31 - [Der Untergang]

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Aus seinen Worten konnte ich nicht heraushören, ob er nun ganz genau von Harlow sprach, oder Thorne öfters mit diesen Störungen zutun hatte.

Aber dafür konnte ich mich nun herzlich wenig interessieren. Jeder Muskel in meinem Körper fühlte sich taub an, trotzdem versuchte ich den kleinen Tisch mit meinen Beinen zu mir zu ziehen.

Killian hatte die Tür nicht abgeschlossen, das Skalpell lag noch immer auf dem Tisch. Ich hatte ein Chance zu fliehen und ich hätte mich gehasst, wenn ich diese nicht wahrgenommen hätte.

Langsam schob ich den Tisch hinter die Lehne des Stuhls, damit meine Finger versuchen konnten nach dem Skalpell zu greifen.

Meine Arme fühlten sich in dieser Position vollkommen taub an, trotzdem schaffte ich das kleine Messer zu greifen, selbst wenn ich versehentlich die Klinge berührte.

Ich dachte, dass mein Körper sich an den scharfen Schmerz gewöhnt hatte, wann immer mir Killian damit ins Fleisch schnitt, aber da hatte ich wohl falsch gedacht.

Vor Schock hätte ich das Skalpell fast zu Boden fallen lassen, aber musste ich mich in diesen Moment einfach durch den Schmerz beißen. Wortwörtlich beißen, meine Zähne drückten so hart auf meine Lippen, dass ich schon das Gefühl bekam, als hätte ich sie durchgebissen.

Es fühlte es sich an, als wäre mein Herz mir fast aus der Brust gesprungen, als die Klinge tatsächlich durch das Seil schnitt.

Fuck, wisperte ich lachend vor Erleichterung in der Stille zu mir selbst, selbst wenn mein lachen mich fast den Tränen nah brachte. Ich hatte sämtliches Gefühl in meinem Körper verloren. Meine Hände zitterten wie wild, meine Lippen waren gerissen, während mein Oberkörper sich kaum noch auf dem Stuhl halten konnte. Zu lange hatte ich gesessen.

Aber ich konnte mich jetzt nicht ausruhen, schließlich musste es schnell gehen. Noch immer hörte ich Geschrei, dazu noch mehrere Schüsse. Es hätte jede Sekunde vorbei sein können und Killian wäre zu mir mit diesen missmutigen Blick zurückgekommen. In diesen Chaos, welches Leben zu enden schien, musste ich irgendwie davonkommen.

Langsam hob ich mich vom Stuhl an, aber drehte sich noch immer alles im Raum. Egal auf was ich meine Augen positionierte, immer wieder schienen sie nach hinten zu rollen. Ich musste mich bewegen, sonst wäre ich noch vor Schwindel in Ohnmacht gefallen. Aber meine Beine konnten kaum mein eigenes Gewicht halten und sofort taumelte ich an der Wand zur Tür entlang.

Es fühlte sich ganz anders als der Autounfall an. Zumindest an das, an was ich mich erinnern konnte. Mein Nervensystem schien nicht mehr auf den Schmerz zu reagieren, selbst wenn Druck gegen meine Knochen presste.

Nun waren es aber meine Muskeln, die den ganzen Schmerz aushalten mussten. Als hätten sich Risse in diesen gebildet, die sich immer weiter ausdehnten und meinen Körper in zwei geteilt hätten.

Erst als ich aus dem Raum draußen war, fiel mir die eigentliche Lautstärke des Geschehens auf. Alles war mindestens dreimal so laut, wie anfangs angenommen.

Ich schwieg, ließ trotz meines Schwindels die Erkenntnis kurz auf mich wirken. Niemand hätte meine Schreie gehört, selbst wenn man versucht hätte mich zu finden. Von außen sah es einfach so aus, als hätte die Tür in eine Abstellkammer geführt. Diese Tür ließ mich zweifeln, ob Harlow mich jemals gefunden hätte.

Und Gott, ich hasste mich für diesen Gedanken. Ich hasste mich auch dafür, dass ich mich von Killian einschüchtern ließ und Harlow nicht meine wirklichen Absichten erzählte, als ich von ihr forderte, dass sie ihn Grenzen setzten sollte.

Aber nun hatte ich die Chance mich bei ihr zu entschuldigen, ich hätte nur aus diesem Gebäude unversehrt fliehen müssen. Gut, unversehrt hätte ich diesen Ort nicht verlassen, aber ich musste auch nur einer Schusswunde entkommen. Solange ich nicht angeschossen wurde, war alles möglich.

Mein Körper lehnte sich gegen die Wand. Blut blieb auf dieser schon gräulich gewordenen weißen Farbe kleben. Es klebte stärker als auf meiner Haut. Verschwommen beobachteten meine Augen, wie sich die rote Farbe in die ritzen der Wand schlich. So schnell hätte man diese nicht sauber bekommen.

Ich fühlte mich wie eine Wahnsinnige, je näher ich den Schüssen kam, aber führte der Gang nur zu diesen Geräusch entlang. Ich hätte dort lang gehen müssen, ob ich nun wollte oder nicht.

Die Geräusche dröhnten in meinen Ohren so sehr, dass ich nicht einmal mehr die Entfernung ausmachen konnte.

Nicht einmal mehr ein halber Meter war zwischen der Ecke und mir. Mein Rücken lehnte sich an die Wand, während ich versuchte mich zu beruhigen. Panik nützte mir in dieser Situation am wenigsten.

Eins, einatmen. Zwei, ausatmen. Eins, einatmen. Zwei, ausatmen. Noch einmal wiederholte ich das, um meine Atmung wieder ins Gleichgewicht zu bringen, bevor ich langsam meinen Kopf zu Seite drehte, um hinter die Ecke zu starren.

Rot, etwas anders fiel mir nicht ein, um diesen Anblick zu beschreiben. Meine Kopf drehte sich, mein Magen wollte sich übergeben, meine Beine verloren ihr Gleichgewicht und ich fiel mit meinem Körper langsam zu Boden.

Boden. Der gesamte Boden wurde in einem dunklen rot gefärbt. Sieben, vielleicht acht Männer lagen regungslos auf dem Boden, während ihre Augen in alle Richtungen starrten.

Der eine sah mich an. Er trug eine blaue Uniform, die wohl zur Security gehörte. Ich hätte es mir denken können, aber hielt ich es nicht für möglich, dass Thorne Killian erlaubte, mich in einer seiner Firmen zu foltern.

Mein Blick wanderte, folgte dem Blut, welches noch immer zu laufen schien. Immer wieder erschien ein kurzes aber dafür grellen Licht, aus welcher auch diese Geräusche ertönten.

Noch ein Mann. Sein Oberkörper lehnte an der Wand, welche komplett in roter Farbe getaucht war.

Ich wollte brechen, aber lief mir nur mein eigenen Blut aus dem Mund. Meine Augen folgten stattdessen der Gestalt, die vor dem Mann stand.

Die linke Hand war zu einer Faust geballt, während die rechte noch immer den Abzug der Waffe drückte, obwohl er schon längst tot war. Langes, schwarzes Haar fiel über ihren Rücken.

Wie eine Druckwelle flossen alle Gefühle über mich nieder. Tränen liefen, während meine Lungen kaum einen Zug mehr einatmen konnten.

Ich war einfach nur froh Harlow zu sehen, wenn es aber nicht für diesen Mann gewesen wäre, der auf sie zukam.

Till Death Do Us Apart Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt