Am nächsten Vormittag brachte Amazon ihr das Buch, das sie am Vortag bestellt hatte.
Schwangerschaft Tag für Tag. Jeden Tag gab es mal mehr und mal weniger hilfreiche Infos. Es war fast wie ein Adventskalender, aber in guter Aufmachung und deutlich umfangreicher.
Auch auf ihr neues Smartphone lud sie sich eine ähnliche App.
Häufig würde die Übelkeit wohl einige Monate anhalten und obwohl sie hoffte, dass sie nicht dazu zählen würde, ging es ihr am Sonnabend immer noch nicht gut. Im Gegenteil. Sie hatte am frühen Morgen mehrfach erbrochen.
Sollte sie Flo absagen? Ach, nein. Sie freute sich auf ihn und vermutlich hatte sie nun alles ausgekotzt, was ging.
„Du siehst ja gar nicht gut aus!", begrüßte er sie, als sie ihm die Tür öffnete.
Marie verdrehte lachend die Augen. „Du weißt, was Frauen hören wollen!"
„Hab ich je ein Blatt vor den Mund genommen?" Er feixte, während er über die Schwelle trat.
„Hätte dir vielleicht mal ganz gut getan", erwiderte sie und drückte ihn an sich. Doch als er sie küssen wollte, wich sie ihm erneut geschickt aus.
„Hast du zufällig Schokolade dabei?" „Natürlich. Ich kenn dich doch."
Sie nickte. Ja, das tat er tatsächlich.
„Komm hoch, der Ofen ist an. Das Essen ist gleich fertig."
„Boa, das riecht schon genial!"
Doch am Fuß der Treppe zögerte er kurz. „Bist du alleine?" „Ja. Wieso?"
„Hätte ja sein können, dass dein Freund hier ist!" „Nein, ich sagte doch schon am Telefon, er ist nicht mein Freund", entgegnete Marie und ging die Treppe hinauf.
„Ist er wirklich nicht? Er hat mich so angesehen, als würde ich in seinen Hoheitsgewässern fischen."
Marie lachte. „Ach, hat er das?" „Ja, absolut."
„Nicht mehr als du, mein Lieber. Und du hast kein recht mehr dazu." „Wieso?"
Marie ging zum Kühlschrank und öffnete ihn. „Die Frage ist ganz offensichtlich nicht ernst gemeint. Dafür bist du zu klug."
Dann nahm sie eine Flasche Saft heraus und schloss ihn wieder.
Flo seufzte. „Ich finde die Vorstellung komisch, dass er dich vielleicht anfasst."
„Du musst da vielleicht mit klarkommen. Bei Simon bist du doch auch damit zurechtgekommen."
„Ja. Mehr schlecht als recht. Aber Simon stand nicht zwischen uns."
„Natürlich stand er das."
„Aber irgendwas ist dieses Mal anders."
Marie zuckte mit den Schultern. „Er weiß das mit uns."
„Und es stört ihn nicht?"
„Ich denke, er geht davon aus, dass da jetzt nichts mehr läuft."
Marie sah Flos Blick nicht, der den Tisch deckte und weitere Getränke holte. „Möchtest du auch ein Bier?", fragte er und hielt zwei Flaschen hoch.
„Nein, lieber ein Wasser."
Alleine bei dem Gedanken an Bier wurde ihr schon schlecht. Aber sie konnte ihn ja schlecht bitten, keines zu trinken. Er würde wissen wollen warum.
„Hey, alles in Ordnung?", fragte Flo auf einmal besorgt und legte die Hand auf ihren Oberarm, versuchte, sie aus ihren Gedanken zu holen.
„Ja, ich... bin gleich wieder da." Sie rannte ins Bad und erbrach.
„Vielleicht solltest Du dich lieber ins Bett legen. Ich kann mich auch abholen lassen", sagte Flo, der ihr gefolgt war.
„Muss das sein, dass du mich so siehst?!", schnaufte sie über der Kloschüssel hängend.
„Süße, ich hab dich schon ganz anders gesehen."
„Das stimmt allerdings...", brummte sie, stand auf und spülte.
Flo hielt ihr einen feuchten Wachlappen hin, mit dem sie sich das Gesicht abwischte, bevor sie sich die Zähne putzte.
„Ist wirklich alles in Ordnung?"
„Ja, geht schon. Danke. Lass uns essen."
„Wie kannst du denn jetzt ans Essen denken?"
Irritiert sah sie ihn an. „Wie kann du bei dem Geruch nicht ans Essen denken?"
Tatsächlich machte das Essen die Übelkeit besser. Und tapfer schaufelte sie die Portion in sich hinein.
„Wie lange ist er in London?", fragte Flo, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten.
Das Thema schien ihn wirklich arg zu beschäftigen.
„Ein paar Monate, wieso?"
„Glaubst du, aus euch wird ein Paar werden?"
„Was weiß ich?! Könnten wir vielleicht mal das Thema wechseln? Ich will nicht die ganze Zeit mit dir über ihn reden. Wieso tust du das? Ich dachte, du magst ihn nicht. Du wirktest regelrecht eifersüchtig."
Flo wich ihrem Blick aus. „Ich möchte wissen, wie du zu ihm stehst. Ich dachte, wir sind Freunde?"
„Ja, das sind wir auch. Und du weißt, dass ich mir viele Jahre gewünscht habe, dass wieder mehr aus uns wird. Du kannst nicht davon ausgehen, dass ich ewig auf dich warte!"
Sie spürte Tränen in sich aufsteigen. Und Magensäure.
Hastig sprang sie auf und rannte zum Klo.
Sie war sauer. Sauer, dass sie ihren Körper nicht kontrollieren konnte. Sie war sauer auf Flo, dass sie seit Jahren nicht voneinander loskamen und nichts Halbes und nichts Ganzes waren. Und sie war sauer auf sich, dass sie nicht wusste, was sie nun machen sollte.
Sie saß neben dem Klo und wischte sich den Schweiß von der Stirn, als ihr Smartphone klingelte.
Paddy. FaceTime.
Tolles Timing. Er hatte seit Tagen nichts von sich hören lassen.
Aber wenigstens war sie gerade alleine hier drin.
„Hi", begrüßte sie ihn matt, auch wenn sie versuchte, sich zusammenzureißen.
„Hey Mary. What's up? Du klingst nicht gut. Du siehst auch nicht besonders gut aus. Ist nicht böse gemeint."
Sie stöhnte leise. „Es geht mir gut. Alles bestens. Es ist nur gerade etwas ungünstig."
Plötzlich ging die Tür auf.
„Mariemaus, gehts wieder? Kommst du gleich?", fragte Flo besorgt, doch Marie ahnte schon, dass er das Telefon gehört hatte.
„Ja, ich bin gleich wieder da."
„Dann warte ich mit dem Nachtisch auf dich."
„Ist er da? Dieser Flo?" Paddy klang angespannt.
„Ja. Aber können wir ein anderes Mal reden? Es ist gerade wirklich nicht der beste Zeitpunkt."
„Ja, sicher. Marie... du fehlst mir."
„Du fehlst mir auch."
Es war schön, seine Stimme zu hören. Und gleichzeitig verursachte sie eine Beklemmung in der Brust.
„Ach Paddy...", seufzte sie und spürte einen Kloß im Hals.
Oh, sie hasste diese Hormone!
„Marie, du bist verändert. Du warst sonst so in dir ruhend. Was hat dich so aus der Spur gebracht? Du siehst aus, als wenn du gleich weinst."
„Ich erklär's dir in Ruhe, wenn du wieder hier bist. Ich möchte dir das nicht am Telefon sagen."
„Das klingt irgendwie nicht gut. Ich hoffe, ich kann es bald ermöglichen."
„Wir werden sehen. Mach's gut."
„Du auch!"
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Pappeln im Schnee
ФанфикWinter. Schnee. Viel Schnee. Und zwei Menschen, die einander brauchen.