~18~ Rangordnung

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Ich versuche das Prickeln du bekämpfen, aber es breitet sich weiter und weiter aus, als es meine Fingerspitzen erreicht, verliere ich mich in einer nie gekannten tiefen Schwärze. Ich verliere die Besinnung und lasse Noah mit meinem Wolf alleine.

Blinzelnd öffne ich meine Augen. Mein ganzer Körper beebt vor Anstrengung, jeder Muskel, jede Sehne, einfach jeder noch so winzige Teil meines Körpers schmerzt. Ich schaue mich um und stelle fest, dass ich immer noch auf der Lichtung bin. Mein Blick bleibt an Noah hängen. Dieser steht vor mir, schaut in die andere Richtung und ist oberkörperfrei. Mein Blick verfängt sich in seiner nackten Haut, die von vielen Muskeln verziert wird.
"Luana? Willst du das T-Shirt?", Reißt mich Noah aus meinen Gedanken. Ich schaffe es meinen Blick auf das weiße Shirt zu richten, dass er mir entgegen hält. Erst jetzt realisiere ich, dass ich nackt bin. Dankbarkeit durchströmt mich, denn nun verstehe ich wieso mich Noah nicht ansieht. Mit schmerzerfülltem Stöhnen erhebe ich mich und nehme vorsichtig das Shirt aus seiner Hand. Ich ziehe es mir über den Kopf. Zu meinem Glück ist Noah größer als ich und das Shirt reicht mir  zumindest über den Po.
"Danke", hauche ich und Noah dreht seinen Kopf zu mir. Für einen Moment nimmt er sich die Zeit mich in seinem T-Shirt zu mustern.
"Wo ist meine Kleidung?", Frage ich, um seinen Blick wieder auf mein Gesicht zu richten.
"Sie wurde bei der Verwandlung zerrissen. Ich hätte nicht gedacht, dass du dich wirklich verwandeln würdest. Aber ich glaube dein Wolf wollte einfach nur meinen kennenlernen. Er war überhaupt nicht feindselig. Wir haben uns beschnuppert und dann hast du dich wieder zurück verwandelt. Scheinbar hat dein Wolf schon akzeptiert, dass er zum Rudel gehört", erzählt mir Noah.
Ich nicke einfach, nicht wissend, was ich darauf erwiedern sollte. Was hätte der Wölf den auch sonst machen sollen? Ihn angreifen?
"Ich bin sehr beeindruckt, dass du es trotz der schnellen Verwandlung geschafft hast mich zu warnen", lobt mich Noah und zaubert mir damit ein Lächeln aufs Gesicht.
"Danke. Es war nicht einfach. Mein Körper wollte mir erst nicht gehorchen. Ich weiß selbst nicht, wie ich es dann geschafft habe zu reden", antworte ich ihm ehrlich.
"Egal wie du es gemacht hast, du hast es geschafft. Ich würde gerne noch etwas probieren bevor wir wieder zurück gehen. Ich weiß, dass du dich gerade verwandelt hast und das bestimmt jeder Teil seines Körpers schmerzt, aber ich würde gerne probieren, ob du es schaffst die Kontrolle zu behalten und dich nicht zu verwandeln. Ich werde mich jetzt nochmal verwandeln und zu dir kommen. Ich möchte, dass du Bergkristall anfasst. Wenn du das Gefühl hast, dass das Prickeln zu viel wird, lässt du ihn los", fordert Noah. Nicht wirklich begeistert nicke ich. Ich sollte froh sein, dass sich Noah überhaupt die Mühe gibt mir zu helfen. Auch wenn er es nur tut, weil sein Vater es von ihm verlangt. Ich will einen guten Eindruck hinterlassen und nicht, dass sich Noah schon am ersten Tag über mich beschwert. Noah reicht mein Nicken als Bestätigung. Er läuft zum Waldrand und verschwindet zwischen den Bäumen. Für einen ganz kurzen Moment spiele ich mit dem Gedanken abzuhauen und dem ganzen Werwolf Zeug zu entfliehen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich mich in einen Wolf verwandeln kann. Ich habe das Gefühl, wenn ich diese Stadt verlassen würde, dann könnte ich einfach mein normales Leben weiter führen. Weit weg von Wölfen, Werwölfen und Wolfsjägern.
Etwas weißes blitzt zwischen den Bäumen hervor und lenkt meine Aufmerksamkeit auf sich. Gemächlich trottet der weiße Wolf in meine Richtung. Nervös spiele ich an meinem Shirt. Ich will mich nicht nochmal verwandeln. Meine Schmerzen sind jetzt schon kaum ertragbar, wie würde das wohl sein, wenn ich mich nochmal verwandeln würde?
Der Wolf bleibt vor mir stehen und ich strecke wiederwillig meine Hand nach ihm aus. Als ich seinen Kopf berühre durchzuckt mich das Prickeln und ich reiße meine Hand weg von dem Wolf. Das Prickeln hört sofort wieder auf. Zaghaft strecke ich die Hand erneut aus. Das Prickeln durchfährt mich wieder, als ich den Wolf berühre und ich kann plötzlich wieder besser hören. Ich höre dröhnende Schritte hinter mir, drehe mich um, kann aber niemanden sehen. Scheinbare ist die Person noch weiter weg. Ich sehe wieder zurück zu dem Wolf, ohne meine Hand von ihm zu nehmen. Das Prickeln ist zwar da, aber es breitet sich nicht weiter in meinem Körper aus. Ich kann es nur in dem Arm und der Hand, die den weißen Wolf berühren und in meiner Körpermitte spüren. Standhaft bleibe ich stehen und warte darauf das der Wolf sich bewegt. Doch dieser lässt sich Zeit. Ich hatte die Schritte schon fast wieder vergessen, als das dumpfe pochen plötzlich ausbleibt. In dem Moment wo ich das realisiere, ruft schon eine Stimme viel zu laut: "Was macht ihr denn da?" Ich zucke zusammen, von der plötzlichen Lautstärke und drehe mich zu der Stimme. Ich erkenne den Jungen wieder, weiß aber nicht mehr, wie er heißt. Unsicher sehe ich neben mich zu dem Wolf, doch dieser ist verschwunden.
"W-wir. Ich versuche eine Verbindung zu meinem Wolf herzustellen?", Frage ich mehr als das ich es weiß. Der Junge kommt lachend näher. Mit gefällt seine Reaktion nicht. Hilfesuchend sehe ich hinter mich, aber ich kann weder den Wolf noch Noah sehen.
"Und das macht ihr während du halb nackt bist? Das hat Noah sicher gut durchdacht. Vielleicht sollte ich dir auch Mal helfen eine Verbindung zu deinem Wolf herzustellen. Scheint, als könnte man dabei viel Spaß haben", höhnt der braunhaarige. Mir verschlägt es die Sprache. Will der uns etwa unterstellen, das wir...
"Alex! Was fällt dir ein? Überleg dir gefälligst, wie du mit ihr redest!", Zischt eine dunkle Stimme hinter mir. Erleichterung durchflutet mich, als Noah neben mich tritt.
"Wieso denn? Ich kann dich verstehen, versteh mich nicht falsch. Ich habe sie nackt gesehen, ich würde das gleiche versuchen wie du!", versucht Alex ihm klar zu machen. Halt Stopp, er hatte mich nackt geseh...
"Alex schweig!", Noahs knurren klingt kaum noch menschlich. Alex zuckt kaum merklich zusammen und senkt ergeben seinen Kopf.
"Tschuldigung, ich wollte dir nicht zu nahe treten", entschuldigt er sich, wobei ich mir nicht sicher bin, ob er es wirklich ernst meint.
"Was machst du hier?", Noahs Stimme hatte sich wieder normalisiert.
"Ich soll euch zum Essen holen. Nathan möchte mit euch essen und ein wenig über ihre Fortschritte erfahren. Ich hoffe es gibt welche", spielt er schon wieder auf die wenige Bekleidung an. Noah neben mir spannt wütend seine Muskeln an, sagt aber nichts.
"Dann wollen wir ihn Mal nicht warten lassen. Erste Lektion für dich Luana, gehorche immer deinem Alpha. Fordere ihn nicht heraus! Bei uns ist es so, dass wir uns nur bis zu einem gewissen Punkt auflehnen können gegen den Alpha. Wenn er es möchte und uns etwas in einem woylf ähnlichen knurrenden Tonfall befiehlt, dann übernimmt der Wolf in uns und wir müssen gehorchen. So wie Alex gerade. Ich bin zwar nicht der Alpha, aber als ältester Sohn des Alphas, ist mein Rang höher, als der von allen anderen Rudel Mitgliedern. Vielleicht hast du schon mal etwas von der Rangordnung in einem Wolfsrudel gehört. So was gibt es bei uns auch. Jeder hat einen Rang und den Menschen, die einen höheren Rang haben, also auch stärker sind, unterwirft man sich. Man muss auf sie hören und bis zu einem gewissen Punkt ihnen gehorchen", erklärt mir Noah, während wir uns durch die Büsche schlagen.
"So wie gerade eben. Als Noah mir befohlen hat zu Schweigen. Ich musste ihm gehorchen. Mein Körper, hätte nicht zugelassen, dass ich etwas anderes sage, als mich zu entschuldigen und mich augenblicklich zu unterwerfen, fügt Alex hinzu und sieht etwas sauer zu Noah, der seinen Blick nicht zu bemerken scheint.
"Ganz genau. So ist es sehr schwer die Rangordnung in Frage zu stellen. Besonders die Alpha Rolle einzunehmen ist so gut wie unmöglich, wenn man nicht der älteste Sohn des Alphas ist. Es brauchte eine enorme Wiederstandskraft und Selbstbeherrschung. Man müsste sich über seinen Wolf hinwegsetzen und damit riskieren, die Verbindung zu seinem Wolf zu zerstören. Soweit es mir bekannt ist, hat es bisher auch erst ein Mensch geschafft, seinen Alpha zu stürzen. Und das ist schon lange her!", Erzählt Noah weiter. Ein Ast schlägt mir ins Gesicht, doch ich nehme es kaum wahr, zu sehr bin ich damit beschäftigt, zu verstehen was Noah mir gerade erzählt hatte.
"Und wie bin ich Alpha geworden? Nathan meinte, meine Eltern wären Beta Wölfe gewesen?", Fällt mir ein.
"Du bist etwas besonderes. So einen Fall gab es noch nie. Dein Rudel wurde ausgelöscht und egal auf welchem Rang du davor warst, du steigst automatisch zum Alpha auf. Deshalb gibt es jetzt auch für uns eine völlig neue Situation, denn wir haben jetzt nicht mehr einen Alpha im Rudel sondern Zwei. Natürlich ist Nathan stärker als du und hat ein ganzes Rudel hinter sich stehen, wohingegen du niemanden hast. Aber trotzdem bist du ein Teil des Rudels und hast auf jeden Fall einen sehr hohen Rang. Welchen genau und wie sich die anderen Wölfe dir gegenüber benehmen, werden wir dann sehen, wenn es soweit ist", erklärt mir Noah geduldig. Ich nicke, auch wenn er es nicht sieht. Meine ganze Konzentration geht darin über ihm durchs Gestrüpp zu folgen. Mal wieder beneide ich ihn dafür, wie anmutig und elegant er zwischen den Ästen und Büschen hindurch läuft, während ich sogar über die Steine am Boden stolpere.
Erleichtert atme ich auf, als sich der Wald lichtet und ich das riesige Haus entdecken kann. Noahs Schritte werden langsamer. Alex verabschiedet sich von uns und Noah führt mich in den Raum, in dem wir schon mal zusammen gegessen hatten.
Heute ist allerdings nur Nathan da. Von Eva fehlt jede Spur. Noah lässt sich gegenüber von seinem Vater nieder und deutet auf den Stuhl neben sich. Ich setze mich und erwidere Nathan's freundliches Lächeln. Er deutet auf das Essen vor sich und wir beginnen zu Essen.
Nach einer Weile fragt er: "Nun, wie ist es gelaufen?" Sein Blick ruht auf mir, doch ich sehe zu seinem Sohn, nicht wissend, was ich sagen soll.
"Es ist schwierig, da sie lange nichts von den Werwolf in sich wusste und die Veränderung in ihrem Körper nach der Erweckung ihres Wolfes nicht wahrgenommen hat. Aber wir sind auf einem guten Weg. Sie kennt nun das Gefühl, dass der Wolf und die Verwandlung in ihr auslösen. Jetzt arbeiten wir daran, dass sie ihren Wolf ohne Hilfe spüren lernt und beginnt die Verwandlung zu verstehen und mit zu beherrschen. Ich versuche das sehr langsam anzugehen, da ich ihren Wolf nicht einschätzen kann", erklärt Noah unser weiteres Vorgehen.
Nathan nickt anerkennend: "Das hört sich sehr gut an. Heute Mittag brauch ich dich beim Rat, wir müssen das weitere Vorgehen mit den Wolfsjägern klären und ihren Wiedereintritt in die Schule planen."
Noah nickt pflichtbewusst.
"Wann darf ich wieder in die Schule gehen?" Frage ich hoffnungsvoll.
Nathan sieht unsicher seinen Sohn an.
"Ich denke, dass sollte Noah entscheiden, er kann dich am besten einschätzen und er wird auf dich aufpassen während der Schulzeit", erklärt Nathan seinen Hilfesuchenden Blick.
Noah scheint zu überlegen, bevor er antwortet: "Ich denke wir sollten noch ein wenig warten. Solange ich dich nicht gefahrlos berühren kann, wird es schwierig sein auf dich aufzupassen." Enttäuschung macht sich in mir breit, doch ich lasse nicht zu, dass sie es merken. Ich nicke einfach und füge mich meinem Schicksal.

Nach dem Essen verabschiedet sich Nathan von mir und Noah bringt mich zurück zu meiner Zelle. Wehmütig sehe ich zu ihm, als er die Zellentüre öffnet und hineindeutet. Geknickt trete ich ein, sofort durchflutet mich das Gefühl von Einsamkeit, dicht gefolgt von Traurigkeit. Ich will nicht mehr hier drin versauern. Ich will Madlin wieder sehen, will mit ihr über belanglose Dinge reden. Ich will Valentin wieder sehen. Ich will einfach etwas machen. Noah scheint meinen leidenden Blick zu bemerken. Denn er wendet sich nochmal zu mir und mustert mich genau.
"Was ist los? Wir haben heute viel erreicht, auch wenn sich das für dich vielleicht jetzt noch nicht so anfühlt", versucht er mir Trost zu spenden. Ich trete näher an die Gitterstäbe und schüttel den Kopf.
"Darum geht es nicht. Ich will nicht mehr hier drin sein. Ich will wieder in die Schule gehen. Ich fühle mich so einsam und nutzlos. Ich weiß, dass es nie wieder so wird, wie vor meiner Verwandlung. Aber ich will ein bisschen Normalität zurück. Sonst werde ich hier drin verrückt Noah", flehe ich ihn mit Tränen in den Augen an. Ich nehme sie gar nicht war. Ich weiß, dass er meine einzige Chance ist, hier bald wieder raus zu kommen. Für einen Moment wird sein Blick ganz weich und er hebt seine Hand auf die Höhe meines Gesichtes, so als wolle er die Tränen einfach wegstreichen. Doch dann besinnt er sich eines besseren und lässt seine Hand ruckartig wieder sinken. Sein Blick wird wieder emotionslos als er antwortet: "Das kann ich nicht tun Luana. Die Gefahr, dass du dich verwandelst ist einfach viel zu groß! Du würdest uns alle damit in Gefahr bringen."
"Bitte Noah. Ich habe es schonmal geschafft eine Verwandlung während dem Unterricht zu verhindern. Ich kann das schaffen. Ich werde alles tun, was du von mir verlangst, nur bitte lass mich in die Schule gehen. Ich werde verrückt, wenn ich hier weiterhin herum sitze, ohne etwas zu tun!", Flehe ich eindringlich. Meine Tränen laufen mir in Bächen die Wangen hinunter. Haltsuchend klammerte ich mich an den kalten Gitterstäben fest und warte auf seine Antwort. Noah atmet tief durch und lässt sich mit seiner Antwort Zeit.
"Also gut. Ich werde versuchen die andern davon zu überzeugen. Aber du wirst genau auf mich hören. Du wirst ohne zu hinterfragen genau das tun, was ich sage und zwar ohne zu zögern. Versprichst du mir das? Wenn du dir einen Fehler erlaubst könnte das schwerwiegende Folgen für dich und unseren ganzes Rudel haben!", Macht mir Noah sanft klar.
"Ja ich verspreche es!", Hauche ich erleichtert und spüre gleichzeitig eine enorme Last auf meinen Schultern. Ich darf diese Chance nicht vermasseln und muss immer das tun, was der von Stimmungsschwankungen getriebene Noah von mir will.

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Ich möchte mich an der Stelle auch Mal bei allen bedanken, die für meine Kapitel Voten oder sie Kommentieren. Es ist wohl das größte Lob und Kompliment für mich als Autor, wenn ihr das tut. Vielen Dank für alle die mich unterstützen!🥰☺️

Ich bin von meinem Campingurlaub zurück. Die Hälfte der Zeit war schlechtes Wetter, was wenn man Zelten ist nicht so angenehm ist. Die andere Hälfte war wenigstens gut genug, damit ich einen Sonnenbrand mit nach Hause genommen habe. 😅

Im Schatten des WerwolfsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt