Kapitel 3

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Es war schon seit einer ganzen Weile dunkel, als Maerwyn und Aragorn sich auf den Rückweg zum Lager machten.
Sie hatten sich umgesehen und beschlossen, dass es vergleichsweise sicher war, die Nacht in der Gegend zu bleiben.
Sie hatten nur dann Worte gewechselt, wenn es nötig gewesen war. Die Wildnis war gefährlich genug, auch ohne die Nazgûl, die ihnen an den Fersen klebten, und sie konnten es nicht riskieren, ungewollte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Als der Wachturm in ihrem Sichtfeld auftauchte, blieben sie einen Moment lang wie angewurzelt stehen. In der Höhle, in der sich die Hobbits befanden, sahen sie ein flackerndes Licht.
„Sie werden doch wohl nicht...", Maerwyn sprach den Satz nicht zu Ende, denn sowohl ihr als auch ihrem Begleiter war klar, dass das flackernde Licht eindeutig ein Feuer war und, dass es von den Hobbits gemacht worden war.
„Es ist, als wollten sie ins Gras beißen", knurrte die Prinzessin.
Doch ihre Wut wandelte sich sofort in Besorgnis, als ein lautes Kreischen ertönte.
„Das darf nicht wahr sein", stöhnte sie.

Im Laufschritt eilten sie den Hobbits zu Hilfe. Sie kletterten an den Hängen des Amon Sûl hoch, Aragorn entzündete zwei Fackeln, von denen er eine Maerwyn in die Hand drückte. Mit gezogenen Schwertern und brennenden Fackeln, warfen sie sich den Ringgeistern, die die Hobbits bereits so gut wie überwältigt hatten, entgegen.
Dann ertönte ein schmerzerfüllter Schrei.
„Frodo!", rief Sam.
Maerwyn, die gerade die Klinge mit zwei Ringgeistern kreuzte und verzweifelt versuchte, Merry und Pippin hinter sich zu beschützen, gefror das Blut in den Adern.
Das Schwert eines Nazgûls mit ihrem eigenen blockend, duckte sie sich unter der Waffe des anderen hindurch und steckte die schwarzen Roben beider in einer fließenden Bewegung in Brand.
Kreischend flohen sie den Berg hinunter.
„Kümmer' dich um Frodo!", kommandierte Aragorn, der sich der anderen Angreifern erwehrte.
Ihre Fackel auf einen dritten Ringgeist werfend – der auch sofort in Flammen aufging – begab sie sich an Frodos Seite.
Der Hobbit stöhnte vor Schmerz.
„Das könnte einen Moment weh tun", warnte sie ihn, ehe sie ihre Hand auf seine Wunde an der Schulter drückte.
Nichts passierte.
„Was zum..."
Maerwyn versuchte es erneut, dieses Mal stärker auf die Wunde drückend. Sie konzentrierte sich mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, darauf, die Verletzung zu schließen, Frodo zu heilen. Doch noch immer geschah nichts.
Die Prinzessin stieß einen Fluch aus, der einen Seemann zum Erröten gebracht hätte.
Sam rief nach Streicher.
Der hatte sich mittlerweile seiner Kontrahenten entledigt und schaute sich nach weiteren ungebetenen Gästen um, ehe er zu ihnen stieß.
Maerwyn sah ihn mit dem grimmigsten Ausdruck an, den er sie je hatte tragen sehen, und schüttelte den Kopf.
Der Waldläufer hockte sich neben sie und hob die Klinge, die der Ringgeist hatte fallen lassen, nachdem er Frodo verwundet hatte, vom Boden auf.
„Er ist mit einer Morgul-Klinge verletzt worden."
Das erklärte einiges.
Die Klinge selbst löste sich in der Hand des Mannes bis zum Heft auf und er ließ sie fallen.
„Dafür reicht unsere Heilkunst nicht aus", erkannte Maerwyn, „Er braucht elbische Arznei."

Aragorn hatte sich den verwundeten Hobbit auf die Schulter geladen.
Maerwyn lief mit einer Fackel neben ihm, die Hobbits mit Lutz hinterdrein.
Das Kreischen eines Ringgeistes war in nicht allzu ferner Ferne zu hören.
„Beeilt euch!", trieb die Prinzessin die Hobbits an.
„Wir sind sechs Tage von Bruchtal entfernt!", rief Sam verzweifelt, „Das schafft er nie!"
„Gandalf...", flüsterte Frodo.
„Halt durch, Frodo", beschwor ihn Aragorn.
„Gandalf!"

Auf einer Lichtung mussten die Gefährten im Endeffekt doch Rast machen, da die Hobbits nicht mehr laufen konnten, obwohl sie, um Frodos Willen, das Gegenteil behaupteten.
Aragorn legte Frodo unter drei versteinerten Trollen ab, die einen exzellenten Schutz bei einem Angriff bieten würden.
„Er wird immer kälter!", teilte Sam Maerwyn und Aragorn mit, die sich das Hirn zermarterten, wie sie Frodos Übergang in die Schattenwelt zumindest verlangsamen könnten.
„Wird er sterben?", fragte Pippin ängstlich.
Die Prinzessin drehte sich zu ihm um und erklärte mit Grabesstimme: „Er geht hinüber in die Schattenwelt, bald wird er ein Geist sein, genau wie sie."
Das Kreischen der Ringgeister ließ sie aufhorchen und sich umsehen.
„Sie sind ganz nah", erkannte Merry.
In dem Moment hatte Aragorn einen Geistesblitz. Er rief Sam zu sich herüber.
„Kennst du die Athelas-Pflanze?", fragte er ihn.
„Athelas?", fragte der Hobbit verwirrt.
„Königskraut", informierte Maerwyn.
Das war dem Gärtner ein Begriff.
„Das wächst überall", meinte er.
„Es könnte helfen die Vergiftung zu verlangsamen. Beeil dich."
Damit drückte Aragorn Sam die Fackel, die er seiner Freundin wenige Minuten vorher abgenommen hatte, in die Hand und schickte ihn in den Wald. Er selbst folgte ihm, während Maerwyn bei Merry, Pippin und Frodo blieb und die Person verfluchte, die sich ausgedacht hatte, dass ihre Kräfte nicht bei Morgul-Klingen halfen.

Wenig später tauchten Sam und Aragorn wieder auf, doch sie waren nicht allein. Maerwyn freute sich, zu sehen, dass Arwen, die Tochter Herrn Elronds bei ihnen war. Damit war die Hoffnung für Frodo doch noch nicht verloren.
Sie freute sich noch mehr, als sie sah, dass die Elbenfrau ihre Schimmelstute Morwen – benannt nach Théodens Mutter– mitgebracht hatte.
Während Arwen, Aragorn und Maerwyn sich um Frodo kümmerten, standen die Hobbits daneben und bewunderten Arwen.
„Er schwindet", bemerkte Arwen ängstlicher, als Maerwyn jemals einen Elb gesehen hatte.
„Das ist uns auch schon aufgefallen", kommentierte sie. „Er wird nicht mehr lange durchhalten."
Aragorn stopfte Athelas in Frodos Stichwunde.
„Wir müssen ihn zu meinem Vater bringen", beschloss Arwen, woraufhin Aragorn den Hobbit vom Boden hob.
„Ich suche schon seit zwei Tagen nach euch", wurden sie von der Elbenfrau informiert. „Da sind fünf Ringgeister hinter euch, wo die anderen sind, weiß ich nicht."
„Vermutlich sind sie nicht da, wo wir sie gern hätten", bemerkte die Prinzessin altklug.
Niemand kümmerte sich um die Fragen und Proteste der anderen drei Hobbits, als Aragorn Frodo in den Sattel Asfaloths – Arwens Pferdes – setzte.
Dartho guin Berian. Rych le ad tolthathon", beschloss Aragorn.
Arwen widersprach: „Hon mabathon. Rochon ellint im."
Andelui ven", hielt der Waldläufer dagegen.
Frodo fîr. Aeathradon i hîr, tûr gwaith nîn beriatha hon", beschwichtigte seine Holde ihn
„Und wenn du meinst, dass ich hierbleibe und den Spaß verpasse, hast du dich gewaltig getäuscht", mischte sich jetzt auch Maerwyn ein, die sich in der Zeit, in der das Pärchen sich darüber gezankt hatte, wer sich jetzt in welche Gefahr begeben würde, kurzerhand auf Morwens Rücken geschwungen hatte und Arwen und Aragorn vor vollendete Tatsachen stellte.
Der Waldläufer sah seine Freundin einen Moment lang an. Diese nickte ihm aufmunternd zu.
„Ich fürchte sie nicht", beruhigte ihn auch Arwen.
Schließlich gab Aragorn dann doch nach: „Be iest lîn."
Arwen schwang sich ebenfalls in den Sattel.
Bevor sich die Frauen jedoch verabschieden konnten, hatte er noch etwas zu sagen: „Reitet schnell, blickt nicht zurück."
Noro lîm, Asfaloth, noro lîm!", gab Arwen ihrem Pferd das Kommando, dass auch sofort angaloppierte.
„Oder so", kommentierte Maerwyn, bevor sie Morwen die Sporen gab und der Elbenfrau folgte.

Arwen und Asfaloth jagten mit Frodo voraus, Maerwyn und Morwen hinter ihnen.
Während sie durch einen Wald schossen, entdeckte die Prinzessin schwarze Pferde mit schwarzen Reitern zwischen den Bäumen.
„Arwen! Geister!", rief sie der Elbenfrau zu.
Sie trieben ihre Pferde an schneller zu laufen, teilten sich auf und ritten im Zickzack eng an den Bäumen entlang.
Es half nichts, die Nazgûl blieben ihnen weiter dicht auf den Fersen.
Als sie über eine große freie Fläche galoppierten, schaffte es ein Geist, sich zwischen die beiden Pferde zu drängen. Er streckte die Hand nach Frodo aus.
Im gleichen Moment trieb Arwen Asfaloth ein weiteres Mal an und Maerwyn schoss einen Pfeil nach ihm.
„Pfoten weg!", keifte sie.

Endlich, nach einem Ritt durch einen weiteren Wald kamen sie an der Bruinen an. Doch die Frauen ließen ihre Pferde erst Halt machen, als sie mitten im Fluss, fast schon am anderen Ufer waren.
Die Ringgeister und ihre Pferde standen noch an Land.
Arwen und Maerwyn wendeten ihre Pferde und sahen ihnen unbeugsam entgegen.
„Gebt uns den Halbling, Weiber!", zischte ein Geist.
Arwen zog ihr Schwert, Maerwyn spannte ihren Bogen.
„Wenn ihr ihn haben wollt, kommt und verlangt nach ihm", forderte Erstere sie heraus.
Rohans Prinzessin schloss ihre Augen.
„Das hättest du nicht sagen sollen", murmelte sie, denn die Ringgeister zogen ihre Klingen und trieben ihre Pferde ins Wasser.
Arwen antwortete nicht, sie murmelte einen Zauberspruch: „Nîn o Chithaeglir lasto beth daer! Rimmo nîn Bruinen dan in Ulaer! Nîn o Chithaeglir lasto beth daer! Rimmo nîn Bruinen dan in Ulaer!"
Vom Gebirge her war ein Donnern zu hören. Dann ergoss sich eine Flut, die aussah, als wäre das Wasser selbst, in der Gestalt rasender Pferde, zum Leben erwacht, über die Ringgeister.
„Ich nehm's zurück", kommentierte Maerwyn, „Jetzt nichts wie weiter oder wir haben gleich noch größere Probleme."

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Dartho guin Beriain. Rych le ad tolthathon. - Bleib bei den Hobbits. Ich werde euch Pferde senden.
Hon mabathon. Rochon ellint im. - Ich bin der schnellere Reiter. Ich werde ihn nehmen.
Andelu i ven. - Die Straße ist zu gefährlich.
Frodo fîr. Ae athradon i hîr, tûr gwaith nîn beriatha hon. - Frodo stirbt. Wenn ich es über den Fluss schaffe, wird die Macht meines Volkes ihn beschützen.
Be iest lîn. - Wie du wünschst.
Noro lim, Asfaloth! Noro lim! - Reite flink, Asfaloth! Reite flink!
Nîn o Chithaeglir, lasto beth daer! Rimmo nîn Bruinen dan in Ulaer! - Wasser der Nebelberge, erhört das große Wort! Fließe, Wasser der Lautwasser, gegen die Ringgeister!

Von Maerwyn und Lumiel (Der Herr der Ringe Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt