Zeitenreise einer Lebkuchendame

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Zeitenreise einer Lebkuchendame

Einst erschaffen in trauter Familienküche
Jenem Paradies wohliger Gerüche
Ward bei Zimtsterngewimmel zur Winternacht
Ihr Gemüt einer Lebkuchendame entfacht

Das Geheimnis derer mit solch knusprigen Zöpfen
Schien sorgsam verwahrt fortan in Kindesköpfen
Und niemand wagte je, ihren Leib zu verspeisen
Daher durfte sie wundersame Zeiten bereisen

Die marzipanbraunen Augen blieben weit aufgerissen
So gewann besagte Späherin ungeahntes Wissen
Gar fidel am Fenster sitzend, tagein wie tagaus
Vernahm sie jedwede Regung, selbst den Windstoß von drauß'

Bald bestrich der Lenz dies' Land mit manch farbiger Glasur
Jäh erwachte allseits unsre selige Natur
Die Lebkuchendame lauschte den Vogelgesängen
Bestaunte sprunghafte Falter auf sanften Schwingen

Als jener Feuerball des hellen Tags am Himmel glühte
Trugen Menschen Kokosmakronen längst wie hochfeine Hüte
Kinder naschten kalte Wattebäuschchen voll von Zuckerguss
Während der Rocksaum unsrer Reisenden bereits zerfloss

Dann fielen bei des Windes beharrlichem Gesäusel
Die Blätter vom Baume wie bunte Schokoladenstreusel
Gefiederte Gesellen schwiegen, ganz entschwunden schon
Den sehnsuchtsvoll verträumten Blicken der Adventskreation

Zu weichem Schneegestöber und Weihnachtsheiterkeit
Saß sie als schöne Zierde erstmals auf grünem Nadelkleid
Doch fortwährend verbarg die süße Lebkuchenfassade
Das im Innern pochende Herz aus Erdbeermarmelade

(2023)

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