Irina
In diesen Monaten hatte sich einiges verändert. Alle waren etwas glücklich nach Saids Tod. So schien das zumindestens. Yousef hatte angefangen zu beten. Ich sah ihn fast immer weinen. Er leidet anscheinend sehr darunter, da die beiden nicht miteinander geredet haben. Er möchte immer alleine sein und er redet fast nie mit uns. Irgendwie habe ich Mitleid mit ihm. Ich möchte zu gern mit ihm reden aber ich trau mich nicht. Ich hab angst, dass er dann ausrastet und mich bloßstellt, und mir Vorwürfe macht, dass ich Schuld bin. Ich versuche deshalb mit Bilal darüber zu reden. Ich ging auf Bilal zu und fragte ihn: "Bilal? Was denkst du über dein Vater?"
Bilal: "Er ist seit Saids Tod komisch. Ich kann mir nicht erklären wieso er viel weint."
Irina: "Wieso redest du nicht mit ihm darüber?"
Bilal: "Hab ich schon versucht. Er blockt und antwortet nicht. Vielleicht tut ihm das Leid, weil er mit Said jahrelang kein Wort ausgetauscht hat. Ich weiß es nicht."
Irina: "Ja kann gut sein. Er tut mir Leid."
Bilal: "Irina?"
Irina: "Ja bitte."
Er zögerte etwas doch dann hat er dies gesagt: "Ich bin froh, dass du bei mir bist. Ich bin durch dich ein anderer Mensch geworden."
Es freut mich immer solche Sätze von ihm zu hören.
Irina: "Ich bin gerne bei dir und bei deiner Familie. Ich weiß gar nicht, was aus mir geworden wäre, wenn du nicht da wärst. Ich..."
Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich ihn liebe solange er es nicht sagt. Er strich mit seiner Hand meine Wange und nahm mich in seine Arme. Es tut so gut, wenn er dies tat.
[...]
In der Nacht wachte ich auf und ging in die Küche, um etwas zu trinken. Yousef war im Wohnzimmer. Er war am beten. Ich betrat das Zimmer und setzte mich. Ich schaute ihm zu. Er ließ Tränen fließen. Jede einzelne Träne schrie nach Reue. In mir wurde plötzlich warm. Ich hatte ein komisches Gefühl. Als er fertig war nahm er den Koran in die Hand und las. Aber ich konnte ihn nicht hören, weil er leise gelesen hat.
Irina: "Können Sie bitte laut lesen? "
Er schaute mich an und las laut vor. Ich verstand nichts aber es tat gut. Diese Wörter klangen alle irgendwie schön. Ich setzte mich zu ihm. Eigentlich hatte ich angst vor ihm aber diesmal tat ich es nicht. Es war alles auf arabisch. Ich konnte es also nicht lesen. Aber in diesem Moment hätte ichs gerne getan. Mir blieb nichts anderes übrig als ihm zu zuhören. Als er fertig war, klappte er es langsam zu, sprach sein Gebet leise für sich aus und ging mit beiden Händen über sein Gesicht entlang als ob er es gewaschen und das Wasser abtrocknet. So sah es aus.
Irina: "Ich möchte es auch lesen können."
Er antwortet nicht sondern stand auf. Er nahm auf der Kommode ein Buch und setzte sich wieder zu mir.
Yousef: "Erst muss du verstehen, was da steht."
Ich nahm es in die Hand. Es war ein Koran, der auf Deutsch übersetzt worden war.
Irina: "Danke. Ich werds lesen."
Dabei lächelte ich ihn an. Aber er schaute mich leer an. Der Glanz in seinen Augen war weg. Das sah man ihn an. Ich stand auf, wünschte ihm gute Nacht und ging wieder hoch in mein Zimmer. In dieser Nacht schlief ich friedlich.
[...]
Am nächsten Morgen wachte ich recht früh auf. Alle schliefen noch. Ich dachte mir, heute bereite ich das Frühstück vor. Nach und nach kamen sie dann als ich fertig war.
Maryam: "Wow bravo mein Kind. Sieht super aus. Hast viel von mir gelernt."
Irina: "Ja ich gib mein Bestes."
Bilal grinste mich nur so schief von der Seite an. Es gefiehl ihm auch anscheinend. Yousef ging ohne was zu essen mit Trauer und gesenktem Gesicht raus.
Irina: "Yousef hat heute Nacht wieder geweint als er gebetet hat und las. Ich hab mich dann zu ihm gesetzt und ihm zugehört. Er gab mir dann eine Übersetzung des Korans."
Maryam: "Echt?"
Irina: "Ja. Ich hab gesagt, dass ich es auch lesen möchte aber er sagte, erst müsste ich es verstehen."
Bilal: "Hat er noch was gesagt?"
Irina: "Nein. Ich wollt ihn nicht kränken."
Maryam: " Wenn du willst kann ich dir es beibringen."
Irina: "Ich möchte es unbedingt. Aber erst lese ich die Übersetzung."
Maryam: "Wie du willst. Freut mich, dass du dich dafür entschieden hast. Mein Sohn nimm dir ein Beispiel an ihr. Du Faulpelz."
Bilal: "Vielleicht lernen wir ja gemeinsam. Wer weiß wer weiß."
Irina: "Echt? Würd mich freuen."
Bilal: "Ja ich habs auch verlernt. Muss es wieder auffrischen. Mama? Weißt du, was mit Baba los ist?"
Maryam: "Nein. Mit mir redet er auch nicht. Er zeigt wahrscheinlich Reue wegen Said."
Bilal: "Wir haben heute viel zu tun. Deniz kommt heute vorbei. Wir müssen noch besprechen, was wir brauchen. Er konnte ja letztens nicht kommen aber heute hat er es versprochen."
Maryam: "Ja dann kann ich mich bei ihm bedanken."
Irina: "Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich arbeiten werde und das mit der besten Familie der Welt."
Bilal: "Öhö öhö. Du meinst bestimmt, dass ich der Beste bin."
Irina: "Sei nicht so eingebildet. Ich mein Maryam Mama und Noura."
Alle lachten.
Gegen Mittag kam Deniz. Er wollte unsere Meinung dazu hören und schrieb alles auf damit er ja nichts vergisst.
Deniz: "Ich möchte, dass nichts fehlt. Ich kenne da einen, der diese Sachen uns günstiger verkaufen würde. Wollen wir gleich losfahren?"
Maryam: "Also ich hab nichts besseres heute vor. Was meint ihr?
Noura: "Ich kann auch. "
Bilal: "Super. Ja dann los!"
Wir fuhren etwa eine halbe Stunde und hielten vor einem Laden an, der riesengroß war. Als wir reingingen kam uns ein etwas älterer Herr und eine Frau entgegen. Deniz begrüßte sie und stellte uns vor. Wir setzten uns und Deniz fing an unsere Wünsche zu äußern. Bilal sprach mit. Sie einigten sich und wir suchten uns unsere Stühle, Tische, Arbeitsplatten, Geräte und alles was wir brauchten aus. Maryam, Noura und ich entschieden uns für Pastellfarben und Blümchen Muster. Sie besprachen dann die Preise. Bezahlt wurde in Ratenzahlung. Sonst bekämen wir es nicht auf die Reihe. Ich war froh, dass alles so klappt, wie wir es uns vorstellen. Ich war sehr glücklich und alle anderen schienen es auch zu sein. Ich danke Gott dafür, dass ich nach 18 Jahren beschissenes und verlogenes Leben so eine wunderschöne Familie kennenlernen durfte.
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Eine frage der Ehre
RomanceEs geht um einen Jungen, der an seinem Geburtstag von seinen Freunden in einem Bordell gebracht wird und dort auf ein unschuldiges Mädchen trifft, die gezwungen wird dort zu arbeiten. Sie kann sich glücklich schätzen, dass sie auf Bilal trifft, der...