30.Kapitel

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»Hier bist du ja.« Wurde Lichttraum von einer schnurrenden Stimme aufgeweckt. Sie blinzelte in zwei giftgrüne Augen. Verwirrt schaute sich die Kätzin um. Wo war sie hier? Träumte sie?
Mit zusammengekniffenen Augen erhob sich die Kätzin und versuchte, etwas zu verstehen. Warum war hier alles so finster?
Sie merkte, dass sie träumte, doch es war ganz bestimmt kein gewöhnlicher Traum. Er fühlte sich viel zu real dafür an. Und weshalb...

Sofort war die Kätzin hellwach, die Krallen aus Reflex ausgefahren. »Der Wald der Finsternis.«, flüsterte die SonnenClan-Katze, mehr zu sich selbst als zu den anderen. Die fremde Schildpattkatze schien amüsiert. »Du lernst schnell.«

Lichttraum fing sich schon an zu entspannen und die fremde Katze auszufragen, was hier los war, doch dann erblickte sie im Zwielicht eine weitere Katze. Dieses Mal eine bekannte. Niemand anderes als Heideschatten saß da und putzte sich die Pfoten, als sei es normal, im Wald der Finsternis abzuhängen. In was für einen merkwürdigen Traum war Lichttraum da geraten?

»Du hast sicher eine Menge Fragen.«, schlussfolgerte die Schildpattkätin. Lichttraum brachte nicht mehr als ein Nicken zustande. Gab es einen Grund, weshalb sie hier waren? Wollte der Wald der Finsternis sie anheuern? Um zu kämpfen? Lichttraums Kopf schwirrte vor Fragen. Sie wunderte sich, ob Halbmondlicht wohl ebenfalls irgendwo hier war.

Heideschatten führte Lichttraum wortlos zu einer Art Durchgang. Neugierig blinzelte Lichttraum gegen das Licht, das zwischen Wurzeln hervorkam, welche den Durchgang versperrten. Als Junges hatte die Kriegerin Geschichten gehört, wie finster es in diesem Wald war. Nur mystisches, schwaches Licht, sodass gerade noch die eigenen Pfoten zu erkennen waren, herrschte hier - so hatten es die Ältesten gesagt. Diese Lichtquelle wurde nie erwähnt.

Die Schildpattkatze liess sich vor den beiden Kriegerinnen nieder. »Ich rufe Heideschatten schon seit einigen Nächten in den finsteren Wald.«, erklärte sie. Lichttraum fuhr zu der Kätzin herum, die ihr erst kürzlich vor einer Vision berichtet hatte. Jetzt wusste sie wenigstens, woher Heideschatten sie wahrscheinlich hatte.

»Für welchen Zweck?«, entwich es Lichttraum.
Heideschatten schnaubte. »Was denkst du denn?«
Lichttraum antwortete nicht.

Die finstere Kriegerin legte ihren Schweif um die Pfoten. »Meine Schwester, Regendorn, plante, euch zu benutzen, um gegen den SternenClan zu kämpfen.«, enthüllte sie. Lichttraum zuckte zusammen, als sie die Worte hörte. Doch konnte sie der Kätzin überhaupt glauben? Sie verfiel hier, im Wald der Finsternis, in eine erzählende Stimme, setzte an, um die Pläne des dunklen Waldes zu enthüllen, der Prophezeiung. War da nicht etwas faul? Doch Heideschatten schien der Kriegerin zu vertrauen.

Im Licht, das aus der Richtung des Durchgangs drang, erzählte die Schildpattkätzin weiter, aber nicht, ohne zuerst einen Blick über ihre Schulter zu werfen. »Regendorn wollte Rache am SternenClan. Die Zeit hier macht Katzen noch verdorbener, als sie bereits sind. Ich weiss nicht, was genau ihr Ziel war. Das Territorium des SternenClans einzunehmen? Auf jeden Fall etwas mit viel Blut und Kampf.« Ein bitterer Unterton klang in ihrer Stimme mit.

Heideschatten beugte sich neugierig vor, während Lichttraum immer noch nicht ganz klar war, was hier ablief. »Doch der SternenClan sah es hervor und versperrte den Durchgang zwischen den beiden Welten.«, fuhr die Erzählerin fort. Lichttraum und Heideschatten tauschten einen Blick. Dieser Durchgang hatte bereits immer existiert?

Die Katze mit den giftgrünen Augen schien ihre Verwunderung zu bemerken. »Es gibt eine Abmachung, dass keine der Katzen in die andere Welt übertritt. Ausserdem ist dieser Durchgang trotz des auffälligen Lichts schwer aufzufinden. Für Regendorn aber nicht. Weil sie das Ziel hatte, ihn zu finden, fand sie ihn wohl auch. Doch versperrt.«

»Ist das das Ungleichgewicht zwischen den Welten? Wie es in der Prophezeiung heißt?«, warf Heideschatten ein. Lichttraum war noch nicht so weit, darauf zu kommen. Tatsächlich nickte die Schildpattkätzin, den Blick in die Ferne gerichtet. »Regendorn war erzürnt. Schließlich sollte der Durchgang nicht versperrt sein. Zudem hatten die Katzen des Waldes der Finsternis keine Verbindung mehr zu den lebenden Katzen. Sie konnten nicht mehr in den Träumen trainieren. Nur die Katzen der ewigen Macht.«

Zum Glück legte die Kriegerin eine Pause ein, in der Lichttraum in Ruhe das Gesagte verarbeiten konnte. Doch bevor sie weiterdenken und Schlüsse ziehen konnte, sprach die Schildpattkatze weiter, die Stimme ruhig und fast schon etwas eingeängstigt. »Jetzt kommt das Gleichgewicht ins schwanken.« Die Kätzin warf einen Blick auf Heideschatten. »Bei den Clans wird es wohl manchmal etwas merkwürdig zugegangen sein. Auch hier, in diesem Wald, ist manchmal etwas aussergewöhnlich. Viel zu viel Nebel zum Beispiel.«

Lichttraum wurde unruhig. Sie kam immer noch nicht zum Punkt. Was sollten sie tun? Im Moment klang alles negativ; hatte die finstere Kriegerin keine Lösung parat? Sie musste doch bestimmt auch wissen, wie Heideschatten, Lichttraum und - vielleicht - Halbmondlicht alles wieder in Ordnung bringen konnten.

»Wir müssen also den Durchgang wieder öffnen und zwischen dem Wald der Finsternis und dem SternenClan verhandeln.«, miaute Heideschatten. Dabei klang sie so unbesorgt, als sprach sie von Beute. Doch so einfach war das wohl nicht.

Lichttraum glaubte, dass eine kühle Brise aufzog, als die Schildpattkatze den Blick auf ihre Pfoten senkte. Die Stimmung wurde dunkler, als sie bereits war. Am liebsten wäre die Kriegerin in ihrem warmen Nest wieder aufgewacht, obwohl es erst gerade spannend wurde. »Ich weiß nicht, ob es sich mit Regendorn verhandeln lässt.«

Schweigen machte sich breit. Heideschatten schien angestrengt nachzudenken, was sie tun konnte. Lichttraum dagegen konnte nicht klar denken. Für sie war es in letzter Zeit zu viel. Dabei hatte sie sich doch immer beklagt, wie langweilig ihr Leben doch war. Wie sehr sie sich wünschte, etwas heldenhaftes für ihren Clan zu tun. Doch nun fühlte sie Angst und Leere in sich. Wenn sie nichts tat, würden sich die Welten immer weiter verändern. Irgendwann würde es vielleicht so schlimm bei den Clans sein, dass keine Katze mehr Leben konnte, oder nur unter schweren Bedingungen. Lichttraum erschauderte bei diesem Gedanken.

»Es könnte sein, dass ihr euch auf einen Kampf vorbereiten müsst. Gegen Regendorn und ihre engsten Anhänger und Anhängerinnen - Dunkelfrost, Weißfeuer, Rauchblüte.«, erklärte die finstere Kriegerin. Leider machte das Lichttraum nicht gerade zuversichtlicher - der Wald der Finsternis war gnadenlos und für seine heimtückischen, gemeinen Kampftricks bekannt.

»Zu zweit?«, fragte Heideschatten zweifelnd. Sie schloss Halbmondlicht aus, was an der Vision liegen musste, und Weißdistel... die aufkommende Trauer schnürte Lichttraum fast die Kehle zu. Doch sie zwang sich, sich jetzt zu konzentrieren.

»Ihr müsst den Anführer:innen eurer Clans erklären, was vor sich geht. Mit eurer Hilfe schaffen es mehrere Katzen in den Wald der Finsternis.« Heideschatten setzte sich gerader auf. Ihre Augen leuchteten, als sei ihr etwas Wichtiges eingefallen. Lichttraum hingegen war einfach müde.

»Heute findet eine Versammlung statt, der Prophezeiung wegen.«, raunte sie. Anscheinend ging der Plan auf. Lichttraum nickte zustimmend, obwohl sie am liebsten einfach zu einem gewöhnlichen Traum übergegangen wäre, in ihrem warmen Nest liegend. Doch wenn sie den Clans helfen wollte, musste sie sich einsetzen, so wenig Lust sie auch hatte.

Warrior Cats [Der Fluch der Sterne] Vergessene SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt