Geflohen ✔️

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Herzen faszinierten mich. Es schlug ungefähr drei Milliarden Mal in einem durchschnittlichen Leben. Menschen sehen in Millionen und Milliarden oft keinen Unterschied, weil sie so ähnlich klingen, aber sie sind alles andere als ähnlich. Drei Millionen Sekunden sind etwa 34 Tage, also fast fünf Wochen.

Drei Milliarden Sekunden sind dagegen etwa 95 Jahre. 95 Jahre! Drei Milliarden Stunden waren über 34 Jahrhunderte. Vor so langer Zeit lebte der Mensch noch in Höhlen.

Vor drei Milliarden Jahren, existierte auf der Erde kaum Leben.

Und dann ist da dieses Organ, nicht größer als eine Faust, das unermüdlich seine Arbeit tut, bis diese erledigt ist und das Herz innehält. Nicht mehr weiterschlägt. Nie wieder. Das kann nach drei Milliarden Schlägen sein, oder aber schon nach 511 Millionen Schlägen. Das hörte sich nach viel an, aber in Wahrheit waren es nur 14 Jahre.

Ich war zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt. Frost und Kira auch.

Die nächsten Tage kamen sie auch nicht zur Schule und ich machte mir mit jeder Minute mehr Sorgen um die beiden. Ich hatte noch ein paar Mal mit Carag oder Tikaani telefoniert, bei Frost anzurufen, hatte ich mich nicht getraut. Nicht, dass ich ihn noch in Gefahr brachte. Ich wusste nicht, was ich tun könnte, um ihnen zu helfen, ich fühlte mich so nutzlos, auch wenn mir klar war, dass das Beste, was ich tun konnte war, nichts zu tun. Sobald ich Kontakt zu den Zwillingen aufnahm, würde dieser Simon alles tun, um mich von ihnen zu trennen, egal wie.

Auf meinem Bett liegend, starrte ich an die weiße Decke und überlegte, was so alles in einer einzigen Sekunde geschehen konnte. Ein Gepard konnte in einer Sekunde 30 Meter zurücklegen (das hatte ich für einen Vortrag über Geparden mal ausgerechnet), 4,3 Kinder werden pro Sekunde geboren (das hab ich mal gelesen), 70 bis 100 Blitze schlugen auf der Erde ein (laut Physiklehrer), ein Specht schlug 20 Mal mit dem Schnabel auf den Baum, auf den er saß (wusste nicht mehr, woher ich die Info hatte).

Aber egal, was ich tat, meine Gedanken wanderten immer wieder zu Frost und Kira. Sollte ich vielleicht noch einmal Carag anrufen? Aber was sollte das bringen? Er hatte mir versprochen, Bescheid zu geben, wenn sie bei den Zwillingen weiterkamen. Heute war bereits Sonntag, Nya musste trotzdem arbeiten und Jacob war mit seinen Freunden draußen. Ich hatte also das Haus für mich. Seufzend stand ich auf und ging die Treppe runter, in die Küche. Dafür brauchte ich fast neun Sekunden, ich hatte mal die Zeit gestoppt. In neun Sekunden, sprintete ein Gepard 270 Meter weit, bis zu 900 Blitze schlugen irgendwo auf der Welt ein und ein Specht hatte gerade 180 Mal auf seinen Baum geschlagen.

Was sollte ich nur tun? Ich konnte den Geschwister nicht helfen, konnte aber gleichzeitig an nichts anderes denken.

Müde schnitt ich einen Apfel und eine Banane klein und gab die Stücke zu meinem Joghurt. Seit dem Anruf fühlte ich mich wieder so schwach und müde, der einzige Unterschied war, dass ich dieses Mal bereit war, zu kämpfen, falls sie mich brauchten. Mit meinem Frühstück setzte ich mich auf das Sofa und schaltete mich durch die Kanäle unseres Fernsehers, in der Hoffnung, mich ablenken zu können.

Etwa eine halbe Stunde später, hörte ich, wie sich die Tür öffnete. Jacob war wieder da und so wie es klang, hatte er noch mindestens zwei Freunde mitgebracht. Während die Jungs das Wohnzimmer einnahmen, zog ich mich in mein Zimmer zurück und checkte meine E-Mails. Tatsächlich hatte ich eine. Von Carag.

Frost und Kira sind gerade bei uns an der Schule angekommen. Scheinbar wurde ihr Vater ihnen gegenüber wieder handgreiflich und sie sind abgehauen. Sie haben nach dir gefragt, kannst du kommen?

Diese Nachricht hatte er vor zehn Minuten geschickt. Ich spürte, wie meine Kehle trocken wurde und schrieb sofort zurück. In zehn Minuten konnte so unglaublich viel passieren. In zehn Minuten wurden Tausende von Menschen von Quallen gestochen, wieviele genau, hatte ich gerade nicht im Kopf.

Eiskalte Krallen • WoodwalkersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt