~15~ Du bist ein Werwolf

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Am Abend schob mir jemand Essen unter der Zellentüre durch, doch ich verweigere es trotzig. Sollte so meine Zukunft aussehen? Eingesperrt in einer Zelle zwischen riesigen Wölfen?

So kann meine Zukunft nicht aussehen. Während mich die Gedanken in den Wahnsinn treiben, falle ich irgendwann in einen unruhigen Schlaf. Immer wieder wache ich auf, weil ich das gefühlt habe, Schritte gehört zu haben. Doch nie kann ich jemand sehen.
Der erste Mensch der sich mir zeigt ist Noah, der mit einem Tablet vollgestellt mit Essen, vor meiner Zellentüre stehen bleibt. Sein nachdenklicher Blick bleibt an dem Tablet von gestern Abend hängen, dass ich nicht angerührt hatte.
"Wieso isst du nichts Luana?", Tadelt er mich, aber in seiner Stimme ist ein kleiner Funke Besorgnis heraus zu hören.
"Ich habe keinen Hunger", erwidere ich nach wie vor trotzig. Die denken doch wohl nicht, dass ich mich von denen einsperren lasse und mir das einfach so gefallen lasse.
"Du musst aber was essen. Wir wollten nicht das du stirbst! Außerdem werden die nächsten Tage, sobald wir etwas mehr über deine Vergangenheit herausgefunden haben sehr anstrengend für dich werden!", Erklärt er.
"Ach ja? Und warum? Lasst ihr mich dann hier raus?", Frage ich höhnisch, ich hatte die Hoffnung schon verloren hier je wieder raus zu kommen.
"Natürlich kommst du hier wieder raus. Unsere schnellsten Wölfe sind auf dem Weg in deine alte Heimatstadt und versuchen alles über dich heraus zu finden. Zudem wird deine Wohnung auf den Kopf gestellt, da wir den Brief deiner Eltern suchen. Sobald wir mehr über dich wissen, lassen wir dich hier raus. Zumindest wenn du keine Bedrohung für uns darstellst", meint Noah ruhig. Er schiebt mir das frische Tablett unter der Türe durch und zieht das Alte zu sich.
"Ach und wie sollte ich bitte eine Bedrohung für euch darstellen?", Frage ich Noah höhnisch. Ich mustere ihn. Ich hätte niemals eine Chance gegen ihn,er ist kräftiger und schneller als ich und er hat noch andere Verbündete hier, ich bin ganz alleine.
"Ich erkläre es dir, sobald die Zeit gekommen ist Luana. Bitte übe dich noch ein wenig in Geduld und sobald ich dir mehr verraten darf, tue ich das", antwortet Noah mit einer Ruhe, die mich wütend macht. Ich rutsche aus dem Bett und trete zum ihm an die Gitterstäbe.
"Und wie lange soll das dauern? Ihr könnt mich doch nicht einfach hier einsperren. Was willst du Madlin morgen in der Schule sagen? Sie macht sich bestimmt Sorgen nachdem ich bei der Jagd einfach so verschwunden bin!", Fahre ich ihn wütend an. Doch es scheint ihn kalt zu lassen. Gelassen sieht er aus mich herab und erwidert: "Wenn du ganz viel Glück hast, dann haben wir bis heute Abend alle Infos zusammen und du kannst morgen in die Schule gehen. Wenn nicht ist das auch nicht schlimm, ich habe bereits alles durchdacht."
Ich komme vielleicht noch heute Abend hier raus? Fassungslos schaue ich ihn an, Freude steigt in mir auf. Scheinbar sieht mein Leben doch nicht so aus!
"Ich muss jetzt zurück, ich würde dir schleunigst raten etwas zu essen Kleines", sagt er und deutet auf das Tablet. Ich will mich darüber beschweren, dass er mich kleiynes nennt, doch schon dreht er sich um und verlässt das Kellerloch. Ich schnappe mir das Tablet und trage es zu meinem Bett. Mit dem Wissen, dass ich hier bald raus komme, genieße ich hungrig das Essen und warte.

Allerdings muss ich mich länger gedulden als von Noah angekündigt. Denn am Abend lässt mich niemand gehen. Und auch am nächsten Morgen nicht. Mir wird nur immer wieder Essen in die Zelle geschoben, woraus ich schließen kann, dass das Gespräch mit Noah wohl schon zwei Tage vorbei sein muss. Frustriert hatte ich kein Essen mehr angerührt und doch gab ich die Hoffnung nicht auf und fragte jeden der an meine Zelle kam, wann ich denn raus dürfte. Doch nie erhielt ich eine Antwort.

Zum zweiten Mal heute höre ich jemanden die Treppen runter kommen. Bestimmt bringt die Person mein Mittagessen. Mein Blick fällt auf das volle Tablet vom Frühstück. Mein Magen knurrt, beim Anblick des Essens. Doch ich bleibe standhaft. Entgegen meiner Erwartungen steht Noah an der Zellentüre und mustert mich. Müsste er nicht in der Schule sein?
"Komm! Ich soll dich zu meinem Vater bringen", fordert er mich auf und schließt die Türe auf. Unsicher stehe ich auf, komme ich jetzt endlich hier raus? Ich würdige Noah keines Blickes während ich durch die Türe trete. Er soll ruhig merken, dass ich noch sauer auf ihn bin, nachdem ich viel länger eingesperrt war, als er Vorhergesagt hatte.
Ich bleibe neben ihm stehen und er packt meinen Arm, als hätte er Angst, dass ich weglaufen könnte. Dann führt er mich wieder ins Haus und in den Raum mit dem Thron. Wie auch das letzte Mal sitzt Mr. Morello in dem Thron und mustert mich eingehend, bevor er zu reden beginnt: "Wie ich hörte, hast du die letzten Tage sehr wenig gegessen. Hat dir das Essen nicht geschmeckt?"
Unsicher schüttel ich den Kopf.
"Wieso hast du dann nichts gegessen?", Möchte er ruhig wissen.
"I-ich hatte keinen Hunger", bringe ich unruhig hervor.
"Ich hoffe das ändert sich jetzt", sagt er und es ist mehr eine Bitte.
Als ich nichts erwiedere fährt er fort: "Nun gut, dann kommen wir mal zum Wesentlichen. Meine Wölfe haben dein altes Zuhause und die gesamte Stadt auseinander genommen. Die Wölfe wussten wohl wirklich nicht, dass du existierst. Aus irgendeinem Grund, haben deine Eltern dich dem Rudel verschwiegen. Wir konnten nicht herausfinden wieso, aber es tut auch nichts mehr zur Sache, schließlich sind sie alle tot. Wir haben herausgefunden, dass du vor kurzem Geburtstag hattest, ist das richtig?"
"Ja, am 18. Mai", gestehe ich. Irgendwas hat dieser Mann an sich, dass mich zwingt ihm die Wahrheit zu sagen.
"Und wie alt bist du da geworden Luana?", Fragt er weiter.
"Achtzehn Mr. Morello", antworte ich ihm.
"Das habe ich mir schon gedacht. Und bitte nenn mich Nathan", bittet er mich. Ich nicke.
"Nun gut Luana, wir haben genug Beweise gefunden um deine Geschichte zu glauben. Deine Eltern haben das Werwolf Dasein vor dir verschwiegen. Und da dein gesamtes Rudel ausgelöscht wurde möchte ich dir anbieten in unser Rudel zu kommen. Bestimmt war das auch der Grund, wieso dich deine Eltern her geschickt haben. Denn unwissentlich einen Werwolf in sich zu tragen ist gefährlich und fördert viele Opfer", erklärt mir Nathan. Mein Kopf schmerzt von den ganzen Informationen, die ich gerade bekommen hatte. Meine Eltern haben mich absichtlich zu den Wölfen geschickt? Weil sie auch Werwölfe sind? Und... Und bin ich auch ein...
"Bin ich auch ein Werwolf?", Frage ich entgeistert.
"Du bist nicht nur ein Werwolf, du bist ein Alpha und noch dazu ist dein Wolf ein Turmalin. Du bist wahrscheinlich einer der stärksten Werwölfe die gerade Leben ", lacht Noah und verwirrt mich damit. Ein scharfer Blick seines Vaters bringt ihn zum Schweigen.
"Ich bin mir sicher, dass das gerade alles sehr viel ist für dich. Gerne bilden wir dich aus, so wie unsere Kinder auch. Wir schaffen ein Band zwischen dir und deinem Wolf und dafür wirst du ein Teil unseres Rudels. Wenn du das nicht möchtest, dann müssen wir dafür sorgen, dass du sehr weit weg von uns ziehst, so dass du keine Gefahr für uns darstellst. Es liegt an dir. Du musst es auch nicht sofort entscheiden. Aber ich muss dich weiter einsperren, bis du dich entscheidest", beschließt Nathan. Sie wollen mich wieder einsperren? Frustriert sehe ich zu Noah, doch dieser hat seinen Blick stur auf seinen Vater gerichtet.
"Ich würde dich gerne zu einem Essen mit mir, meiner Frau und Noah einladen, bevor du zurück in die Zelle musst. Hast du Hunger?", Fragt er etwas völlig offensichtliches. Ich nicke und Nathan wendet sich an Noah: "Noah, sag bitte deiner Mutter Bescheid und schau, dass alles organisiert wird."
"Natürlich Vater", ergibt sich Noah und verlässt den Raum. Es ist ein komisches Gefühl mit Nathan alleine zu sein. Seine Macht umgibt mich und hüllt mich ein, ich fühle mich ungeschützt und hilflos. Könnte ich jeden Tag mit so jemandem Kontakt haben?
"Glaub mir, es ist alles nicht so schlimm wie es scheint. Deine Eltern haben eine gute Entscheidung getroffen, als sie dich hier her geschickt haben. Es gibt auch Wolfsrudel, die dich sofort vernichtet hätten, weil du zu mächtig bist. Aber wir sind gerne bereit dich aufzunehmen. Wir sehen dich als Bereicherung nicht als Bedrohung", erzählt Nathan. Ein wenig ungläubig sehe ich ihn an. So ganz, kann ich das nicht glauben.
Noah reißt die Türe auf und unterbricht damit unsere Unterhaltung.
"Ich gehe schon mal vor, ihr könnt dem nächst nach kommen Noah", wendet sich Nathan an Noah und steht auf. Noah nickt und Nathan verlässt verlässt den Raum. Irritiert sehe ich ihm nach. Erst als die Türe ins Schloss fällt, bemerke ich, dass ich nun mit Noah alleine bin. Eine unangenehme Stille macht sich bemerkbar. So viel steht zwischen uns, unsere Auseinandersetzung auf der Party, das er Kristall ist, sein ignorieren auf der Party und so vieles mehr. Ich finde keine Worte, am liebsten würde ich mich entschuldigen und ihn gleichzeitig anschreien dafür, dass er so gemein zu mir war. Noah und ich mustern uns, bis es Noah endlich schafft die Stille zu brechen: "Ich hoffe dir ist bewusst, dass du den Kontakt mit Valentin nun abbrechen musst. Es ist zu gefährlich mit einem Wolfsjäger wie ihm so viel Kontakt zu haben!" Na toll. Das ist alles was er zu sagen hat? Sauer sehe ich ihn an. Die Worte sprudeln nur aus mir heraus: "Ach ja? Ich denke das kann ich weiterhin sehr gut selbst entscheiden! Ich muss ihm ja nicht erzählen, dass ihr Werwölfe seid! Ich mag ihn und ich lasse mir von dir nicht verbieten Kontakt mit ihm zu haben!"
Gekränkt sieht mich Noah an, dann fasst er sich und antwortet: "Mein Vater wird dir den Kontakt verbieten! Es ist zu gefährlich! Auch wenn du es ihm nicht sagst, du kannst deine Verwandlungen noch nicht beherrschen. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis du dich ausversehen vor ihm verwandelst und er versucht dich zu töten. Ich will dir nur helfen Luana!"
"Ich lasse mir von niemandem verbieten wen ich treffe! Außerdem habe ich mich noch nie verwandelt. Wieso sollte ich mich vor Valentin verwandeln?", Entgege ich aufgebracht.
"Siehst du? Das ist das Problem, du merkst noch nicht Mal wenn du dich verwandelst. Du hast dich schon mindestens zwei Mal verwandelt und mit deinen unkontrollierten Verwandlungen bringst du uns alle in Gefahr. Wenn das Dorf herausfindet, dass die Schattenwölfe in Wahrheit Werwölfe sind, dann wird das einen Krieg nach sich ziehen, der zu viele Opfer fordert. Unschuldige werden sterben. Jeder der sich irgendwie komisch verhält wir getötet werden. So wie damals im Mittelalter, willst du das wirklich?", Erzählt mir Noah überzeugend.
"Willst du mir etwa erzählen die Geschichten von damals sind wahr?", Frage ich geschockt.
"Natürlich sind sie wahr. Und es hat eine Ewigkeit gedauert, bis die Leute es als Mythen und Märchen anerkannt haben. Seid dem sind wir vorsichtiger. Kein Mensch darf jemals erfahren, dass es Werwölfe gibt!", Gibt Noah von sich. Noahs eindringlicher Blick bringt mich um den Verstand und macht mich Sprachlos. Ich hatte gar nicht gemerkt, wann er mir so nahe gekommen war, aber jetzt steht er plötzlich nur wenige Zentimeter von mir entfernt und durchdringt mich mit seinem Blick. Und so stehen wir da gefesselt im Blick des anderen, dann wendet Noah seinen Blick ab und murmlet: "Wir sollten zum Essen gehen."
Ich nicke sichtlich verwirrt, noch nicht fähig einen klaren Gedanken zu fassen. Noah nimmt sanft, aber doch bestimmt meinen Arm und zieht mich mit sich. Wir verlassen den Raum und ich muss feststellen, dass das Haus viel größer ist, als ich dachte. Ich habe schon lange die Orientierung verloren, als Noah eine Türe öffnet und mich in den Raum hinein führt. Es ist ein großer Saal in dem Tische zu langen Tafeln zusammengeschoben wurden. Doch bis auf Nathan und eine Frau ist der Raum komplett leer. Wir laufen zu ihnen an den Tisch und setzen uns gegenüber von den beiden. Bei näherem betrachten erkenne ich die Frau. Daher war mir der Name Morello bekannt vorgekommen. Sie ist die Ärztin, die Valentin nach dem Wolfsangriff zusammengeflickt hatte und nun verstehe ich auch, wieso sie dafür besser geeignet ist, als ein normaler Arzt. Sie ist wahrscheinlich selbst ein Werwolf und kennt sich mit Werwolfwunden besser aus.
Auch sie musstert mich interessiert.
"Du bist das Mädchen von Valentin", stellt sie freundlich fest.
Ein Seitenblick zu Noah, zeigt mir, dass ihm diese Bezeichnung noch mehr missfällt als mir.
"Hi, ich bin Luana", Stelle ich mich lächelnd vor und hoffe so, die Bezeichnung von ihr zu verlieren.
"Schön dich kennenzulernen Luana. Ich bin Ava", stellt sich nun auch sie vor.

Im Schatten des WerwolfsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt