Meeresbiest

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Meeresbiest

I. Einsamkeit

Wo gleißendes Sonnenlicht mit wuselnden Wogen im Takte schwingt
Zehrt das abgeschiedene Eiland von salzig duftender Brise
Doch stets hält eine glitschige Gestalt den unbewohnten Fels umringt
Scheint beinahe angewurzelt, jener unzähmbare Riese

Das selten gesichtete Wesen von exorbitanter Länge
Verbrachte Jahrhunderte allein in bläulich blassen Meerestiefen
Lauschte bisweilen bloß dem Echo wehmutsvoller Walgesänge
Als Geschöpfe des Landes schon ihre ruhmreiche Herrschaft ausriefen

II. Verbundenheit

So furchtlos er einstmals vor wundersamem Schlangentiere stand
Schien der einsame Fischer dem magischen Momente ganz ergeben
Solch stille Freundschaft, die zwei Ungleiche wie Gleichgesinnte verband
Änderte fern dicht besiedelter Kontinente bald beider Leben

Da Menschen nicht lange in Erdenglückes lichtem Glanz verweilen
Entschlief der scheue Eremit nach acht geruhsamen Dekaden
Sein großer Freund lernte fürwahr, dass manche Wunden nie verheilen
Und schützt des Vertrauten Inselreich seither vor jedwedem Schaden

III. Erlösung

Zeit zerrinnt erbarmungslos inmitten ozeanischer Weiten
Das älteste aller Geschöpfe ist nunmehr der Tiefsee entschwunden
Wo selige Erinnerungen ihm ein würdiges Grab bereiten
Hat jenes sanfte Meeresbiest wohlverdienten Frieden gefunden

(2023)

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