Kapitel 29

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Das gleichmäßige Piepsen ließ mich langsam blinzeln. Vergeblich versuchte ich meine Augen zu öffnen, doch es war viel zu grell. Nach mehreren Versuchen hatte ich es schlussendlich geschafft und sah mich verwundert um. Ich lag in einem Bett, welches definitiv nicht meins war. Als ich mich richtig umsah, bemerkte ich es.

Ein Krankenhaus..

Seufzend ließ ich mich wieder ins Kissen fallen. Diese dumme Ziege hatte mich wohl ordentlich zugerichtet. Ein leises Rascheln an der Türe und gedämpfte Stimmen, ließ mich aufhorchen.
„Psssht, sei doch nicht so Laut Dumbass!" Das konnte nur mein bester Freund sein. Dumbass?
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er auch hier ist. Doch wurde ich eines Besseren belehrt.
„Du bist ja wach?", hörte ich die helle Stimme meiner Freundin, die ziemlich viel Sorge in sich trug.

Nun traten sie alle ins Zimmer und musterten mich peinlich genau. „Könnt ihr bitte aufhören mich so anzusehen?", schnell richteten sich ihre Blicke in verschiedene Ecken des Krankenzimmers.
„Ich werde schnell deinen Vater holen", Hajime wollte gerade aus dem Zimmer gehen.
„NEIN, NICHT MEIN VATER", gab ich leicht panisch von mir. Verdutzt sahen sie mich an und ich konnte daraufhin nur angespannt über meine Erscheinung blicken. „Er hat dich schon gesehen, also spielt es keine Rolle mehr", seufzend trat er aus dem Zimmer.
Oikawa setzte sich auf den Stuhl, neben meinem Bett. Er sah bedrückt aus.

„Oikawa.. ich-" - „Nenn mich doch nicht so.. bitte", er fuhr sich verzweifelt über das Gesicht. „Unser Gespräch verschieben wir, bis du hier raus bist, ja?", er schenkte mir ein sanftes Lächeln. Er war hier. Er ist wirklich gekommen. Hatte er sich etwa Sorgen gemacht?
Ich wollte gerade etwas erwidern, als prompt die Türe aufgestoßen wurde.

„Liebling?", so mitgenommen hatte ich meinen Vater schon lange nicht gesehen. Er hatte rot, geschwollene Augen und sah unheimlich müde aus. Wer konnte es ihm verübeln. Kein Elternteil würde diesen Anblick, seines eigenes Fleisch und Blutes, ertragen. Auch ohne Spiegel, war mir bewusst wie ich aussehen musste. Immerhin konnte ich die Hämatome deutlich an meinen Armen erkennen. „Was machst du nur für Sachen? Wie geht es dir?", dabei überprüfte er die Infusion die in meine Vene tröpfelte. Er setzte sich zu mir aufs Bett und musterte mich eindringlich. „Jetzt erzählst du mir, was passiert ist." Augenblicklich zuckte ich zusammen. Wie sollte ich denn so etwas meinem Vater erzählen. Er würde mich direkt von der Schule nehmen oder noch schlimmer, er würde mir einen Privatlehrer besorgen. Nervös spielte ich mit den Fingern herum und suchte nach einer passenden, zufriedenstellenden Antwort. „Also.. e-ehm.. ich kann mich nicht wirklich erinnern." Ein verächtliches Schnauben, meines besten Freundes ließ mich meinen Kopf anheben. Was sollte das? Auch die anderen Beiden schienen nicht mit der Antwort zufrieden zu sein. Immerhin wusste zumindest Mei, was wirklich geschehen ist. Ob sie mich ins offene Messer laufen lässt?

„Sawada Hikari", das bedrohliche Knurren aus der tiefe seiner Kehle, ließ mich erschrocken quieken. „Wag es nicht mich zu belügen, Fräulein", nicht nur sein scharfer Ton, auch sein unfassbar wütender Blick, ließen mich schwer schlucken.

Game Over.

Es gab wohl keinen Umweg. Keinen Ausweg. Keine Flucht.
Die stickige Luft im Krankenzimmer, vernebelte beinahe meine Sinne. Trotz dessen sog ich sie förmlich ein, um sie sofort wieder laut auszustoßen.
„Eine Mitschülerin hat mich-" - „War sie es auch, die dir das im Gesicht zugefügt hatte?", fiel er mir prompt ins Wort und ich nickte nur. Er rieb sich den Nasenrücken und versuchte sich zusammenzureißen. „Und wieso?" Verwundert über diese direkte Frage, blinzelte ich einige Male um es zu realisieren. „Was meinst du?", fragte ich perplex. „Wieso hat sie das getan? Und noch wichtiger: Wieso hast du mir nichts gesagt?", schuldbewusst sah ich wieder in meine zusammengefalteten Hände, die sich auf meinen Schoß betteten. „Ich kann ja verstehen, dass man sich mit seinem alten Herren nicht gerne über Auseinandersetzungen in der Schule ausspricht. Aber du hast drei tolle Freunde, wieso konntest du es ihnen nicht sagen?", dabei zeigte er in die angesammelte Runde. Mein Blick blieb an Hajime hängen. Dieser ballte aggressiv die Fäuste.

Dies blieb meine Vater selbstverständlich nicht unbemerkt.
„Hajime", er richtete seine kommenden Worte an meinen besten Freund, der ungewohnt zusammenzuckte. „Hast du etwa davon gewusst?", in seiner Frage schwang Wut und Enttäuschung mit. Als Besagter zum Reden ansetzen wollte, kam ich ihm jedoch zuvor.
„Nein, wusste er nicht Vater. Wir haben erst am selben Tag herausgefunden, dass es Kobayashi war", nahm ich meinen Kindheitsfreund in Schutz. „Aber ich wusste, dass sie Drohbriefe bekommen hatte und konnte nichts dagegen unternehmen. Auch heute kam ich zu spät.. n-nur.. nur weil ich sie nicht nach Hause begleitet hatte.. I-Ich.. I-Ich bin so ein Idiot.. Es tut mir so leid, Kari..", gegen Ende versagte seine Stimme und sein Haupt senkte sich. Ich hatte meinen besten Freund nur selten weinen gesehen. Dass ich der Grund dafür war, behagte mir nicht.
Ich wollte ihn in den Arm nehmen. Ihn beruhigen. Ihm sagen, dass er nicht dafür verantwortlich war. Immerhin bin ich alt genug, ich brauche keinen Geleitschutz. Er war zu nichts verpflichtet.
Bevor ich jedoch meine Gedanken sammeln und mir die passenden Worte im Kopf zurecht schieben konnte. Stand Oikawa auf und stellte sich neben seinen Freund.
„Nein, es ist meine Schuld. Ich hätte besser auf meine Freundin Acht geben müssen. Es tut mir leid.. Hikari. Und sie bitte ich auch um Verzeihung Sawada-san", auch ihm kullerten die Tränen herunter und beugte sich in eine tiefe Verbeugung. Meine Freundin? Hatte er das wirklich gesagt..

„Es gibt nichts zu verzeihen. Ihr seid beide nicht Schuld an den was passiert ist. Vor allem du nicht Mei!", dabei sah ich zu meiner Freundin, die sich stumm an die Wand lehnte und sich die Hände vor den Mund hielt. Damit man ihr Schluchzen nicht hörte, doch das Beben ihrer Schulter verriet sie. Mir war schon klar, dass sie Schuldgefühle haben wird. Doch was hätte es gebracht, wenn sie sich dazwischen gestellt hätte. Dann würde sie nur im Bett nebenan liegen und wir hätten beide nichts davon. So wie es aussah, war sie es, die Hilfe gerufen hatte. Bei dem Gedanken zuckten meine Mundwinkel leicht nach oben. „Danke Mei", kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, schon brach der Damm und sie ließ den Tränen freien Lauf. Nach der Reihe, tätschelte mein Vater ihnen die Köpfe und sah danach wieder zu mir.
„Wir machen ein kleines Check-Up und danach gehen wir nach Hause, Liebling. Alles andere kann ich auch daheim machen."

. . .

Mein Vater entschied, dass ich eine Woche zuhause bleiben sollte. Damit meine Wunden verheilen konnten und mein geschundener Körper etwas zur Ruhe käme. Mit den Infusionen im Schlepptau, sah er zu mir rüber. „Na los, Liebling", ich nickte und wollte mich noch verabschieden.
Als erstes umarmte ich meine Freundin, die sofort wieder zu weinen begann. „Danke", hauchte ich ihr ins Ohr und löste mich von ihr. Dann sah ich zu Oikawa. „D-Danke, dass.. dass du hier warst", stotterte ich und könnte mich ohrfeigen, dass ich mich nicht zusammenreißen konnte.
Er schenkte mir ein leichtes Lächeln, welches ich unsicher erwiderte. Es standen einfach noch viel zu viele unausgesprochene Sachen zwischen uns. Ich wusste einfach nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Ich wollte gerade meinem Vater und Hajime folgen, bis Oikawa nach meinem Handgelenk griff. Er zog mich zu sich, sodass mein Rücken gegen seine Brust knallte. „Heute bin ich gnädig, doch morgen Abend bist du mir eine Erklärung schuldig." Sein Atmen an meinem Ohr, stellte unbarmherzig meine Nackenhaare auf. Stumm nickte ich. Zu einer Antwort war ich momentan definitiv nicht imstande.

. . .

Hajime fuhr mit uns mit und betrat auch noch gemeinsam mit uns das Haus.
„Morgen wird ein Polizeibeamter kommen und deine Aussage aufnehmen", teilte mir mein Vater streng mit. „Muss das sein?" Erschrocken über seinen Blick, verstummte ich sofort.
„Dann wäre das ja geklärt. Solange du entschuldigt bist, werde ich mich über andere Privatschulen informieren." Bestürzt sah ich zu meinem besten Freund, der nicht gerade besser ausschaute.
„W-Wie meinst du das? Nimmst du mich etwa von der Seijō?" Mir wurde ganz schlecht und plötzlich durchfuhr mich eine innere Kälte. „Darauf kannst du wetten."
Ich kämpfte mit den Tränen, während ich mir auf die Unterlippe biss.
„Nein!", sagte ich bestimmt und versuchte dabei nicht zu stottern oder gar zu wimmern.
Erstaunt sah mich mein Vater an. Noch nie hatte ich ihm bei seinem Vorhaben widersprochen. Sei es ein Umzug oder die Wahl der Schule, auf die er mich schicken wollte. Jedes Mal spielte ich mit. Doch dieses Mal. Dieses eine Mal, werde ich es nicht tun.
„Ich werde auf der Seijō bleiben, ob du willst oder nicht! Außerdem ist es mein letztes Schuljahr, bis zum Abschluss ist es nicht mehr lange. Es würde keinen Sinn machen, mitten im Schuljahr einen Wechsel einzuplanen", voller Selbstbewusstsein stellte ich mich meinem Vater entgegen.
Seine Mundwinkel zuckten leicht vergnügt nach oben. Er ist mir gar nicht böse?
Doch sein Blick verfinsterte sich schnell wieder. „Was ist wenn das erneut passiert? Hast du daran gedacht", er sah mich nun skeptisch an.

„Ich werde dafür sorgen, dass es nie wieder passiert. Nicht umsonst bin ich der große Bruder oder?"

Starry Sky - Oikawa x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt