Ich bin stolz auf dich Kai

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POV: Kai

Nervös ging ich im Wohnzimmer auf und ab. Heute war der Tag gekommen. Der Tag von dem ich mich schon so lange fürchtete. Ich sollte mit dem Psychologen reden. Dr. Elias Braun. Der Name hatte sich in mein Gehirn gefressen. Was ist, wenn die Aussagen der Leute gar nicht stimmten und er in Wirklichkeit ganz anders ist. Er könnte doch alles einfach nur vorspielen. Ich will nicht mit ihm reden. Er wird doch gleich sein wie es alle anderen vor ihm auch schon waren.

„Kai, mach dir nicht so viele Gedanken", sagte Jule besorgt, doch ich ignorierte ihn und ging weiter im Raum auf und ab.

Er kam auf mich zu und nahm meine zitternden Hände in seine.

„Hey Harvey. Das wird schon, wir sind das zigmal durchgegangen. Vertrau mir".

Entschuldigend schaute ich ihn an. Ich konnte doch auch nichts dafür, dass ich so panische Angst vor Psychologen hatte. Ich hatte es mir nicht ausgesucht.

Beruhigend strich der Blondschopf mir mit einer Hand über den Rücken und mit der anderen hielt er weiterhin meine Hand fest.

„Es wird Zeit". Ängstlich schaute ich ihn an.

„Was wenn er doch zu weit geht? Was mache ich dann?"

„Das wird er nicht Kai und außerdem bin ich doch mit im Raum. Du bist sicher".

Ich versuchte mich zu beruhigen, was mir aber nicht wirklich gelang. Wir machten uns auf den Weg zum Auto, um in das Psychologische Zentrum und Gutachten von Dr. Braun zu fahren. Allein der Name des Gebäudes bescherte mir Gänsehaut.

Jule öffnete die Tür des großen bläulichen Gebäudes. Von außen schaute es aus, wie ein ganz normales Gebäude. Von innen merkte man, dass es dies nicht war. Die Gänge waren weiß und Leute liefen in Kitteln durch die Gegend. Unmittelbar nach dem Eingang stand ein Tresen. Vermutlich die Rezeption. Jule ging sofort auf diese zu, ich jedoch hielt mich etwas im Hintergrund auf. Mein Körper konnte nicht ganz verarbeiten, wo ich war. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich so ein Gebäude jemals noch einmal betreten würde. Ich wollte es nicht und ich bin mir auch nicht sicher, ob das überhaupt eine gute Idee war.

Als mich etwas von der Seite berührte, zuckte ich stark zusammen.

„Harvey es ist alles gut. Komm, wir müssen in einen anderen Stock fahren. Die nette Dame zeigt uns den Weg".

Ich nickte leicht und sah die Frau vor mir an. Sie strahlte Freundlichkeit aus und lächelte mich warm an. Ich war jedoch nicht im Stande, um ihre Geste irgendwie zu erwidern, also folgte ich ihr einfach nur stumm und versuchte, mich irgendwie zu beruhigen.

Im vierten Stock angekommen, stiegen wir aus dem Fahrstuhl aus und Lisa, so wie sie sich uns vorgestellt hatte, sagte, wir sollten es uns im Wartezimmer gemütlich machen und warten, bis wir aufgerufen werden.

Zögerlich folgte ich Jule, der schon vorgegangen war. Ich war froh, dass er mir den Raum gab, denn ich brauchte und mich nicht zu irgendetwas zwang.

Wir saßen nicht lange, als ein Mann vor uns stand, um uns mitzuteilen, dass Dr. Braun im Zimmer mit der Nummer zwei auf mich wartete. Jule nickte ihm zu und daraufhin ging der Mann. Ich atmete tief durch. Meine Hände zitterten schon wieder unkontrolliert und ich schob die Ärmel meines Pullis noch weiter nach vorne bevor ich aufstand, um mich mit dem gebürtigem Bremer auf den Weg zu machen.

„Du packst das Kai, glaub mir", flüsterte er mir ins Ohr.

Vor der Tür mit der Zahl zwei blieben wir stehen. Ich hatte Angst die Tür zu öffnen. Aber ich wollte nicht schwach herüber kommen, also bewegte ich meine zitternde Hand langsam zum Türgriff, doch bevor ich diesen erreichen konnte, spürte ich eine Hand auf meiner.

„Lass dir Zeit Kai. Du musst dich nicht dazu zwingen die Tür jetzt aufzumachen, wenn du noch nicht bereit bist. Und ich sehe, dass du das noch nicht bist. Es ist in Ordnung, wenn wir noch ein paar Minuten hier stehen bleiben", ermutigend schaute er mich an.

Langsam zog ich meinen Hand zurück und steckte diese in die Taschen meines Pullovers. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und atmete erneut tief ein. Ich musste versuchen mich zu beruhigen. Ich hatte es so weit geschafft, also werde ich diesen Schritt auch noch schaffen.

Es sind bereits einige Minuten vergangen, als ich meine Hand ein zweites Mal ausstreckte und dieses Mal etwas ruhiger die Tür öffnete. Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen, bis ich ganz in den Raum schauen konnte. Direkt rechts von mir befand sich ein großes schwarzes Sofa, davor war ein blauer Wuschelteppich ausgelegt. Neben der Couch standen ein Tisch und ein Wasserspender. In etwas entfernter Position befand sich ein Stuhl. Er hatte die gleiche Farbe wie das Sofa. Auf den Seiten standen Schränke mit Glasscheiben. In den meisten befanden sich Sammelstücke aus einer Serie, die ich nicht kannte. Aber sie wirkten beruhigend auf mich. An den Wänden hingen Bilder. Die Motive sind immer unterschiedlich, aber sie passten in irgendeiner Weise zusammen.

Doch der Psychologe war nirgendwo zu sehen.

„Sind wir falsch?", fragte ich etwas unsicher. Erst jetzt merkte ich, dass dies das Erste war, was ich gesagt hatte, seitdem wir aus dem Haus gegangen sind.

„Nein, er wird gleich kommen", sagte Jule und lächelte mich leicht an. Doch ich war nicht in der Lage um dies zu erwidern.

Jule hatte, wie so oft, Recht und kurze Zeit später betrat ein Mann den Raum. Ich erkannte ihn und sah, dass es Dr. Braun war. Auf meinem ganzen Körper verbreitete sich eine Gänsehaut und ich begann wieder stärker zu zittern. Ebenfalls merkte ich, dass meine Atmung unkontrollierter wurde. Jule merkte dies und sah hilfesuchend zum Psychologen. Die beiden redeten etwas, aber ich konnte nicht verstehen, was sie sagten. Erst als der Blondschopf unmittelbar vor mir stand, registrierte ich, dass er sich überhaupt bewegt hatte.

„Ganz ruhig. Setz dich Kai". Ich tat, was er von mir verlangte, und lehnte mich in das Sofa.

„Schau mich an. Wir atmen jetzt zusammen okay? Ich zähle bis vier und dann atmest du ein und so weiter, verstanden?". Leicht nickte ich.

Er begann zu zählen und ich machte, was er mir vor ein paar Sekunden gesagt hatte. Langsam merkte ich, dass meine Atmung wieder besser wurde und sah dankend zu Jule.

„So ist es gut", meinte er und legte eine Hand auf meinen Oberschenkel.

Vom Tisch neben uns nahm er ein Glas mit Wasser und reichte es mir. Ich trank einen Schluck und gab es ihm zurück. Er setzte sich neben mich und nahm meine Hand in seine. Leicht drückte ich diese.

„Herr Havertz. Es ist schön zu sehen, dass Sie den Weg hierher gefunden haben. Sie können stolz auf sich sein, das Schaffen nicht viele", er lächelte mich leicht an. „Ich weiß, es wird für Sie nicht einfach sein mit mir, einem Wildfremden, zu reden, aber ich weiß, dass Sie auch das Schaffen werden".

Ich starrte ihn einfach nur an, da ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte.

„Und fühlen Sie sich von mir bitte nie unter Druck gesetzt. Sie werden mit mir reden, wenn Sie so weit sind".

„K-können Sie mich duzen?", fragte ich ängstlich, während ich Jules Hand drückte, welcher mich anlächelte.

„Natürlich kann ich das, aber bitte duze mich dann auch". Ich nickte. „Das freut mich, der erste Schritt ist getan".

Nach einer Stunde wurden wir entlassen. Jule schüttelte die Hand von Dr. Braun, während ich nur stumm an ihm vorbei lief, ihm aber in die Augen schaute. Die restliche Zeit hatte ich nichts mehr gesagt und ihm nur mehr zugehört. Er hat viel über sich erzählt und einige Fälle, die er bearbeitet hat. Auch, wie er weitervorgehen will und wann der nächste Termin sein wird. Bereits vor dem Treffen wurde vereinbart, dass wir am Anfang nur einmal die Woche zu ihm gehen werden, damit ich mich an ihn und alles gewöhnen konnte.

„Ich bin stolz auf dich Kai", sagte Jule, als wir im Auto saßen. Er legte eine Hand auf meine Schulter: „Du hast das heute so gut gemacht".

„Ich bin doch nur da gesessen und habe ihn angestarrt", meinte ich wahrheitsgemäß.

„Es ist viel mehr als das Harvey und das weißt du selbst auch", er lächelte mich an und fuhr los.

Kai am Limit (Kai Havertz und Jule Brandt ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt