Morgen der Rache

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Morgen der Rache

I

Gleich einem Schattenriss am rot gestreiften Horizont
Trug solch sinistre Formation kleiner Vampirgestalten
Den Adelsherrn, welchem stets das prunkvolle Leben war vergönnt
Zu höchsten Gipfeln empor, bis all seine Schreie verhallten

Immerdar bloß von Prestige und schnödem Reichtum besessen
Sühnte der Graf jenes Morgens für manch übles Vergehen
Sein grünes Refugium nebst adretten Zypressen
Vermochte er gewiss nimmermehr wiederzusehen

II

Von leidgeplagten Pferden im Geheimen angeklagt
Da diese ihn allzeit gefürchtet als groben Tyrann
So schien sein bitterkaltes Herz an Wut und Herrschsucht noch erstarkt
Doch mimte er bei großem Festbankett den ehrbaren Mann

Als der Graf äußerst wachsam durch sein Gartenreich stolzierte
Wo ein verirrtes Kätzchen gar um teure Rosenbeete schlich
Ergriff jener die Heugabel und schwang sie gleich dem Schwerte
Verängstigte das Wesen tief, obschon es mühelos entwich

Die scheinheilige Kulisse seiner abgeschiedenen Welt
Wurde harsch verteidigt gegen alles ihm Verhasste
Wahrlich bestand dieses Idyll fort unter dem Himmelszelt
Als das letzte Porträt des Entführten bereits verblasste

III

Seitdem der Graf war verschollen, umsorgte dessen junge Nichte
Voll freundschaftlicher Zuneigung die werte Pferdeschar
Den draußen stets erwünschten Katzen verlieh sie viele Rechte
Bloß des unliebsamen Onkels Schicksal ward niemals ihr gewahr

Warum der Hausherr einst zu fernen Bergen fortgetragen
Und was am selben Morgen ihm womöglich war geschehen
Blieb als streng gehütetes Geheimnis aus alten Tagen
Über Generationen von Fledermäusen jedoch bestehen

(2023)

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