1 Tag zuvor 17. November

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Esmeralda war seit gestern stumm und ich meine mit stumm nicht, dass sie mit mir nicht redet, sondern sie war gefühlt nicht vorhanden.

Die Frau saß wie die letzten Tage vor mir, hatte ein paar ihrer Finger unter mein Kinn gelegt und stellte mir Fragen, die ich versuchte wahrheitsgemäß zu beantworten, aber an einer Frage biss sie auf Granit.

"Ist die Frage wirklich so schwer zu beantworten? Was ist Esmeralda für dich?"

Die Frage konnte ich mir nicht einmal selber beantworten, ja sie ist ein Mutterersatz für mich, aber dennoch wusste ich, dass sie mehr als das sein wollte für mich.

Die Frau seufzte. "Dann halt eine andere Frage. Ihr müsst so ziemlich durch dick und dünn gegangen sein, was sind deine Gefühle gegenüber ihr?"

Okay, die Frage konnte ich zum Teil beantworten. "Zuneigung"

"Du empfindest Zuneigung zu ihr, interessant. Obwohl sie für dich nur eine Stimme war, hast du Gefühle für sie entwickelt. Zweifelst du manchmal an ihren Entscheidungen?"

"Ja"

"Erzähle mir so eine Situation."

"Als ich Absagen über Absagen kassiert habe, bin ich zu meinem Pferd gerannt, sie wollte das nicht. Als ich auf meine Stute aufgestiegen bin und in Richtung Südhuf geritten bin, hat sie einfach meinen Verstand übernommen und ist zurückgeritten. Sie meinte zwar, sie hätte es getan, damit ich mir den Tod nicht hole, aber das glaube ich ihr nicht."

"Gut, wir nähern uns. Du sagtest, sie sei aufgetaucht, als deine Mutter bei einem Autounfall starb. Sie könnte somit ein Mutterersatz für dich sein. Habe ich recht?"

Mein Schweigen war Antwort genug, für sie. "Du bist leicht zu durchschauen. Ich verurteile dich nicht, wenn du das denkst."

Ich schaute sie erstaunt an, damit hätte ich eigentlich nicht gerechnet, dass sie mir Verständnis zeigte.

"Erstaunt? Was ist mit deinem Vater passiert?"

"Er wurde zum Alkoholiker", antwortete ich ihr leicht angesäuert.

"Ich werde jetzt deine Fesseln lösen, du wirst sitzen bleiben, bis ich dir sage, dass du aufstehen darfst. Verstanden?"

"Ja"

Die Frau stand auf und löste meine Fesseln, eine nach der anderen. "Deine Handgelenke sind aufgescheuert, hast du mir etwas zu sagen?"

Ich erinnerte mich nicht daran, mich gegen die Fesseln gewehrt zu haben.

"Deine Reaktion verrät mir schon alles."

Als sie meine Fesseln löste, beobachtete sie mich. Ich blieb sitzen.

"Du darfst aufstehen." Als ich aufstand, wurde mir schwarz vor Augen.

"Na, wen haben wir denn hier?" Eine schneeweiße Frau hielt eines meiner Handgelenke. Wir standen auf einer Treppe.

Wie war ich hierhergekommen?

"Fersengeld hat sie ordentlich gegeben." Die Frau mit den orangenen Augen kam zu uns.

"Auf Gefangene kannst du echt gut aufpassen", antwortete die schneeweiße Frau verächtlich und ließ mich los.

"Zwei Geister, ein Körper sag ich da nur." Die Frau mit den orangenen Augen legte einen Arm um meine Schulter und zog mich zu ihr.

"Pff, Ausreden." Die schneeweiße Frau machte auf dem Absatz kehrt und lief die Treppen herunter.

"Ich habe damit gerechnet, dass du oder Esmeralda fliehen werdet." Sie schaute mich von oben herab an. "Erkläre mir, wie du hierher gekommen bist."

Garnoks GefährtinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt