19 - [Dumme Versprechen]

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Ihre nassen Hände fuhren über meinen Rücken, als sie meine Haare nach vorne legte. Sie hatte mich in diese riesige Badewanne gelegt und sich hinter mir gesetzt, während das warme Wasser hinein lief.

Ich wollte ihre Berührungen genießen, wie sie mir sanft den Schweiß von dem Körper wusch, aber fürchtete ich mich, ob das vielleicht eine einmalige Sache war, die ich nie wieder erleben würde.

"Harlow?" Zitterte meine Stimme ihren Namen zu sagen. Sie zog meinen Körper näher zu sich und legte ihr Kinn auf meiner Schulter ab. Sie hörte mir zu. "Warum hast du das getan?"

Es klang, als wollte ich ihr Vorwürfe machen, dabei genoss ich jede Sekunde, trotzdem war mir nicht klar, warum sie mich küsste, Sex mit mir hatte und nun im Bad mich wusch.

"Bereust du es?" Ihre Stimme war tonlos. Ich konnte nicht erkennen, ob sie enttäuscht über meine Worte war, oder ob es in ihren Augen ein Fehler war. "Nein, ich versteh es einfach nur nicht."

Ihre Finger wanderten zu den Spitzen meiner blonden Haare und spielten damit, als würde es sie beruhigen. "Ich meinte doch, dass ich dir das Leben versüßen will." Ein Lächeln zierte meine Lippen, welches sie aber nicht sah.

Der Abend hatte mich glücklich gemacht, sehr sogar, aber dieses Glück reichte nicht für ein ganzes Leben aus.

"Da steckt doch mehr dahinter." Erst jetzt fiel mir auf, wie heiser meine Stimme überhaupt war. Harlow seufzte. "Rache motivierte mich weiter zu machen, aber erst als ich auf Killian traf, lernte ich das Leben wieder Stück für Stück zu genießen. Ich möchte, dass du das auch lernst, Estelle."

Deine Mutter, deine Familie." Begann ich, doch wusste ich selbst nicht einmal, was ich sie überhaupt fragen wollte. "Wie waren sie so?"

Sie lachte kurz auf, bis sie sich tiefer ins Wasser sinken ließ und ihre Arme um meine Schultern legte, welche ich ergriff.

"Es gab nur mich und meine Mutter." Gestand sie und spielte einen gewissen Klang von Freude vor. "Mein Vater habe ich nie kennengelernt, da er lebenslänglich im Knast sitzt." "Weshalb?" Wahrscheinlich war es sehr unhöflich von mir sie so etwas zu fragen, aber meine Neugier gewann immer wieder die Oberhand.

Harlow lachte, aber nicht weil es lustig war, es ähnelt eher er dem Lachen eines unlustigen Witzes. Eines schlechten Witzes. "Er sitz wegen Mord." Nun verstand ich. Er wurde erwischt, sie nicht.

"Tja, ich schätze, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm." Ich konnte ihre Augen nicht sehen, aber wie gerne hätte ich mich in dem braun ihrer Iris verlaufen, nur um diese Frage nicht stellen zu müssen. "Glaubst du, dass das alles hier Schicksal ist?"

Sie schwieg, als hätte sie noch mehr erwartet. Und sie hatte recht, ich hatte noch mehr zu fragen.

"Hast du jemals von dem Spruch gehört; Gott gibt seine härtesten Kämpfe, zu seinen stärksten Soldaten?" Sie seufzte. "Ich glaube nicht an Gott." Es klang so, als hätte sie sich zurückhalten müssen, nicht mehr zu sagen.

"Wenn Gott die Macht über alles und jeden besitzt, dann hat er unserer Leben vorbestimmt - also alles was passiert, ist Schicksal." Den Tod ihrer Mutter, den Tod meiner Familie; Schicksal, alles war immer vorbestimmt. Wir hätten es nie ändern können.

"Und wenn Gott so allmächtig ist, warum gibt es dann Kriege und andere Nöten, die er einfach verhindern könnte? Es müssten keine Soldaten existieren, die wiederum andere töten." Sie klang einfach nur wütend und enttäuscht. Ich aber auch.

Ich wollte mir nicht ausmalen müssen, dass all die Erinnerungen, die ich mit meiner Familie geschaffen hatte, nur existierten, um mich an sie zu erinnern, wenn das Schicksal sie geholt hatte.

"Und unserer Treffen? War das auch Schicksal?" Harlows griff wurde fester. "Es war Zufall. Wir hätten uns an jeden Tag treffen können, egal ob dieser nun eine Tragödie mit in behielt oder nicht."

Erleichterung durchzog mich, auch wenn wir einander niemals auf der Straße angesprochen hätten. Harlow meinte schließlich selbst, dass sie alles hinter sich lassen musste. Sie hätte mich nicht angesprochen, es musste so kommen.

"Was geht dir durch den Kopf, warum fragst du mich sowas?" Flüsterte sie mir zart in mein Ohr, dass meine gesamte Haut einen Schauer erlitt. "Ich fürchte einfach nur, dass dir etwas passieren wird, so wie heute." Meine Hände fuhren dabei über den Verband, der nun vollkommen im Eimer war, aber wenigstens färbte sich das Wasser nicht rot.

"Ich mache das seit Jahren, also mach dir keine Sorgen." Meinte sie und platzierte sanfte Küsse auf meiner Haut. Meine Hände ließen aber den Verband nicht los und fuhren weiterhin darüber. Ein kleines kichern entkam ihr. "Man muss eine Wunde eben auch ordentlich waschen."

Auch wenn ich sie nicht sah, konnte ich das zucken ihrer Schulter spüren. Mit einem Ruck drehte ich mich um und lag auf den Bauch. Ihre Augen musterten mich aber nur mit einem schelmischen Grinsen.

"Das kannst du nicht ernst meinen?" Musste das heiße Wasser nicht brennen. Es war angenehm auf der Haut, aber auf einer Wunde wie Harlow sie hatte, mussten die Schmerzen doch unnatürlich sein. "Oh doch, du kannst ihn mir ja einfach später wechseln, wenn du möchtest." Dazu sagte ich nicht nein.

Wenn ich Harlows Körper ansah, dann fiel es mir leichter die Narben auf meinen eigenen zu betrachten. Kein bisschen wurde sie von ihrer Schönheit beraubt.

"Aber ist es nur das?" Fragte sie mich plötzlich in einem ernsten Ton, wobei ich aber nicht verstand, was sie wollte. "Du hast nicht nur Angst, dass mir etwas passieren könnte, nicht wahr?"

Ich wollte ihren Blick meiden und aus den riesigen Fenster gegenüber von der Badewanne raussehen - irgendwie schien jedes Zimmer solch riesige Fenster zu besitzen, aus denen man die Sterne schon fast aus nächster Nähe sehen konnte, aber Harlow legte ihre Finger unter meinen Kinn und zwang mich ihr in die Augen zu sehen.

"Ich weiss nicht, was mit mir ist, aber wenn du irgendwann nicht mehr hierher zurückkommst, dann..." Ich wusste nicht einmal, wie ich den Satz beenden sollte. Jeder Gedanke wurden von dunklen Wolken bedeckt.

"Dann versprech mir etwas." Forderte sie mich auf und hielt mir ihren kleinen Finger entgegen. Ich musste Grinsen, denn es erinnerte mich doch etwas an meine Kindheit, wenn ich solche dummen Versprechen mit meinen Freunden oder Bruder machte.

,,Verspreche mir, dass nur der Tod uns scheiden wird."

Till Death Do Us Apart Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt