~25~ Der Fehler

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*Warnung, dieses Kapitel enthält Gewalt und brutale Szenen. Wer dort was nicht lesen möchte, sollte das Kapitel überspringen*

Kurz überlegen ich weiterzuschlafen, aber ein weiteres Magen-Knurren macht mir klar, dass ich so nicht schlafen kann. Seufzend erhebe ich mich. Als ich ganz leise die Türe öffne, nehme ich eine Bewegung in Noahs Bett wahr.

Langsam drehe ich meinen Kopf und sehe auf einen verschlafenen Noah. Verwirrt mustert er mich.
"Was machst du?", seine Stimme ist noch rau vom Schlaf.
"Ich habe Hunger und wollte mir was zu Essen holen", gestehe ich leise.
Noah rappelt auf und mustert mich nachdenklich.
"Du verlässt das Zimmer Nachts nicht, ohne mir bescheid zu sagen! Wie kannst du Hunger haben, es gab doch so viel zum Abendessen", fragt mich Noah immer noch verwirrt.
"Ich weiß nicht. Aber ich habe extrem Hunger, irgendwie schon den ganzen Tag", antworte ich wahrheitsgemäß.
Zweifelnd sieht mich Noah an. Dann weiten sich plötzlich seine Augen: "Du hast schon den ganzen Tag Hunger?" Ich nicke irritiert.
"Klar! Dein Wolf hat Hunger. Wahrscheinlich hat er seit seiner ersten Verwandlung nichts mehr gefressen", fällt Noah auf. Er springt aus seinem Bett und mustert mich voll Tatendrang.
"Na, dann müssen wir wohl am besten jagen gehen", beschließt er. Und zieht sich ein Shirt über. Vor lauter Verwirrung, war mir gar nicht aufgefallen, dass er oberkörperfrei gewesen war. Nur in Shirt und Boxershorts bekleidet schlüpft er in Schuhe und bedeutet mir das gleiche zu tun. Zum Glück schlafe ich mit Oberteil und Hose seid ich hier bin. Zugegeben meine Hose ist etwas kurz, aber besser als nichts. Ich folge Noah leise durchs dunkle Haus. Er bewegt sich mit so einer Leichtigkeit durch die Dunkelheit, dass ich mir sicher bin, dass er seine Wolfssinne einsetzt. Ich versuche es auch, aber egal wie sehr ich mich bemühe etwas in der Dunkelheit zu sehen, sie lichtet sich nicht für mich. Mit einem dumpfen Knall stoße ich mit meinen Zehen gegen etwas Hartes. Leise stöhne ich auf und bleibe stehen.
"Was?", höre ich Noahs leise Stimme vor mir.
"Ich kann nichts sehen", gebe ich ärgerlich zurück. Eine warme Hand, greift nach meiner und zieht mich sanft nah an den Körper vor mir heran.
"Bleib dicht hinter mir", verlangt Noah leise und läuft los. Er hält mich so fest, dass ich gar nicht die Möglichkeit habe, mich weit von ihm zu entfernen, aber ich bin froh darüber, immer wieder berühren wir uns, und diese unerwarteten Berührungen machen es mir schwer, mich aufs Laufen zu konzentrieren.
Etwas verloren bleibe ich stehen, als mich Noah draußen los lässt. Der Mondschein lässt den Wald vor uns in einem angenehmen Dämmerlicht erscheinen. Unwillkürlich fröstel ich in der kalten Nachtluft, der Herbst, macht sich so langsam bemerkbar. Ich laufe Noah hinter her, der in den Wald hinein läuft. Nachdem das Haus hinter uns völlig in den Bäumen verschwunden ist, hält Noah an und mustert mich.
"Fühlst du dich sehr betrunken?", abschätzend sieht er mich an.
"Nein, nicht so sehr", antworte ich leicht irritiert, wieso interessiert ihn, ob ich betrunken bin?
"Ich hoffe, du lügst mich nicht an. Meine Mutter köpft mich, wenn dir in meiner Nähe noch etwas passiert. Halte an der Verwandlung fest und vergesse nicht, was dein Ziel ist. Denk immer daran, dass du dich fertig verwandeln musst. Es ist kein Problem, wenn du den Fokus kurz verlierst, aber dir muss wieder einfallen, was du tust", Noah sieht mich forschend an. Was will er nur von mir? Klar, ich bin noch kein Meister im verwandeln, aber ich habe es doch bisher immer gut hinbekommen.
Noah läuft ein paar Schritte von mir weg und entkleidet sich. Ich wende meinen Blick ab und folge seinem Beispiel.
Dann schließe ich die Augen und öffne mich der Verwandlung. Ich spüre wie mein Körper beginnt sich zu verändern und dann, ganz plötzlich beginnt sich alles zu drehen. Ich weiß nicht mehr wo oben und wo unten ist. Ich falle in ein Loch und verliere mich in der Verwandlung. Ich verliere jegliche Orientierung, daran wo ich bin und was ich mache und plötzlich verstehe ich Noahs Worte. Krampfhaft versuche ich die Kontrolle über die Verwandlung zurück zu gewinnen. Ich erinnere mich daran, was ich hier mache und das ich ein Werwolf werden möchte. Ich spüre durch einen Nebel, dass sich mein Körper weiter verändert. Doch als ich das erleichtert feststelle und für einen Moment nicht mehr an die Verwandlung denke, engleist sie mir erneut. Ich drehe mich durch ein Nichts, alles verschwimmt und verliert an Wichtigkeit. Nicht ist mehr bedeutend, ich könnte für immer in diesem sich drehenden Nichts bleiben. Noahs Worte schwirren durch meinen leeren Kopf und erinnern mich an die Verwandlung, ich fokusiere meine Gedanken wieder auf den Willen, die Verwandlung zu beenden. Und auch als sich mein Körper meinem Willen fügt, halte ich weiter an diesem Gedanken fest. Selbst als er der starke Verwandlungsschmerz ganz plötzlich einsetzt und mir die Luft raubt. Ich halte so lange an dem Gedanken fest, bis mich Noah aus meinen Gedanken reißt: "Du hast es geschafft, du bist verwandelt. Du bist doch etwas alkoholisierter, als du zugeben wolltest, kann das sein?" Ich öffne die Augen. Seine weiße Schwanzspitze schlägt abfällig durch die Luft. Eine Menge an Sinneserfahrung bricht auf mich ein, mein alkoholisierter Verstand kommt mit den ganzen Informationen, die mir meine Wolfssinne liefern nicht klar. Es fällt mir schwer einen klaren Gedanken zu fassen.
"Mir war nicht bewusst, dass es so schwer ist, sich alkoholisiert zu verwandeln. Oh.. wieso ist alles so laut und scharf, das ist voll anstrengend", am liebsten würde ich meine Ohren zuhalten, um mir ein bisschen Ruhe zu gönnen, aber als Wolf ist das wohl etwas schwer.
"Ja, das ist der Alkohol, geht mir genauso. Das sind keine guten Vorraussetzungen für deine erste Jagd, am besten jage ich und du schaust erstmal zu. Versuch dicht hinter mir zu bleiben. Zum Glück haben wir hier keine Fressfeinde, sonst wäre das fast schon lebensgefährlich, was wir hier tun", Noah hält schnüffelnd die Nase in den Wind und läuft los. Ich folge ihm, schaffe es aber nicht, einen Geruch wahr zu nehmen. Alles verschwimmt in meinem benebelten Gehirn. Also konzentrieren ich mich drauf Noah durchs Gebüsch zu folgen und versuche nicht zu laut dabei zu sein.
Nach kurzem hält der weiße Wolf vor mir an und sagt: "Wenn du weiter so laut herum trampeltst, verscheuchst du alles Essbare! Schau wo du hintrittst. Nutz deine Fähigkeiten!"
Ich folge ihm erneut und versuche dabei leiser zu sein, allerdings ist das nicht so leicht, da ich meine Fähigkeiten durch den Alkohol nicht nutzen kann. Überfordert tappe ich hinter ihm her und bin froh, dass sein leuchtend weißes Fell sich so gut von der Umgebung abhebt. Noahs Schritte werden langsamer. Er bewegt sich nun lautlos durchs Gebüsch. Er duckt sich in ein Gebüsch und legt sich auf den Boden. Langsam, darauf bedacht, ja keine Geräusche zu machen folge ich seinem Beispiel.
Wir sind am Rande einer kleinen Lichtung. Auf dieser Grasen ganz friedlich drei Rehe.
"Du bleibst hier, ich mache es alleine", sagt Noah ganz leise. Für einen Moment schnellt der Blick eines der Rehe in unsere Richtung, wir halten die Luft an. Nach dem es sich sicher ist, dass alles ruhig ist, grast es weiter. Noah läuft geduckt los. Er läuft tief ins Gras geduckt weiter. Doch sein weißes Fell verrät ihn sehr schnell. Die Rehe springen auf. Noah rennt los und springt auf eins der fliehenden Rehe. Sein Schwung und Gewicht reißen das Reh zu Boden. Er versenkt seine Zähne ihm Hals des Rehs, ein gequälter Laut dringt aus dessen Kehle, sofort bekomme ich Mitleid mit dem sterbenden Tier. Gleichzeitig läuft mir bei dem Duft nach frischem Blut das Wasser im Maul zusammen. Ich habe großen Hunger, in dem Moment indem ich meine Deckung aufgeben möchte und zu ihm treten will, durchdringt ein lauter Knall die ruhige Nachtluft. Erschrocken ducke ich mich tief auf den Boden. Mein Blick auf den weißen Wolf gerichtet, der zu wanken beginnt. Sein Fell färbt sich Blut rot und er sackt in sich zusammen. Zitternd versuche ich die Angreifer auszumachen. Doch meine benebelten Sinne, nehmen zwar einen menschlichen Geruch wahr, wollen mir aber nicht verraten, wo sie sind.
"Ich hab ihn erwischt", jauchzt jemand und sofort erkenne ich die Stimme.
"Kommt, das Fell dieses Wolfs bekommt einen Ehrenplatz in meinem Zimmer", nicht weit entfernt von mir tritt Valentin mit zwei Schatten zwischen den Bäumen hervor.
Ich muss was unternehmen. Sie halten ihre Waffen gesenkt, aber ich bin zu unerfahren. Was soll ich den schon machen? Ich kann sie schlecht alle drei umbringen, nur damit sie Noah nicht töten. Ich spiele mit dem Gedanken mich zurück zu verwandeln. Aber meine Kleider sind beim Haus und ich kann ihnen schlecht nackt gegenüber treten. Die drei gestalten laufen gerade wegs auf das tote Reh zu. Ich kann das Fell des weißen Wolfs nicht mehr sehen, hatte es Noah geschafft zu fliehen? Ganz langsam verlasse ich meine Deckung und robbe tief ins Gras gedrückt hinter den drei gestalten her. Ich bin froh, dass mein schwarzes Fell sich der Umgebung anpasst. Sich Valentin hatte wohl das verschwinden des Wolfs bemerkt.
"Wo ist der Wolf hin?", fragt Valentin verwirrt und rennt zu dem Reh, kurz davor bleibt er wie angewurzelt stehen.
"W-was?", stößt er schockiert aus.
Ich nehme den Duft von Blut wahr, der mir das Wasser im Maul zusammen laufen lässt, während ich immer näher robbe.
Valentin dreht sich zu seinen Schatten um. Und ich bleibe tief ins Gras gekauert liegen, dafür betend, dass es mich nicht sieht.
"I-ich habe doch auf den Wolf geschossen!", seine Stimme klingt gequält, während er zurück auf den Boden sieht. Und nun kann ich es auch sehen. Noah liegt in Menschengestalt nackt und blutverschmiert auf dem Boden. Irgendwas hatte bewirkt, dass er sich zurück verwandelt hatte.
"Das kann nicht sein, ich hab gesehen, wie du auf den Wolf geschossen hast", bestätigt ihm, einer seiner Begleiter.
"Aber er hat eine Schussverletzung, von dem Wolf ist nichts mehr zu sehen", meint der andere und deutet auf den schwach atmenden Noah. Meine Sorge um Noah steigt, ich weiß nicht zu welchem Entschluss die Jäger kommen würden. Aber Noah würde verbluten, wenn nicht bald etwas passiert. Ich muss ihn zurück zum Haus bringen. Nur wie? Die Jäger halten immer noch ihre Waffen in den Händen.
"Sollen wir ihn töten?", fragt der eine.
"Nein! Da ist Noah Morello, wenn das irgendwie raus kommt sind wir geliefert!", Valentin klingt entrüstet über den Vorschlag seines Schattens.
"Überleg doch Mal. Wenn er tot ist, würde niemand erfahren, dass wir es waren. Wenn er gerettet wird, kann er uns Verraten!", erklärt sich der Schatten. Ein tiefes Knurren ertönt aus meiner Kehle. Oh fuck... Die Jäger drehen sich blitzschnell in meine Richtung.
'Ich übernehme. Lass es zu' tönt durch meinen Kopf und bevor ich es begreifen kann, macht sich mein Wolfskörper selbstständig. Er rast los, schneller als ich es für möglich gehalten hätte und springt den ersten Jäger an. Dieser geht durch das Gewicht und den Schwung meines Körpers zu Boden. Mein Maul legt sich an seine Kehle, ich kann sein Blut durch die Adern fließen hören und merke was mein Wolf vor hat. Mit all meiner Willenskraft ziehe ich meine Schnauze von seinem Hals weg.
'Nicht töten!' Schreie ich in mich hinein. Bevor ich weiß, was passiert, landet mein Körper schon auf dem nächsten Jäger. Ein Knall zerfetzt die Nacht und mein Körper rollt über den Boden. Die Kugel schließt neben mir, da wo ich gerade noch gestanden hatte in den Boden und der dumpfe Aufprall hallt in meinen empfindlichen Ohren. Noch während ich realisiere wie ernst es die Jäger meinen und das sie mich wirklich töten wollen, macht der Wolf in mir weiter.
Knurrend springt er den, der geschossen hatte an, der durch die Wucht des Aufpralls seine Pistole fallen lässt. Erst als ich über ihm stehe, bemerke ich, dass es Valentin gewesen war, der auf mich geschossen hatte. Mein Körper springt weiter, keine Sekunde zu früh, denn ein neuer Schuss dröhnte durch die Nacht. Mein Wolf fixiert den Schießenden an und springt ihn an.
Mir wird klar, dass wir dieses Spiel ewig machen können, solange bis mein Wolf einen Fehler macht. Da er sie nicht töten darf, stehen sie immer wieder auf und schießen erneut auf uns. Auch mein Wolf scheint das zu verstehen. Er springt zu dem leblos da liegenden Noah. Er packt sein Bein und zieht ihn in schnellem Tempo mit sich. Wir rasen über die Lichtung. Noahs weiche Haut gibt unter den Zähnen, unseres festen Bisses nach und ich schmecke sein Blut. Wir haben den Rand der Lichtung fast erreicht, als ein neuer Schuss die Nacht zerreißt.
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Es wird spannender. ☺️

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Ich entschuldige mich für die Verspätung und versuche am Wochenende wieder pünktlich zu veröffentlichen.

Im Schatten des WerwolfsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt