20 - [Böse Überraschung]

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Als ich meine Augen öffnete, lag Harlow nicht mehr neben mir, obwohl ich meine Arme doch so fest um sie geschlungen hatte.

Sie war nicht in diesem Zimmer, oder im Bad, auch nicht in der Stube. Sie war wieder arbeiten. Mein Herz wollte ich nicht aufhören, vor Angst zu schlagen. Es hätte doch schließlich so viel schief gehen können.

Und nun war ich vollkommen alleine in diesem riesigen Apartment. Diese Einsamkeit fühlte sich so anders an, als die, die ich im Krankenhaus erlitt. Nun war niemand hier, wirklich niemand - nicht einmal Killian.

Meine Beine trugen mich zu den riesigen Fenster, die die Wände ersetzt hatten. Wie öffnete man diese überhaupt? Denn ich hätte tatsächlich nun etwas frische Luft gebrauchen können.

Als Harlow und ich auf dem Dach waren, genoss ich zum ersten Mal die frische Luft wieder. All die anderen male, die ich seitdem Unfall draußen war, dienten nur zum Zweck; von A nach B zukommen.

Alleine hier zu sein, fühlte sich wie Gefangenschaft an. Ich wollte raus. Ich hievte mich vom Boden auf, nur um erneut diesen ziehenden Schmerz in meinen Beinen zu spüren, der durch meine nicht existente Bewegung kam.

Kurz wurde mir schwarz vor Auge, dann war alles wieder normal. Ich war zu schnell aufgestanden und bewegte mich zu wenig.

Ich wollte raus, raus vor die Tür. Etwas Normalität zurück in mein Leben bringen. Wer konnte denn schon behaupten, dass es normal war, mit Auftragskillern involviert zu sein?

Eine Sache gab es wenigstens noch, die normal war und das war meine Arbeit - wenn ich von dieser nicht doch schon gefeuert worden war.

Es wäre gelogen, wenn ich all diese Kinder nicht doch schon irgendwie vermisst hätte, selbst die, dir mir nur Kopfschmerzen bereiten konnten.

Zögernd blieb ich aber vor der Tür stehen. Harlow hätte das sicherlich nicht gefallen. Ihre Meinung war mir wichtig, aber wollte ich auch nicht die ganze Zeit hier gefangen sein.

Hier zu sterben war eine Sache, aber mein gesamtes restliches Leben zu verbringen, war eine vollkommen andere.

Tief atmete ich noch mal ein und zog dann die Tür offen. Riesige Bilder zierten die weißen Wände des breites Korridors. Am Ende von diesem befand sich ein Fahrstuhl, aber keine Treppen - nicht das ich die Treppen genommen hätte, aber was, wenn der Aufzug mal ausfallen würde?

Die digitale Nummer zeigte zwölf an, Harlow wohnte im zwölften Stock, der letzte Stock. Aber so hoch wie die Decken gebaut waren und das Apartment selbst eine eigene zweite Etage besaß, wunderte es mich nicht, wenn alle Wohnungen so groß gewesen wären.

Spiegel umringten mich. Harlows Kleidung war zu groß, aber sie bedeckten all meine Narben. Trotzdem, nur weil sie nicht da waren, hieß das nicht, dass sie nicht existierten.

Ich wollte hier raus, so schnell es ging. Als sich die Türen des Fahrstuhls wieder öffneten, war ich in einer Lobby, die mir irgendwie bekannt vorkam.

Selbst als meine Beine mich aus dem Gebäude trugen und ich endlich die Straßen vernünftig erkennen konnte, kam mir alles wirklich so bekannt vor.

Mehrmals war ich diese Straßen mit luxuriösen Boutiquen abgelaufen, wann immer ich meinen eigentliches Leben entkommen wollte und so tat, als wäre ich so reich wie alle anderen, die in ihren Anzügen hier an mir vorbei liefen.

Ich hätte lachen können, als ich mich daran erinnerte, dass Harlow meinte, dass wir uns auch auf der Straße hätten begegnen können - schließlich lebte ich nicht einmal eine halbe Stunde von hier entfernt.

Mit einem leichten Lächeln lief ich in die Richtung meiner Wohnung, denn in der selben Richtung war nämlich auch der Kindergarten.

Je weiter ich lief, umso mehr Luxus Boutiquen verschwanden. Nun waren es wieder die einfachen Läden und Thrift-Stores, die man in den Schaufenstern sehen konnte.

Aber wenigstens verhielten sich die Leute gleich. Sie alle besaßen die selbe Hektik und achteten nicht auf die Leute, in die sie hinein liefen.

"Ms. Montoya?" Hörte ich eine männliche Stimme meinen Namen sagen. Ich kannte die Stimme nicht und selbst wenn, dann hätte ich es bevorzugt, dass man mich bei meinem Vornamen nennen würde.

"Ich habe Sie schon lange nicht mehr hier gesehen." Langsam drehte ich mich um, vor mir stand ein großer Mann, der in einem schwarzen Anzug gekleidet war und auf mich herabsah.

Äußerlich wirkte er familiär; die Glatze, die Tattoos am Hals, der Anzug. Ganz verschwommen war mir das im Gedächtnis geblieben.

"Kenn ich Sie von irgendwo her?" Einige Schritte machte ich zurück, doch packte mich seine starke Hand an der Schulter und zwang mich in eine Gasse zu laufen. "Ich bin im Auftrag von Howard Thorne hier."

Als meine Augen sein hinterlässtiges Grinsen erblickte, fiel mir sofort wieder ein, von wo ich ihm zum ersten Mal sah. Es war im Krankenhaus als Throne mich dazu brachte den Vertrag zu unterschreiben. Er stand mit einem anderen Mann an der Tür und passte auf, dass uns niemand stören würde.

"Wo warst du, Estelle?" Sein griff wurde fester, als er mich gegen die Wand drückte. Er war mir so nah, dass ich meine Reflektion in seinen Augen sehen konnte.

Mein Hals schmerzte, mein Herz raste ununterbrochen und meine Beine wollten den Geist aufgeben. Seine Berührungen um meine Handgelenke taten weh. Ich wollte um Hilfe schreien, aber bekam ich keinen Ton heraus.

Noch einmal wiederholte er seine Frage, aber versagte meine Stimme. Sein Griff wurde fester und seine Miene nur genervter.

Aber bevor ich tatsächlich etwas antworten konnte, türmte sich hinter dem Mann eine Hand auf, die eine Spritze hielt.

Völlig verwirrt sah ich nach hinten, aber bekam er nicht die Chance sich umzudrehen. Die Nadeln stecke schon in seinem Hals, die er sofort zum Boden warf.

Blut lief ihm herab. "Was zur Hölle!" Schrie er so laut, dass selbste einige Passanten in die Gasse sahen. Aber mein Blick glitt nur zu Killian, der sich an die Mauer lehnte.

Ich war dem Mann egal. Wie ein Stier dem man eine rote Decke vor die Augen hielt, so wollte er auf Killian losgehen, aber sein Gang war ungerade, er taumelte regelrecht auf Killian zu, bevor er zu Boden kippte.

,,Wenn irgendjemand fragt, er hatte einen Herzinfarkt."

Till Death Do Us Apart Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt