~29~ Blutige Gemeinderatssitzung

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Trigger Warnung. Dieses Kapitel enthält detaillierte Gewalt. Wer so etwas nicht lesen möchte, sollte dieses Kapitel überspringen!

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Als wir endlich dort sind lasse ich meinen Blick unauffällig über den Schulhof schweifen, bis ich Sam findet. Er erwidert meinen Blick und schüttelt zu tiefst traurig den Kopf. Ich muss schlucken. Noah hatte es nicht geschafft heraus zu finden wo David ist. Würde kein Wunder mehr geschehen, würde Valentin noch heute Abend seinen Plan in die Tat umsetzen und es gab nichts mehr, was wir tun konnten.

Der Schultag rast vor sich hin und mit ihm steigt die Aufregung. Nach der Schule eile ich mit Sam zurück zum Waldhaus. Dort ist schon helle Aufruhr. Ein paar Rudelmitglied sind hier und diskutieren heftig miteinander. Sie alle scheinen sehr aufgeregt zu sein. Sam beteiligt sich fast augenblicklich am Gespräch, einer vor dem Haus stehenden Jungengruppe und lässt mich somit alleine stehen. Ich beschließe hoch in meins und Noahs Zimmer zu gehen, um ihn zu fragen was der Plan ist. Aber als ich die Türe öffne, ist das Zimmer leer. Ich hatte schon damit gerechnet, aber hatte trotzdem gehofft ihn hier anzutreffen. Sofort stürme ich nach unten und klopfe bei Nathan's Arbeitszimmer. Als er mich herein bittet, betrete ich das Zimmer. Sorgenfalten zerfressen sein Gesicht, als er mich erblickt.
"Gut das du hier bis Luana. Wir haben gerade beschlossen, dass wir alle zur Gemeindesitzung gehen. Jeder der dort nicht auftaucht könnte von ihnen verdächtigt werden. Deswegen sollten jetzt alle, die im Waldhaus sind in ihre Häuser zurück gehen. Damit uns niemand aus dem Wald laufen sieht. Und auch danach müssen alle in ihren Häusern bleiben. Es wäre zu riskant sich im Wald zu treffen. Wir schicken Boten zwischen den Häusern hin und her, die sagen wie es weitergehen wird. So sieht der Notfallplan aus, falls Valentin seine Drohung wahr macht. Wir müssen dafür Sorgen, dass niemand während oder nach der Zeremonie die Kontrolle verliert. Sonst wird das ganze in einem Blutbad enden. Du solltest schon mal nach Hause gehen und dich auf das was, kommt vorbereiten. Ich werde das Rudel vorbereiten. Wir sehen uns dann bei der Gemeindesitzung", verabschiedet mich Nathan beschäftigt.
"Und was ist mit David?", Frage ich mit zitternden Stimme.
Nathan atmet frustriert aus: "Es gibt nichts mehr was wir für ihn tun können. Wenn wir ihn weiter suchen, werden wir uns verraten. Wir müssen dieses Opfer zum Wohle des Rudels annehmen." Nathan klingt durch und durch unglücklich und ich merke, dass es ihm nicht leicht fiel diese Entscheidung zu treffen. Ich schlucke meine ungutes Gefühl hinunter und nicke zaghaft.
"Bis später", damit gehe ich.

Meine Aufregung erreicht ihren Höhepunkt, als ich über die Schwelle des großen Gemeindesaals trete. Freundlich werde ich von einer älteren Dame begrüßt, ich nicke ihr zu und gehe gerade wegs in den großen Raum, an dessen Ende sich eine kleine Bühne befindet. Ich sehe mich um, um nach bekannten Gesichtern Ausschau zu halten. Ich hätte gerne jemand der mir beisteht und mich hält, denn ich zittere am ganzen Leib vor Aufregung. Mir wäre lieber, ich wüsste nicht, was auf mich zu kommt. Graue Augen fangen meinen Blick ein und Valentin winkt mich zu sich. Nervös setze ich einen Fuß vor den anderen und laufe durch die noch fast leere Halle zu ihm.
Er strahlt mich an und sagt: "Schön, dass du gekommen bist. Ich hatte etwas Angst, dass du nicht kommen würdest. Ich weiß wie schwer das für dich sein muss, wenn dir schon eine gewöhnliche Jagd missfällt." Er zieht mich sanft in seine Arme und für einen kurzen absurden Moment fühle ich mich geborgen. Mein Körper kommt etwas runter und hört auf so sehr zu zittern. Aber als mich Valentin los lässt, wird mir wieder mit voller Wucht klar, dass er es ist, wieso ich überhaupt so nervös bin.
"Ja, es war nicht leicht für mich zu kommen", antworte ich ihm wahrheitsgemäß.
"Danke das du trotzdem da bist. Such dir einen Platz, an dem du dich wohl fühlst. Bald können wir anfangen", mit diesen Worten lässt er mich zurück. Ich sehe mich erneut im Saal um und nehme in der Mitte der Halle Platz. Immer wieder sehe ich mich um und halte nach den tief grünen Augen von Noah Ausschau. Doch es dauert eine Weile, bis ich sie in der Nähe des Ausgangs sitzen sehe. Auch er schaut sich nervös um und als sich unsere Blicke treffen, beschleunigt sich mein Puls. Eindringlich sieht er mich an, als wolle er mir sagen, dass ich keine Scheiße machen soll. Genervt wende ich meinen Blick von ihm ab. Die Entfernung zu ihm macht mich noch nervöser. Ich habe Angst davor meinen Wolf nicht kontrollieren zu können, sollte es drauf ankommen. Jemand setzt sich neben mich und reißt mich aus seinen Gedanken. Ich sehe zu Alex, der mich aufmunternd angrinst. Ich bin froh, dass er bei mir ist. Jedes bekannte Gesicht gibt mir etwas Halt.
"Hab gehört, dir würde es nicht schaden, jemanden zu haben, der dich runter bringt. Und auch wenn ich dich lieber schweben lassen würde, werden wir uns wohl heute damit begnügen, dich etwas zu beruhigen", ein anzügliches Grinsen breitet sich auf seinen Lippen aus, während er mich mustert. Ich versuche mir ein Grinsen zu verkneifen und ihn böse anzusehen, aber es misslingt mir.
"Sieh an, sieht an, so schnell kann man dich also auf andere Gedanken bringen. Gut zu wissen. Dieses Wissen, werde ich mit Sicherheit mal nutzen, wenn wir in einem Raum mit deutlich weniger Menschen sind", er zwinkert mir vielsagend zu. Und tatsächlich helfen seine charmanten Flirtversuche. Er zaubert mir ein Grinsen ins Gesicht und mein Körper entspannt sich. Solange, bis Valentin ins Mikro räuspert. Augenblicklich wird der ganze Saal leise, so als wüssten alle, dass gleich etwas schreckliches passiert.
Valentin beginnt zu erzählen, von den erfolglosen Jagden, von dem Angriff des weißen Wolfs, als er mit mir spazieren war. Davon wie er Nachts auf der Lauer lag, dass er den weißen Wolf angeschossen hatte und davon daß er einen anderen gefangen hat. Ein Gitterkäfig wird hereingetragen. Darin befindet sich ein hellbrauner Wolf, der etwas neben der Spur wirkt. Er schaut durch die Gegend und scheint doch nicht zu begreifen, wo er ist. Als nächstes erzählt uns Valentin von seiner Vermutung, dass Werwölfe existieren und bevor jemand wiedersprechen kann, hat er mit einem Messer, dem Wolf die Kehle aufgeschnitten. Erschrocken keuche ich auf, während Blut aus der Wunde des Wolfes spritzt und sich sein Fell langsam aber sicher um die Wunde rot färbt. Der Wolf taumelt, dann fällt er in sich zusammen. Und plötzlich geht alles ganz schnell. Erschrockene Rufe werden laut und während der Wolf seinen letzen Atemzug tut, hallt ein Schuss durch den Raum. Ich zucke zusammen und kann gar nicht begreifen, was gerade passiert. Ich drehe mich um und sehe einen weiteren Wolf tot am Boden liegen. Die Wunde an seiner Stirn färbt sich rot. Und innerhalb eines Wimpernschlages stehen mehr und mehr Wölfe im Saal. Es wird wild auf die Wölfe geschossen, während die Menschen in Panik geraten und richtung Bühne stürmen, auf die feuerenden Jäger zu. Die Wölfe versperren gänzlich den Weg nach draußen. Nur eine kleine Türe neben der Bühne bietet den Menschen eine Fluchtmöglichkeit. Und drauf stürmen sie zu. Keiner nimmt Rücksicht auf jemanden. Jeder versucht nur lebend die Türe zu erreichen. Und während um mich herum das Chaos ausgebrochen ist, kann ich mich nicht von der Stelle bewegen. Die ersten Wölfe springen an den Menschen vorbei auf die schießenden Jäger zu und langsam färbt sich der Boden rot. Das Wolfsblut vermischt sich mit dem, der Menschen und zeigt, dass wir alle nur sterbliche Wesen sind.
"Was tust du denn? Komm!", alle Leichtigkeit ist aus Alex Blick gewichen, als er panisch nach meinem Arm greift und mich Richtung Wand zieht, weg von dem ganzen Massaker.
"Noah bringt mich um, wenn dir etwas passiert. Wieso bringst du dich nicht in Sicherheit", tadelt er mich und zieht mich unsanft mit sich. Keine Spur mehr von dem charmanten Jungen. Die Realität hatte ihn auf den Boden zurück geholt. Ich konzentriere mich auf ihn und taumel hinter ihm her. Das alles fühlt sich so unreal an. Noch nie hatte ich jemanden sterben sehen. Und mein Gehirn kann nicht verarbeiten, was hier gerade passiert. Irgendwie schafft es Alex uns durch die kleine Türe in den angrenzenden Gang zu bringen. Hier hasten die Menschen panisch herum und versuchen hinter einer der Türen Schutz zu finden. Alex zieht uns den Gang entlang bis ganz nach hinten. Dort öffnet er die Türe und schiebt mich hinein. Nur wenige Menschen sind hier drin, aber alle sehen uns ängstlich oder panisch an. Sie drängen sich an die Wand, als hätten sie Angst, dass sich gleich einer der hier im Raum befindenden in einen Wolf verwandeln könnte. Und sie haben Recht. Man kann einem Werwolf in seiner menschlichen Form nicht ansehen, das er ein Wolf ist. Und das lässt die Menschen argwöhnisch werden. Ich will mir gar nicht ausmalen, was das für sie bedeutet. Sie können niemandem mehr vertrauen. Jeder ihrer Nachbarn könnte ein Werwolf sein. Ein Monster, in ihren Augen. Doch sie vergessen, dass sie Jahre lang Seite an Seite mit den Wölfen in Frieden gelebt hatten.
Immer mehr Menschen finden in unserem Raum Zuflucht, bis er so voll ist, dass wir alle dich aneinander gedrängt da stehen. Alex hat seinen Arm inzwischen in meinem Rücken gelegt und dieses bisschen Körperkontakt hilft mir, nicht durch zu drehen. Die Menschen wissen es! Sie wissen, dass es Werwölfe gibt. Ab jetzt wird es Krieg geben. Sie werden nicht ruhen, bis sie jeden Wolf getötet haben. Ich bin hier in einem Raum voller Menschen, die mich umbringen würden, wenn sie wüssten, was ich bin. Und ich habe Angst. Ich habe Angst, dass Noah etwas passiert. Falls er sich verwandelt hatte, würde Valentin den weißen Wolf sofort erkennen und alles dafür geben, um ihn tot zu sehen. Hilfe suchend sehe ich zu Alex hoch. In seinen Augen liegt die gleiche Sorge, doch er lächelt mir aufmunternd zu.
"Alles wird gut. Der Albtraum wird schneller vorbei sein, als du denkst", versucht er mich zu beruhigen. Doch das Zittern in seiner Stimme, verrät seine Unsicherheit. Immer wieder hallen Schüsse durch das Gebäude und machen uns klar, das der Kampf noch nicht vorbei ist. Das wir noch nicht in Sicherheit sind. Angespannt warten wir, bis die Schüsse endlich verklingen und nur noch in unseren Köpfen nach hallen. Ich lasse meine Hand langsam sinken, die ich halt suchend in Alex Shirt gekrallt hatte.
"Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns so schnell näher kommen" schmunzelt er mich an und ich verdrehe die Augen. Die ersten Menschen beginnen sich zu regen.
"Alles ist gut. Ihr könnt raus kommen. Die Wölfe sind weg", höre ich Valentin durch den Gang rufen. Die ersten bewegen sich Richtung Türe, schauen langsam aus dem Zimmer und verlassen es nervös. Keiner scheint dem Frieden zu trauen. Misstrauische Blicke werden gewechselt. Alex greift nach meiner Hand und führt mich vorsichtig in den Gang. Langsam tasten wir uns voran, ohne zu wissen, was uns im Gemeindesaal erwartet.
Niemand hat sich bisher getraut die Türe zum Saal zu öffnen und so ist es Alex, der sie langsam aufstößt. Mir entfahrt ein spitzer Schrei. Der ganze Boden ist bedeckt mit einem roten Meer aus Blut. Menschen Leichen zieren den Boden. Und Valentin hatte recht gehabt. Keine einzige Wolfsleiche liegt hier. Nur Menschen, manche angezogen und manche nackt und ich muss sie nicht weiter mustern, um zu wissen, dass sie gefallene Wölfe sind. Die ihr Leben für einen aussichtlosen Kampf geopfert haben. Langsam treten wir in die Halle. Meine Magen meldet sich, als ich in das Blut trete und ich habe das Gefühl erbrechen zu müssen. Ich kann den Anblick nicht ertragen. Mir wird schwummerig und ich wende meinen Blick von den Leichen hoch zur Bühne, wo Valentin mit den anderen Jägern steht. Sie alle haben ihre Waffen schussbereit in den Händen und mustern jeden von uns argwöhnisch. Als ich den toten Jungen im Käfig liegen sehe, kann ich mich nicht mehr zurück halten. Ich stolpere blindlinks über den Blut getränken Boden und versuche den Leichen auszuweichen. Tränen verschleiern meine Sicht und machen mir das vorankommen noch schwerer. Als ich es endlich schaffe, das Haus zu verlassen, lehne ich mich an die Wand und erbreche mich. Als ich fertig bin und aufsehe steht Alex schweigend neben mir. Ernst sieht er mich an und ich nicke ihm zu, um ihm zu zeigen, dass es mit gut geht.

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Im Schatten des WerwolfsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt