es schon lächerlich war. "Und am besten sagst du mir noch in welchen Zimmer du schläfst, damit ich dieses meiden kann." Grinsend zeigte er mir den Mittelfinger.
Aber was hatte er erwartet? Diese Umstände waren nicht normal! Auf keinen Fall, hätte ich mich auch nur für eine Nacht auf Killian eingelassen, egal wie gut er mit den schwarzen Haaren, den braunen Augen und den leichten Bauchmuskeln aussah, die sich unter seinem weißen Shirt abbildeten.
Die Stimmung war zwischen uns ausgelassen, wir lachten leicht und unterhielten uns auch, aber musste er die Atmosphäre mit seiner Frage wirklich ruinieren? "Was ist eigentlich los mit dir, Estelle?"
Meine Finger krallten sich in die Bettdecke, die ich keinen Zentimeter von mir fortbewegt hatte, seitdem ich aufgewacht war.
Was sollte den mit mir los sein, außer das ich mich irgendwie mit zwei Mörder angefreundet hatte? Das war doch absolut normal, passierte jeden mal. Es gab schließlich genug Studien die behaupteten, dass man in seinem Leben mindestens 31 Mördern begegnete. Nun kannte ich eben zwei.
"Was meinst du?" Irgendwie musste ich ja darauf antworten. Aber ich fragte mich das wirklich, selbst in Krankenhaus hatte ich mich so verhalten.
Er zog seine Augenbraue hoch und stämmte seine Hände in seine Hüften, während er ich mich diesem ''dein-erst?''-Ausdruck ansah.
Killian konnte einen wirklich allein schon mit seinen Blicken verunsichern, genau wie Harlow. Aber das war mir eigentlich egal, ich wollte nur wissen, wo sie war.
"Was ich meine? Du liegst hier im Bett, meidest Essen und wartest nur auf Harlow, alias: dein sicherer Tod." Er sagte es so, als wollte er mir irgendwelche Vorwürfe machen. Darauf konnte ich wirklich verzichten.
Wütend rollte ich die Augen. So habe ich mich auch im Krankenhaus verhalten, Killian." Ließ ich ihn wissen, aber begeistert war er nicht.
,,Ja, weil du im Krankenhaus vor Schmerzen nicht einmal gerade sitzen konntest. Außerdem habe ich dich da zum essen gebracht, nun werde ich dich hier auch zum essen bringen."Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange. Warum konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen?
"Weisst du, dass du 'ne ziemlich Bitch bist." Hatte ich mich gerade verhört? Schockiert blieb mein Mund geöffnet. "Was?" Musste ich einfach ungläubig nach fragen. "Du hast mich richtig verstanden."
Killian stand vom Bett auf. Ich dachte er würde einfach aus der Tür rausspazieren, aber lehnte er sich noch einmal in den Rahmen.
"Niemand erwartet, dass du über den Tod deiner Familie hinweg kommen sollst." Begann er. Ich konnte ihn nicht einmal mehr in die Augen sehen, so beschämt war ich.
"Wir erwarten nicht, dass du mit einem Lächeln aus dem Bett springst und so tust, als wäre ein Mörder nicht hinter dir her." War seine Stimme schon immer so beruhigend und einfühlsam gewesen?
"Harlow und ich hatten beide an den selben punkt gestanden, wie du." Killian hatte auch jemanden verloren? "Aber der Unterschied zu dir ist, dass wir niemanden hatten, der bei uns war."
"Wir wollen dir helfen, selbst wenn du glaubst, dass eine Kugel in deinem Kopf die einzige Lösung ist. Harlow wird es tun, wenn sie glaubt, dass du hoffnungslos bist."
Seine Worte ließen das Blut in meinen Adern gefrieren. Egal mit wie vielen Decken ich hier lag, mir war so kalt. So kalt, wie der Ausdruck auf Killians Gesicht.
Seine Augen waren leer und seine Lippen hingen ihm trüb herunter. Er hatte jegliche Farbe von den Wangen verloren, er war vollkommen blass.
"Ich mag dich, Estelle. Ich weiss auch, das Trauer ein komplexes Thema ist, welche keine genauen Regeln folgt. Jeder verarbeitet sowas anders, aber am Ende kommt immer das selbe heraus: Akzeptanz. Irgendwann wirst du es akzeptieren und damit klarkommen."
Vielleicht würde ich irgendwann ihren Tod akzeptieren und damit umgehen können, doch würden mich diese Schuldgefühle für immer begleiten.
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Till Death Do Us Apart
Romance➵ 𝐄𝐬𝐭𝐞𝐥𝐥𝐞 𝐮𝐧𝐝 𝐇𝐚𝐫𝐥𝐨𝐰 | 𝐃𝐚𝐫𝐤 𝐑𝐨𝐦𝐚𝐧𝐜𝐞 Scheinwerfer, Geschrei und Dunkelheit. Das war alles, was Estelle nach ihren Unfall im Gedächtnis blieb. Von den einen auf den anderen Moment hatte sie ihre gesamte Familie in einem Auto...