14. Kapitel

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Die Blicke schmerzten wie Krallen. Heideschatten versuchte sie zu ignorieren, aber es waren so viele. Jede Katze, mit der sie einst Beute geteilt hatte, Seite an Seite auf Patrouille ging und stolz Beute zurückbrachte, jede Katze, mit der sie einst geschnurrt und sich amüsiert hatte, all die Katzen, denen sie vertraute, schauten sie an, als sei sie ein Monster. Mit angsterfüllten, und doch wütenden Blicken. So, als wüssten sie nicht, was tun.

Heideschatten hatte vor einigen Tagen Federpfote gerettet. Sie lag immer noch im Heilerbau, doch es ging ihr viel besser. Sie hatte nur noch ein Auge und ein Fuss sah unnatürlich verdreht aus - wahrscheinlich wird sie für immer humpeln - doch ihre anderen Wunden waren bereits versorgt und sie machte grosse Fortschritte.

Doch wegen ihr hatten die anderen Angst. Sie glaubten, Heideschatten wäre Schuld an ihrem Unfall - denn Federpfote murmelte jede Nacht dasselbe im Schlaf. Sie erzählte von Dunkelheit und Gefahr und zwischen den Wörtern schrie sie immer wieder ihren Namen - Heideschatten. Die Katzen dachten wahrscheinlich, die Kriegerin war Schuld an allem und würde Böses über die Clans bringen. Das Ding war - Heideschatten hatte genauso sehr Angst.

Vor sich selbst.

Schneestern tat nichts - sie schickte sie weiterhin auf Patrouillen, sprach ab und zu mit ihr und tat so, als wäre nichts. Heideschatten wusste nicht, ob sie das beunruhigen oder freuen sollte. Tropfensturm sagte immer wieder Dinge wie »Clankatzen sind loyal« oder anderes, als wäre sie eine unartige Schülerin. Wahrscheinlich hatte er genauso sehr Angst und wollte sie vor einer schlimmen Tat bewahren.

Heute jedoch verhielt er sich anders. Heideschatten ass an ihrem gewöhnlichen Platz in den Schatten eine magere Wühlmaus, die zäh und alt schmeckte, und der gefleckte Kater lief mit langsamen, vorsichtigen Schritt zu ihr. Er wartete, bis Heideschatten fertig gekaut hatte, und begann dann zu sprechen. Anders als sonst, wenn ihr ehemaliger Mentor zu ihr sprach, sah er ihr nicht die Augen, sondern auf seine Pfoten.

Er war nervös. Sein Schweif peitsche und seine Ohren waren aufgestellt. Heideschatten konnte seine Angst riechen, als er miaute: »Kannst du mal kurz reden kommen? Ich muss dir etwas sehr Wichtiges erzählen.«

Die Kriegerin stellte die Ohren auf, und beugte sich leicht vor. Doch der Kater begann nicht zu sprechen. Er sah sich kurz prüfend um und schüttelte dann den Kopf. »Nicht hier.«, erklärte er und er klang dabei ernst. Doch was könnte er ihr schon sagen? Ausser, dass sie loyal sein sollte und sich nicht für die »dunkle Seite« entscheiden sollte, wie er es ihr immer wieder sagte, seit dem Vorfall mit Federpfote?

Tropfensturm blickte zum Lagerausgang und murmelte zu Silbernadel, die neugierig näher gekommen war, dass er kurz jagen ging. Heideschatten folgte ihm mit kleinem Abstand und fragte sich, was so wichtig sein konnte, dass er immer wieder zurückblickte und sich an einem geheimen Ort unter gebeugten Kiefern niederliess.

Die schwarze Kätzin liess sich in einem dunklen Schatten, sodass man nur ihre neugierigen, eisblauen Augen erkennen konnte. Der Kater sah ihr endlich in die Augen, als er sprach. »Sind dir früher Sachen aufgefallen, Heideschatten?«, fragte er mit einem prüfenden Unterton. »Sachen an dir? Aussergewöhnliches?«

Die Kriegerin war überrascht, sodass sie leicht zurückwich. Natürlich waren ihr Sachen aufgefallen - ihre Sinne waren manchmal verstärkter, wie letztens bei Federpfote, sie wusste manchmal grundlos Namen aus Katzen anderer Clans, mit denen sie sich noch nie ausgetauscht hatte und wusste komischerweise immer, wie viele Leben die Anführer hatten, auch wenn sie es nicht bestätigen konnte. Sie hatte auch den Tod ihrer Mutter vorhergesagt, sie hatte die Nacht davor einen Traum davon gehabt. Ab diesem Moment hatte sie begriffen, dass sie anders war. Und das ja niemand davon erfahren durfte. Weil sie sie sonst nicht mögen würden. Vielleicht sogar hassen.

»Ich«, fing die Kätzin mit zitternder Stimme an, »Ja... ich« Sie fing sich wieder und holte tief Luft. Dann begann sie zu erzählen. Da sie nicht wusste, ob sie glücklich, traurig oder ängstlich sein sollte, bemühte sie sich um eine monotone Stimme. Sie erzählte von allem, dass ihr passiert war. Auch wenn sie sich an einiges am liebsten nicht erinnern wollte.

Tropfensturm schwieg eine Weile. Ein Vogel über ihnen zwitscherte ein fröhliches Lied und das Quiken einer Maus in der Nähe war das einzige, was die Stille durchbrach. Erst als die Tiere verstummten, wandte sich der Kater an sie. »Wahrscheinlich findest du das alles merkwürdig. Aber... du bist nicht allein. Es gibt noch andere Katzen, denen die gleiche... « - er suchte nach dem richtigen Wort - »Gabe gegeben wurde.«

Zweifelnd bohrte die Kriegerin ihre Krallen in die Erde, sagte aber nichts. Sie war neugierig. »Dein Vater«, fuhr Tropfensturm fort, wohl wissend, dass es ein heikles Thema war, da Heideschattens Eltern früh verstorben waren, »er hatte dieselbe Gabe. Sein Bruder und sein Vater ebenfalls. Das Ding ist... wir wissen nicht, wer die anderen sind. Der Bruder deines Vaters könnte jeder sein. Vielleicht hat er Junge, vielleicht auch nicht.«

Heideschatten fühlte sich auf einmal nicht mehr so allein. Es war schön, zu wissen, dass sie nicht allein war. Sie würde sofort nach diesen Katzen suchen - wenn sie wüsste, wie sie aussehen und am besten, welchem Clan sie angehörten. Wenn sie überhaupt in den Clans waren.

»Er bat mich vor seinem Tod dir zu erklären, dass du so eine Katze sein könntest.«, miaute Tropfensturm. Heideschatten musterte ihn - ihr entging nicht, wie er könntest sagte und fragte sich, was er damit meinte.

Der Kater antwortete ihr, obwohl sie noch gar nicht nachgefragt hatte. »Vor langer Zeit gab es eine junge Kätzin - sie war mächtig. Sie hat so viel Macht vom SternenClan erhalten, um eine Mission zu erfüllen, sodass ihre Nachfahren einen Teil dieser Macht vererbt bekamen. Die Kraft liess von Generation zu Generation nach, doch wie es scheint hält sie immer noch. « Tropfensturm blickte zu Boden. »Ich hatte gedacht, dass du vielleicht keine dieser Macht abbekommst... aber ich täuschte mich wohl.«

Die beiden Katzen versanken kurz in Gedanken, liessen die Blicke umherschweifen und suchten wahrscheinlich beide nach Worten. Doch was konnte man schon sagen? Heideschatten wusste nicht einmal, ob das alles eine gute oder schlechte Sache war. Sie hatte ausserdem keine Ahnung, ob Tropfensturm sich wirklich sicher war, dass ihr Vater einen Bruder hatte. Sie glaubte ihm die Geschichte, doch der Teil, dass sie nicht allein war, war vielleicht doch nur ausgedacht, um sie zu trösten.

Plötzlich fuhr Heideschatten hoch. Vielleicht aber auch nicht. Was, wenn die andere Katze, ihre Verwandte, das Junge des Bruders ihres Vaters sich in diesem Clan befand? Sofort musste Heideschatten an die prophezeiende Federpfote denken. Ihre Eltern waren Habichtklang und Schneestern, doch was, wenn es nicht ihre echten Eltern waren? Und Schneestern. Sie hatte sie wahrscheinlich normal behandelt, weil sie von dem Ganzen wusste.

Als Heideschatten mit einer Mission ins Lager zurückkehrte, fühlte sie sich gut. Sogar, als die Katzen ihr krallenscharfe Blicke zuwarfen - denn sie wusste, sie war nicht allein.

Warrior Cats [Der Fluch der Sterne] Vergessene SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt