29 - [Eine Kleine Unannehmlichkeit]

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Heiße Tränen flossen über meine Wangen. Es fühlte sich an, als wären Jahre vergangen, seitdem ich das letzte Mal irgendeine Art Wärme gespürt habe.

"Harlow wird mich finden." Zwar wollte ich ihm eigentlich nicht die Genugtuung geben, mich weinen zu sehen, aber konnte ich keine meiner Emotionen mehr kontrollieren. Ich wollte einfach nur schreien, hoffen, dass das ein furchtbarer Albtraum war.

Und ich wollte ihn mit jeder Faser meines Körpers glauben lassen, dass er sich vor Harlow fürchten sollte. Schließlich hätte ihr klarer Verstand doch seinen Wahnsinn überlisten müssen.

"Das hoffe ich doch sehr." Meine Muskeln, die vor Wut angespannt waren, zogen sich nun vor Angst zusammen. "Warum?" Ich verstand nicht. Das machte gar kein Sinn.

Warum hätte Killian sie hier haben wollen? Wäre es nicht leichter für ihn gewesen, wenn er Harlow weiterhin irgendwelche Lügen vorgespielt hätte?

"Schon seit einer gottverdammten Weile wollte ich wissen, wer von uns beiden der bessere Mörder ist." Killian grinste mich nur schelmisch an, aber machte seine Aussage einfach keinen Sinn, so wie alles andere auch, was er sagte und tat.

Er bezeichnete sich vorhin als Richter, nun als Mörder. Sein Gottkomplex und Narzissmus schien selbst nicht einmal zu wissen, was sie eigentlich wollten. Die einzige Sache, wo sie mit seiner psychopathischen Seite im Einklang waren, war, wenn er Leid verbreitet wollte.

"Du wirst verlieren." Sein Grinsen verschwand, seine Augen sahen mich mit einer Leere an, die alle meine Zweifel nur verstärken zu schien. "Und warum bist du dir so sicher?"

Er ließ sich zurück in den Stuhl fallen und kreuzte seine Beine, während seine Hände in einander gefaltet waren und auf seinem Knie ruhten. Sein Auftreten hatte etwas von einem Therapeuten, der eine friedvolle Atmosphäre schaffen wollte, aber stark dabei versagte.

Versuchte er irgendeine Schwachstelle herauszufinden? Wenn die beiden sich doch solange kannten, dann hätten sie doch alles über einander wissen müssen. Oder glaubte Killian wirklich, dass es Sachen über Harlows Job gab, die sie mir anvertraute.

Harlow gab sich alle Mühe dabei, ihren Job so weit es ging von mir fern zu halten, auch wenn sie oftmals nicht meine Grenzen wissen tat. Sie redete nicht darüber wen sie tötete oder wie sie es tat. Ich fragte auch nicht. Sie redete nur, wenn ich nachhakte, was ich selten tat, und dann auch nur, wenn sie verletzt war.

"Hast du jemals eine Schusswaffen auf jemanden gehalten?" Die Muskeln seiner Mundwinkel spannten sich an, aber hörte ich nicht auf. "Kannst du überhaupt zielen?" Ich konnte all diese Dinge auch nicht, aber hätte ich nie im Traum auch nur daran gedacht, mich mit Harlow messen zu wollen. "Und was ist mit dem Rückstoß, könntest du dem standhalten?"

Kurz schloss er seine Augen, seine angespannten Mundwinkel hoben sich, während sein Kopf zu den Wänden gedreht war. Es war, als hätte sich Killian in seinen wahnsinnigen Verstand zurückgezogen, in dem ich ihn keine Fragen gestellt hätte, die sein Ego verletzt würden.

"Du hast ein ziemlich lautes Mundwerk, und wenn ich Nadel und Pfaden hier hätte, dann hätte ich dir dieses schon längst zugenäht, aber wo wäre da der Spaß, wenn ich mit meinem eigentlich Plan beginnen würde?"

"Eigentlicher Plan?" Seine Augen öffneten sich. Sie waren so weit aufgerissen, dass ich meine Reflektion in ihnen erkennen konnte. Schwarze Ränder zierten meine Augen, während meine Haut Schnee ähnelte.

Killian musste sich nicht an meinen Emotionen und Reaktionen sättigen, mein Erscheinungsbild verschaffte ihn schon die Genugtuung. Meine ständigen Argumente konnten die Zeit nicht in die Länge ziehen, Killian erlaubte es mir nur.

"Ich muss mich nicht unbedingt mit Harlow messen, aber da du ihr ein und alles bist, wird sie mich wahrscheinlich schon als Täter in Vermutung haben." Zuckte er desinteressiert mit den Schultern. "Wenn es also dazu kommen sollte, dass sie die Pistole auf mich richtet, dann werde ich es ihr natürlich gleich tun."

Also interessierte er sich eigentlich gar nicht für Harlow, sie war nur eine kleine Unannehmlichkeit, die im Weg seines eigentliches Planes stand.

"Du hingegen, Estelle," Und wieder stand er von dem Stuhl auf und zeigte mit dem Finger auf mich. "Du bist nur hier, weil du A) Thorne nicht töten wolltest und B) zu feige für Selbstmord warst. Hättest du eine von den beiden Optionen in die Tat umgesetzt, dann hätte ich dich in Ruhe gelassen, aber du musstest ja unbedingt Harlow von ihren Job abhalten."

Langsam kam er auf mich zu, das Skalpell hatte er fest ihm Griff. Nun hatte wohl meine letzte Stunde geschlagen, der Grund warum er mir den Mund nicht zunähen wollte.

Aber selbst zu meiner eigenen Überraschung setzte er die Spitze nicht an meinem Hals an, sondern ergriff er den Stoff meines Shirts und Schnitt bis zur Mitte meines Brustkorbs entlang.

Sofort mussten meine Augen die Narben erblicken, die ich niemanden außer Harlow zeigen wollte. Plötzlich war jedes Wort, welches sie jemals über diese Schandflecken gesagt hatte, vergessen. Sie waren kein Teil mehr, den ich akzeptieren konnte. Sie sollten einfach nur verschwinden.

"Ich habe einmal beobachtet, wie eine der Schwester deine Verbände gewechselt hat." Er grinste mich an, während er den Stoff zur Seite zog. "Man hätte alle nähen können, dann würden sie jetzt nicht so hässlich aussehen. Aber hey, wer hätte uns dafür schon bezahlt? Thorne hat schließlich deine Rechnungen erst übernommen, als du wieder wach warst."

Alles fühlte sich taub an. Wenn Killian eine bestimme Reaktion von mir wollte, dann hatte er diese wohl bekommen. Leise fielen Tränen auf meine Oberschenkeln, während das Skalpell sich in meinem Blickfeld ausbreitete.

"Ich bin kein Monster, Estelle." Meinte er, aber war nicht einmal Thorne so brutal wie er gewesen. "Wer schön sein will muss leiden, weswegen ich saubere Schnitte ausüben werde."

Erst verstand ich nicht, bis das Gefühl von Taubheit verschwand und die Spitze sich in mein Fleisch drückte.

Kein Schrei, kein Ton. Plötzlich hatte ich vergessen zu atmen, als er die Klinge weiter nach unten führte.

Mein Körper wollte sich dagegen wehren, aber konnte ich nichts tun, außer mich wie einen Kürbis zu fühlen, der von einem Kind ein Gesicht bekam.

Das Skalpell Schnitt nicht sauber durch meine Haut. Je tiefer er ging, umso mehr Druck musste er ausüben, bis mir einfach nur schwarz vor Auge wurde.

Till Death Do Us Apart Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt