14 - [Vergebliche Rache]

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"Du wolltest deine Mutter rächen." Mein Mageninhalt hing mir fast aus dem Hals heraus. Warum erzählte sie mir ausgerechnet diese Geschichte? Wollte sie mich an meine eigene Familie erinnern?

,,Ja, ich habe es aber nie getan." Lachte sie. Ich verstand noch wenig als zuvor. Wenn sie ihre eigene Mutter nicht einmal rächen konnte, warum wollte sie dann, dass ich sie beauftragt sollte, um Thorne zu töten? "Warum nicht?" Jetzt wollte ich meine Fragen beantwortet haben.

Sie sah mich nicht an. Ihre Hände hielten fest das Tagebuch umschlungen. Warum redete sie jetzt nicht mehr mit mir?

Ich ging näher auf sie zu, meine Hände zitterten und zögerte zugleich sie zu berühren. Ich wollte, dass sie mich ansah.

"Warum hast du mir diese Geschichte erzählt?" Verzweiflung war alles, was ich aus meiner eigenen Stimme heraus hören konnte. Aber Harlow schien es zu gefallen. Ich konnte sehen, wie sich ihre Mundwinkel hoben. "Weil ich nicht möchte, dass du die selben Fehler wie ich begehst." Was..?

Verwirrt sah ich sie an. Nie hätte ich die selben Taten begangen wie sie. Ich war nicht einmal in der Lage mich selbst umzubringen, wie hätte ich andere töten können?

"Wie meinst du das?" Meine Hände ergriffen ihren Wangen und zwangen Harlow mir in die Augen zu sehen.
"Estelle," Sie sprach meinen Namen mit einer Zartheit aus, dass mich fühlen ließ, als könnte sie die Zeit anhalten.

Als wäre sie in der lange mit der Zeit zu spielen - sie vorzudrehen, ja sie sogar zurückzudrehen und alles ungeschehen zu machen.

Ihre Stimme spendete mir Trost, gerade als meine Tränen laufen wollten. "Ich war auch an diesem Punkt. Ich wollte es auch tun, schließlich gab es in meinen Leben niemanden, der sich für mich interessierte."

Sie lachte als wollte sie sich nur über sich selbst lustig machen. Als wäre es sowieso nicht von Bedeutung gewesen, denn es gab immer einen Weg, der aus dem dunklen Wald herausführte.

Und Ja, es gab immer eine Lösung, aber ob mir alle diese Menschen mit ihren Lösung auch helfen konnten, dieses Gefühl der Wertlosigkeit verschwinden zu lassen, war wiederum die andere Frage?

"Ich wollte es nicht wahr haben. Ich war wütend." Redete sie weiter. "Bevor ich mich entschloss diesen Weg einzuschlagen, dachte ich, dass es besser wäre, wenn ich einfach verschwinden würde." Zuckte sie mit den Schultern.

Ich hasste es, wie wir auf eine Art das selbe durch machten. Nur weil sie Hilfe angenommen hatte, musste ich das nicht gleich auch tun. Aber gleichzeitig fand ich auch als beruhigend, dass sie meinen Schmerz nach empfinden konnte.

"Wird es jemals verschwinden?" "Was?" "Dieses riesige Loch in meiner Brust, dass alles wie ein schwarzes Loch in sich aufnimmt und mich mit dieser elendigen Leere zurücklässt?"

Ihre Augen weiteten sich. Nie hatte ich meine Gefühle so gut in Worte gefasst, dass mich die alleinige Aussprache schon auffraß.

"Nein." Sagte sie wieder in diesen Ton, der die Zeit manipulieren konnte.. "Die Zeit heilt alle Wunden; der größte Bullshit, den ich je in meinen Leben gehört habe!" Ich hatte nicht erwartet, dass sie anfangen würde zu lachen, aber irgendwie fand ich es auch beruhigend.

"Es wird immer weh tun, der Schmerz wird nie vergehen." Seufzte sie. "Du gewöhnst dich einfach nur daran und lernst dabei ihn zu akzeptieren, während du es irgendwie schaffst, Platz für neuen zu schaffen." Für neuen? Platz für neuen Schmerz? Warum hätte irgendwer Platz für neuen schaffen wollen, was würde das bringen?

"Du sprichst in Rätsel, Harlow." Meinte ich, doch lächelte sie mich nur an. "Bald wirst du es verstehen." "Zögerst du deswegen?"

Ihr Lächeln verschwand von ihren Lippen. Ihre braunen Augen sahen mich mit vollkommener Verwirrung an. Sie sah schon fast besorgt aus.

"Zögerst du mein Leben heraus, weil ich es noch nicht verstanden habe? Du könntest es mir einfach sagen und die Sache hier beenden."

Mit verschränkten Armen lehnte sie sich ans Kopfgestell des Bettes und musterte mich wütend. Ich wollte ihren Blick stand halten, aber nun musste ich ihn senken. Wenn sie ihre Stimme noch gegen mich erhoben hätte, dann wären meine Tränen sicherlich gelaufen.

"Erstens," Sagte sie, dabei konnte ich aus meinen Augenwinkel sehen, wie sie auch einen Finger hob. "Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich Ort und Zeit bestimme. Und zweitens," wieder hob sie einen Finger. "Deine Zeit ist noch nicht gekommen."

Zeit, mit ihr fühlte sich die Zeit sowieso relativ an. Wie lange hätte es gedauert, bis der Sand in meiner Uhr komplett zum Boden gerieselt wäre?

Harlow hätte schließlich die Uhr immer wieder umdrehen können. Im letzten Moment einfach ihre Meinung ändern können.

Was versicherte mir, dass sie es wirklich tun würde? Den Sand zu Boden rieseln lassen. Die Zeit für mich in die Schranken weisen?

"Warum hast du deine Mutter nicht gerächt?" Fragte ich und lehnte mich zu ihr an das Kopfgestell. Ich musste meine Gedanken ruhen lassen und meine Neugier sättigen. Harlow hatte mir schließlich immer noch nicht meine Antwort auf diese Frage gegeben.

Ihre Mundwinkel hoben sich, während sie langsam mit den Kopf schüttelte. "Ich weiss nicht, welche Antwort du erwartest, aber ich zweifle stark, dass du diese befriedigend finden wirst."

Ihre Augen sahen mit Enttäuschung zum Tagebuch. Sie selbst war nicht glücklich mit dem, was geschehen war.

"Meine Mutter war nicht sein einziges Opfer." Begann sie und sofort erinnerte es mich an diese einstudierte Rede von Thorne, die er mir vor der Unterzeichnung seines Vertrages hielt.

"Viele hatten es auf ihn abgesehen und wollten Rache nehmen, aber bevor irgendwer die Chance dazu hatte, nahm er sich das Leben." Frustriert ballte sie ihre Fäuste, aber ich konnte es verstehen.

Sie hatte die Chance sich zu rächen, aber dieser Mann konnte sich nicht von den eigenen Konsequenzen seiner Taten stellen. Er war ein Feigling.

"Estelle," Sagte sie meinen Namen, aber sprach sie ihn irgendwie komisch aus.
"Es ist spät, schließ deine Augen." Forderte sie mich auf.

Deswegen hörte sich mein Name so komisch an; Sie beendete die Konversation, dabei hätte ich ihr lustigerweise ewig zu hören können, auch wenn ich mich darüber beschwerte, dass sie mir nicht immer all meine Fragen beantwortete.

Till Death Do Us Apart Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt