Ein kalter Wind heulte auf dem höchsten Turm Hogwarts'. Es war eine dunkle und bewölkte Nacht.
Lucy hatte sich zur Erleichterung der anderen freiwillig gemeldet, den Korb mit dem Drachen zu tragen. Sie war die einzige gewesen, die ihm nicht abgeneigt war, im Gegenteil sogar. Nach wie vor war sie fasziniert von dieser kleinen Kreatur. Norbert, so wie Hagrid ihn genannt hatte, war in den letzten Tagen paar Wochen schnell gewachsen und schien, gut unter der von Büchern empfohlene Behandlung zu gedeihen. Wobei Lucy Hagrid dabei ebenfalls assistierte und Ratschläge gab, die sie ebenfalls aus Büchern hatte. Der extra Brandy für die Reise war zum Beispiel ihre Idee gewesen.
Langsam wurde es jedoch jetzt anstrengend. Schon auf dem Weg hierher hatte Lucy mit Harry und Hermine aufpassen müssen, unter dem Tarnumhang ja nicht gesehen zu werden. Zu dritt passten sie zwar bequem darunter, wenn sie sich zusammen stellten, der große Korb mit dem Drachen jedoch nahm so viel Platz ein, dass sie etwas in die Knie gegangen laufen mussten, sodass man noch nicht einmal einen Blick auf ihre Schuhe erhaschen konnte.
Ron war zum Glück nicht dabei, ansonsten hätten sie sich bestimmt nicht unbemerkt durch das schlafende Schloss schleichen können. Mitleid mit ihm hatte sie natürlich trotzdem.
Er war nämlich nur nicht dabei, weil Norbert ihn gebissen hatte. Es war ein richtig bösartiger Biss, der sich, nachdem er eine Weile unbehandelt geblieben war, grünlich verfärbt hatte. Jetzt lag er dafür im Krankenflügel mit einer halbherzigen Alibi-Story für den Biss.
Und genau das war auch der Grund, wieso sie so viel mehr darauf bedacht waren, unter keinen Umständen entdeckt zu werden. Malfoy hatte dort von ihrem Plan mitgekriegt, Norbert los zu werden.
Dass er sie bisher noch nicht verraten hatte, glich einem Wunder. Aber er hatte vermutlich keine handfeste Möglichkeit, sie mit dem Drachen in Verbindung zu bringen.
Und darum ging es ihm ja. Sie mit dem Besitz oder vielmehr Vertuschung eines Drachen zu belasten und damit aus der Schule rausgeworfen zu bekommen, oder sogar noch schlimmeres. Hagrid war ihm da anscheinend egal.
Deswegen würde Malfoy beschlossen haben, sie irgendwie auffliegen zu lassen. Dessen waren sie sich sicher.
Zuerst waren sie so erleichtert gewesen, als sie mit Ron's Drachenwärter Bruder Charlie, vereinbart hatten, dass er dafür sorgen könnte, Norbert zu ihm nach Rumänien bringen zu lassen. Doch jetzt hatte er den Brief von Ron's Bruder Charlie gelesen. Er wusste also, wo und wann sie Norbert los werden würden.
Die Idee, trotzdem den Plan durchzuziehen, hatte Lucy für völlig verrückt gehalten, aber Harry war überzeugt von ihrem Vorteil mit dem Tarnumhang gewesen.
"Wir haben den Tarnumhang. Malfoy weiß nichts davon", hatte er gesagt.
Tolles Vorteil. Jetzt tat Lucy zumindest der Rücken weh, so wie sie die ganze Zeit hatten laufen müssen.
Sie musste jedoch zugeben, dass der Tarnung sie erstaunlich gut davor gerettet hatte, erwischt zu werden. Gerade eben noch war Malfoy von Professor McGonagall erwischt worden, während sie allesamt unentdeckt geblieben waren. Natürlich war das wie ein persönlicher Gewinn für sie gewesen und waren schadenfroh gewesen.
Normalerweise war Lucy ja nicht so der vorsichtige Typ. Sie musste jedoch stark aufpassen. Bisher hatte sie immer nur Glück gehabt, nachts rumzuschleichen und nicht erwischt zu werden, hatte Lyanna ihr eingeprägt. Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, konnten sie sich immer noch nicht erlauben. Sie war schon wütend genug gewesen, als sie von dem Drachen erfahren hatte. Und es wäre bestimmt schlimmer gekommen, wenn sie nicht noch immer völlig beschäftigt mit ihrem Wahn wäre.
Jetzt bestand jedoch eine Ausnahme. Wie Harry nämlich auch angemerkt hatte, war es zu kurzfristig gewesen, den Plan abzusagen und das dann auch schnell genug an Charlie's Freunde weiterzuleiten.
Aufgeregte Laute drangen aus dem Korb und hallten durch die Nacht. Anscheinend hatte Norbert jetzt auch den Brandy entdeckt.
Als in weiter Ferne sich eine Formation an Besen anbahnte, wurde es Lucy auch schwer ums Herz. Jetzt konnte sie auch Hagrid's Trauer verstehen.
Diese kleine Kreatur würden sie vermutlich nie wieder sehen. Wann war man denn schon mal in Rumänien. Und selbst wenn, war es wohl kaum möglich, legal gefährliche Drachen an einem der wenigen Orte aufzusuchen, wo sie erlaubt waren.
So viele verlorene Möglichkeiten über Drachen aus erster Hand zu lernen. Vielleicht würde sie ja eines Tages doch die Chance haben. Wen interessierte denn schon, was das Gesetz da verschrieb. Wenn sie sich in Rumänien Gefahren unterziehen würde, wäre das ja wohl ihr Problem.
Harry und Hermine würden ihre Gedanken vermutlich gar nicht nachvollziehen können. Alleine der Ausdruck von Erleichterung, sobald sie Norbert übergeben hatten, sagte schon alles.
Kurz noch halfen sie, an Norbert ein kleines Geschirr zu befestigen, sahen den Besen hinterher und wandten sich dann ab.
Die Stimmung war viel ausgelassener, als wäre ihnen allen ein große Last von den Schultern gefallen.
Beschwingt gingen sie die Treppe hinunter zum Korridor und fühlten sich unbesiegbar.
"Na sieh mal einer an. Da kriegt wohl jemand Ärger...", begrüßte Filch sie aus der Dunkelheit.
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Through The Ages - A Harry Potter Story
RomansaDer Sommer der ihr Leben verändern würde, der eine Sommer von dem sie immer geträumt haben. Ein Urlaub in London. Sie hätten wissen sollen, dass im Leben nichts so kommt wie man es sich vorstellt. Nicht im Ansatz. alle Urheberrechte sind der Erschaf...