Kapitel 93.

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Taehyung

Jungkook erzählte mir alles. Jedes einzelne, wichtige und noch so dunkle Detail aus seinem Leben und den letzten paar Wochen und Monaten. Ich hatte ja keine Ahnung gehabt, wie lange das Ganze schon ging. Und wie schwer es ihm das Leben seit seiner Geburt machte. Mit einer Drogensüchtigen Mutter, die sich an andere Männer heran machte und ihre Kinder vernachlässtigte, oder gewalttätigen Männern aussetzte. Lee war nicht der einzige gewesen, der Jungkook im Auge hatte.

Diese Männer nahmen sich immer, was sie wollten. Und wenn sie schon die Mutter missbrauchten, konnten sie auch ihre Kinder in das Ganze ziehen. All das hielt Jungkook aus, besonders für seine kleine Schwester, welche er vor diesen grausamen Dingen und dieser schrecklichen Welt schützte. Dafür prallte alles an ihm ab. Jedoch war bis jetzt keiner so penetrant und vereinnahmend gewesen, wie dieser gewisse Lee.

Ich hatte niemals gedacht, dass das Ganze schon so lange ging. Viel länger, als ich es gewusst hatte und die Veränderungen an Jungkook kaum bemerkte. Dabei litt er daran offensichtlich schon eine ganze Weile. An der intensiven Manipulation des kranken Mannes, mit einem viel zu starken Interesse an dem Jüngeren. Ich konnte mir vorstellen, was er in seinen kranken Gedanken so vor hatte, mit Jungkook zu tun. Alleine daran zu denken machte mich krank.

"Ich weiß nicht... Woher er deinen Vater oder dich kennt, aber es war offensichtlich, dass er eine unglaubliche Wut auf deine Familie, vorallem dich hatte. Und durch mich... Kam er viel zu leicht an dich heran" führte der Jüngere mit zittriger Stimme seine Erzählung fort. Bis jetzt kannte ich bloß die Hintergründe seines keinesfalls einfachen Lebens. Der Grund, wieso mein Vater mich vor ihm warnte, dabei lag die Schuld bei Jungkooks Mutter und keinesfalls bei dem Jüngeren selbst. Er war eine ganz andere Person. Eine unglaublich gute Person, die seitdem sie auf der Welt war mit den Schattenseiten seines Lebens klarkommen musste.

Zum Großteil alleine. Denn auch Jimin konnte ihm nur zum Teil helfen und vor seinem eigenen Leben schützen.

"Hat er von dir verlangt... Mein Projekt zu zerstören?" fragte ich also das, was ich schon seitdem es passiert war wissen wollte. Den wirklichen Grund hinter Jungkooks Handlungen. Hätte ich gewusst, dass dahinter ein anderer Mann, ein grausamer Freund seiner Mutter steckte, wäre mir niemals eingefallen, Jungkook so zu behandeln, wie ich es im Endeffekt tat. Je mehr er mir erzählte, desto mehr bereute ich auch den harten Hate Sex, den wir gehabt hatten, in seinem sowieso schon angeschlagenen Zustand.

"Ich wusste nicht... Was ich tun sollte, Tae. Er hätte meine Schwester getötet. Er hätte dich verletzt, er... Hat sich nie zurück gehalten, mit seinen Drohungen. Und ich konnte keinem von euch all das antun, in dem Wissen, selbst schuld daran zu sein" Oh Jungkook. Wenn er wüsste, wie sehr ich mich dafür hasste, nicht früher an diesen seltsamen Geschehnissen gezweifelt zu haben. So lange schon spürte ich diesen Zwiespalt in mir, weil ich auf der einen Seite kaum glauben konnte, dass gerade er mir all das antat, auf der anderen Seite aber durch meine Wut und einen immensen Hass, sowie Enttäuschung geblendet wurde.

Währenddessen ließ ich ihn alleine leiden. Er musste die Misshandlung dieses Kerls aushalten und so wie ich es ihm ansah, waren das nicht die ersten Markierungen von ihm auf seinem Körper.

Ich würde diesen Mann dafür büßen lassen. Dafür, dass er es so lange schaffte, diesen wundervollen Jungen zu manipulieren und in die Ecke zu zwingen. Zu ruinieren und mit Drohungen Macht über ihn zu bekommen, da er genau darauf aus war. Macht. Macht über Jungkook, von dem er mehr forderte, als er offen zugab. Ich wollte garnicht erst wissen was passiert wäre, hätte ich das hier viel später getan. Was sich dieser Mann von dem Jungen vielleicht noch nahm, bevor er mir von dem Missbrauch erzählte.

"Was... Hat er dir gedroht." Dabei klang ich keinesfalls fragend, denn eigentlich verlangte ich eine Antwort. Nicht, weil ich Jungkook dazu zwingen wollte, das ganze Trauma erneut zu erleben, indem er es auch noch aussprechen musste. Jedoch war es wichtig, dass er mir so viel davon offenbarte, wie möglich. Nur dann konnte ich den Mann dafür angemessen leiden lassen. Er sollte Jungkook niemals wieder etwas antun. Und dafür würde ich Sorgen.

"Das... Der Unfall meiner Schwester damals sollte mich daran erinnern, dass er seine Drohungen war macht und jeden Menschen, der mir nahe steht, verletzt. Ganz besonders... Dich" seufzte er und senkte dabei seinen Blick. Die Gedanken daran mussten schmerzhaft sein. "Und womit hat er gedroht... Was er mir antun würde?"

Sofort sammelten sich Tränen in Jungkooks Augen. Dieser ekelhafte Bastard Lee drohte ihm offensichtlich mit so grausamen Dingen, dass der Junge vor mir sie kaum aussprechen konnte. Ihm fiel es schon schwer, von seinem Leben zu erzählen, welches er den meisten verheimlichte. Damit er nicht sofort vorverurteilt wurde, so wie von meinem Vater. Und ich... Hatte Jungkook das auch noch vorgeworfen.

"Taehyung... Ich kann nicht" wimmerte er leise, weswegen ich näher an ihn heran rutschte. Nachdem ich dem Jüngeren aus der Badewanne half und neue Klamotten anzog, machten wir es uns auf seinem Bett bequem. Ähnlich wie vorhin saß er, mit dem Oberkörper gegen das Kopfteil des Bettes gelehnt, in seinem Bett, während ich am Rand dessen saß und ihn beobachtete. Ohne, dass ihn mein aufmerksamer Blick am Ende noch einschüchterte oder unwohl fühlen ließ.

Außerdem fiel es mir selbst nicht besonders leicht, Jungkooks verletzten Gesichtsausdruck erkennen zu müssen. Dieser Mann hatte ihn ruiniert. Seinen Willen gebrochen und alles in seinem Leben genommen, was er sich nehmen konnte. Lee sorgte dafür, dass Jungkook sich am liebsten von jedem, dem er nahe war, distanzierte, damit der ältere Mann ihnen nichts antun konnte.

Er schützte mich. Anstatt, dass er dabei zusehen musste, wie dieser Mann mich vor seinen Augen ähnlich missbrauchte und seine Drohungen an mir auslebte, tat er, was von ihm verlangt wurde. Er zerstörte mein Kunstprojekt, nahm in Kauf, sich selbst und auch mich damit zu verletzen, anstatt Lee die Möglichkeit zu geben, seine kranken Ideen an uns auszuleben. Beziehungsweise an mir. An Jungkook übte er sie weiterhin aus, auch wenn er sich mit seinem eigentlichen Ziel Zeit ließ. Denn natürlich konnte ich mir denken, was solch ein Mann von diesem Jungen wollte, abgesehen von dem offensichtlichen, Macht zu erlangen.

Etwas, wovon diese Männer lebten. Bei so vielen Menschen, die Jungkook extrem nahe standen, war es ein leichtes, ihn einzuschüchtern, zu manipulieren und dazuzubekommen, dass er seinen Worten folgte. Ich wollte mir garnicht erst ausmalen, wie einsam Jungkook gewesen war. Und wie tief der Schmerz saß, mir all diese Dinge antun zu müssen, weil ihm ein anderer Mann drohte, mich zu verletzen.

Jetzt verstand ich auch wieso er wollte, dass ich nichts davon heraus fand. Ich würde ihm sofort und ohne darüber nachzudenken alles vergeben. Denn wie könnte ich auch nicht. Er litt und ich liebte ihn. Und deswegen würde ich auch niemals zulassen, dass ihm jemals wieder jemand etwas derartiges antat.

"Hey, sieh mich an, Pretty" sagte ich sanft, legte meine Hände liebevoll an seine Wange und musterte den vollkommen aufgelösten Jungen aufmerksam. Er fühlte sich offensichtlich auch schuldig, immerhin erzählte er mir aus einem bestimmten Grund nichts davon. Doch ich hatte jeden Grund dazu, dem Jüngeren zu vergeben. Seine Gründe so zu handeln waren tiefgreifend. Und die Drohungen dieses Mannes so grausam, sodass sicherlich jeder ähnlich wie Jungkook gehandelt hatte.

Hier ging es um Menschen, die er liebte. Die ihm unglaublich wichtig waren und die er niemals verletzen wollte.

Und dieser grausame Mann ließ ihn dafür leiden.

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Disguschting

Pretty Boy // 𝑇𝑎𝑒𝑘𝑜𝑜𝑘 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt