Kapitel 3.3

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Noah

Nachdem Lea und Anna unsere kleine Runde verließen, machte ich mich auf nach draußen, um eine zu rauchen. Ich drängte mich durch die Masse, die sich vor dem Ausgang versammelten, um zu tanzen. Doch als ich draußen ankam, bemerkte ich Luca, der ein paar Meter weiter der Tür auf dem Boden saß und kleine Kieselsteine in ein Gebüsch warf. Ich lief immer näher auf ihn zu, doch er rührte sich nicht. Er machte einen deprimierten, traurigen Eindruck. „Hey, alles gut?" kümmerte ich mich besorgt. Er blickte langsam zu mir Hoch. Ich schaute in seine Feuerroten Augen und auf die Träne, die ihm gerade die Augen hinunterfloss. Ich setzte mich neben ihm und fragte: „Was ist los?" Währenddessen schaute ich gerade aus auf den kleinen, perfekt geschnittenen Baum, der sich aufgrund meines hohen Alkoholpegels rauf und runter bewegte. Der Baum kam immer näher auf mich zu, entfernte sich dann allerdings wieder von mir, drehte sich im Kreis und wurde zuletzt immer kleiner. Luca sah zu mir, schaute mir tief in die Augen und erklärte: „weißt du, Als ich herausgefunden hatte, dass ich auf Jungs stehe, also, dass ich schwul bin, hatte ich das Gefühl von niemandem geliebt zu werden. Es ist schwer zu verstehen, ich weiß. Aber man hat das Gefühl, dass die Liebe dir riesige Brocken in den Weg legen will. Wo andere nur fragen müssen: „Willst du auf ein date?", muss ich erstmal herausfinden, ob jemand auf Männer steht, ob jemand dich weiterhin kennenlernen will, wenn er weiß, dass du anders bist. Und egal in wen ich mich verliebte, ich wurde immer enttäuscht. Ich hatte das Gefühl, dass mich niemand wirklich lieben kann, weshalb ich irgendwann begonnen habe mich blind zu verlieben. Ich verliebte mich in jeden, der mir in die Quere kam. Irgendwann fand ich einen Freund. Einen Freund, bei dem ich das Gefühl hatte, ihn wirklich zu lieben. Ich vertraute ihm, wie als wäre er ein verschlossenes Tagebuch. Voller Sehnsucht geliebt zu werden ging ich die Beziehung ein, ohne ihn überhaupt wirklich zu lieben. Zumindest weiß ich jetzt im Nachhinein, dass das keine richtige Liebe war. Jedenfalls fing die Fassette irgendwann an zu Bröckeln. Er wurde aggressiv, beschimpfte mich für absolute Nichtigkeiten, schlug mich am Ende sogar. Doch ich war blind. Ich wollte ihn nicht loslassen, weil ich das Gefühl hatte, dass er der Einzige ist, der mir das Gefühl von liebe geben kann. Ich war so verbittert! " Ich hielt inne, sah ihn an und wusste nicht, was ich sagen sollte. „Oh!" gab ich von mir. „Und was passierte danach?" ergänzte ich. „Danach..." begann er. „Danach fand ich heraus, dass er mir fremdgegangen war. Nicht nur einmal. Nicht zweimal, nicht dreimal. Einige Male, mit unterschiedlichen Personen. Schweren Herzens erkannte ich irgendwann, dass das keine Liebe ist und, dass er mir nicht gut tut, weshalb ich mich von ihm trennte." Erzählte er. „Wie kann ein Mensch so etwas tun?" fragte ich empört. Er schaute auf den Boden, drückte sein Augen zusammen und weinte: „Ich weiß es nicht." Er tat mir so leid! Ich legte meinen Arm um ihn und versprach ihm: „Wenn du das Bedürfnis hast zu reden, kannst du immer zu mir Luca!" er nickte und sagte: „Danke!"
„Wie war es nach der Trennung?" erkundigte ich mich. „Die Trennung war erst vor ein Paar Monaten. Kurz danach zogen wir hier nach Bakersfield, weshalb ich alle Hände voll zu tun hatte und unter dem ganzen Stress den Schmerz verdrängte. Doch er war immer noch da. Wie ein Jäger, der im Hintergrund lauert und dich irgendwann einholt! Weißt du wie es ist, wenn der schmerz bei dir bleibt und nie mehr vergeht?" fragte er.
„Ja, als mein Vater starb, dachte ich die ganze Welt bricht über mir zusammen." Beichtete ich ihm. Ich redete nie über meinen Vater. Mit keinem. Nicht einmal mehr mit meiner Mutter. „An was ist dein Vater gestorben, wenn ich das fragen darf?" fragte er...
und diese Worte knackten die Schale, in die ich meine Wunden gehüllt hatte.
Ich blickte auf den Boden, hielt inne, schloss meine Augen. Alles drehte sich. Mein Kopf, Mein Körper, Mein Geist. Ich drückte eine Träne aus meinen geschlossenen Augen und öffnete sie wieder. „Tut mir leid, wenn das zu persönlich war," entschuldigte sich Luca. „alles gut!" nuschelte ich.
Ich drehte meinen Kopf zu ihm und schaute in seine dunklen braunen Augen. Sein Gesicht war so symmetrisch. Er hatte eine wunderschöne Nase. Sie war klein, gerade und vorne ein wenig nach oben gewölbt. Ich sagte kein Wort und rückte näher zu ihm. Die Musik im Hintergrund verschwand. Es waren nur noch er und ich.
Ich lehnte meinen Kopf immer näher zu ihm, schaute auf seine Lippen und berührte sein Kinn, bis plötzlich Lea aus der Tür stürmte und schrie: „Noah wir müssen gehen!" Ich zuckte zurück, nahm meine Hand von seinem Kinn und stand in Sekundenschnelle auf. „War klar" sagte Luca. Enttäuscht und lachte auf „Es tut mir so leid! Ich muss wirklich gehen!" entschuldigte ich mich.
Lea zog mich weg, ich schaute ihm noch eine Sekunde hinterher, doch folgte ihr kurz danach.
Als wir ein weites Stück von Annas Grundstück entfernt waren motzte ich sie an: „Was ist denn?" „Noah etwas schlimmes wird passieren!" schluchzte sie, während eine Träne aus ihrem Auge lief. Ich blieb stehen, blickte sie an und fragte ernst: „Was ist los?" Sie schaute mich an, weinte und machte einen Schritt auf mich zu. Sie umarmte mich. „Alles gut!" beruhigte ich sie. Kurz daraufhin wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, zog mich zu ihr ran und küsste mich. Sie bewegte ihre Lippen und benutzte ihre Zunge,
doch ich erwiderte nicht.

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