Kapitel 74

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Die Reise verlief ohne grosse Ereignisse. Mit Tetsuro zu Reisen ist sehr entspannt und über den Wolken im Flieger konnte ich in Ruhe in meinen Gedanken versinken. Tetsuros Mutter holt uns wieder mit dem Auto vom Flughafen ab. Sie begrüsst uns herzlich und fragt uns sofort nach allen Neuigkeiten aus. Gespannt hört sie unseren Erzählungen zu. "Tetsurou hat jetzt eine Freundin.", grinse ich von der Rückbank und bemerke den roten Schimmer auf Tetsurous Wangen. "So richtig?", fragt sie skeptisch nach, schliesslich kennt sie ihren Sohn und weiss, dass er nicht ganz unschuldig ist. "Jup!", sage ich stolz. "Sie ist genau nach seinem Geschmack. Sportlich hat blonde Haare und ist sehr aufgestellt. Du wirst sie mögen!", erzähle ich fröhlich weiter. "Du musst mir unbedingt ein Foto von ihr zeigen!", bestimmt sie mit leuchtenden Augen. "Jaja schon gut, beruhig dich.", mischt sich Tetsurou verlegen ein. Durch den Rückspiegel wechselt er einen kurzen Blick mit dir. "Ich bin aber nicht der einzige, Hajime hat es genauso erwischt mit der Liebe!", erzählt er seiner Mutter als Revenge. Gespannt schaut mich seine Mutter an. "Ist nicht wahr?", fragt sie überrascht. "Das sind ja tolle Neuigkeiten!", freut sie sich sogleich. "Das Armband ist bestimmt auch von ihr.", grinst sie wissend. "Ihr wart kaum zwei Wochen Weg und doch ist so viel Passiert. Ihr müsst zuhause alles im Detail erzählen. Isst du noch bei uns?", fragt sie sogleich an mich gewandt. Ich zucke mit den Schultern. Lust nach Hause zu gehen habe ich eh nicht. "Ich schreib mal meinen Eltern.", antworte ich stad dessen und beschäftige mich mit meinem Handy. "Deine Mutter hat mal was gesagt, dass sie erst Morgen nach Hause kommen.", meint sie noch. "Oh.", entweicht mir. Sogleich blinkt eine neue Nachricht auf von Tooru. Er fragt, ob ich gut gelandet bin und wie die Reise war. Echt lieb von ihm. Ohne es zu merken, schleicht sich ein dickes Grinsen auf mein Gesicht. Tetsurou und seine Mutter tauschen einen wissenden Blick miteinander aus, während ich meinen Eltern schreibe. Kurze Zeit später, haben sie es bereits gelesen. "Sehr gerne, sie kommen wirklich erst Morgen nach Hause.", komme ich auf ihr Angebot zurück. Das meine Mutter noch verlangt, dass ich schon Bewerbungen für Morgen schreiben soll, lasse ich bewusst aus.

Im Zimmer von Tetsurou richten wir uns ein. Es ist erst Nachmittag und wir hatten im Flieger einen Snack bekommen. "Sag mal Hajime.", zieht Tetsurou meine Aufmerksamkeit auf sich. "Du weisst, dass ich mit meiner Mutter über alles reden kann. Willst du ihr sagen, dass du mit Tooru zusammen bist?", er unterbricht sich selbst. "Oder besser gesagt, wäre es okay für dich, wenn ich es ihr erzähle?" Ich überlege kurz. Sie ist für mich wie eine zweite Mutter und ich hab sie unheimlich lieb. "Ist denke ich okay für mich. Ich würde es ihr gerne sagen, aber nicht allein.", äussere ich meine bedenken.

Nach dem Abendessen haben wir noch lange mit seiner Mutter geredet, Fotos gezeigt und ihr auch mein kleines Geheimnis erzählt. Unsere Auseinandersetzung haben wir etwas gekürzt und nicht gross erzählt. Am Abend habe ich noch lange mit Tooru geschrieben, bevor wir schlafen gingen. Am nächsten Tag hat mich Tetsurou noch nach Hause begleitet.

Ich werde von meinen Eltern begrüsst. "Und wie war es?", fragt meine Mutter. "Gut, ich hatte sehr viel Spass." Ich will gerade Anfangen noch etwas darüber zu erzählen, als sie mich unterbricht. "Gut. Du kannst dann, wenn du fertig ausgepackt hast, gleich mit deinem Laptop zu mir kommen. Dann suchen wir nach Job Inseraten und schreiben deine Bewerbungen." Nickend bestätige ich, dass ich verstanden habe. Was habe ich auch anderes von meiner Mutter erwartet. Nach zwei Stunden, entlässt sie mich. Ich habe mich jetzt für verschiedene Stellen beworben und muss auf eine Antwort warten. Aus Langeweile ziehe ich mir Sportklamotten an und versuche durch etwas Joggen meinen Kopf zu lüften. Von einer Bewerbung bekomme ich am Nachmittag bereits eine Zusage für ein Vorstellungsgespräch am Montag. Am Abend telefoniere ich noch mit Tooru. Er erzählt mir von den Neuankömmlingen und wie sehr er mich vermisst. Irgendwann verabschieden wir uns und gehen schlafen.

Mein Wecker klingelt pünktlich am Montagmorgen. Müde wälze ich mich aus dem Bett. Heute habe ich mein erstes Vorstellungsgespräch für einen Job an der Tankstelle als Verkäufer. Lust habe ich absolut keine, aber er ist wenigstens nicht so streng und gut bezahlt. Das Gespräch verläuft sehr gut. Der Laden ist auch nur zwanzig Minuten von meinem Zuhause entfernt. Der Chef ist mir sehr sympathisch, er hat mir angeboten bereits am Donnerstag mit der Arbeit zu beginnen. Zufrieden mache ich mich wieder auf den Rückweg. Ich muss also erst in drei Tagen anfangen. Ich entscheide mich kurzerhand dazu Tetsurou zu schreiben. Wir verabreden uns für die nächsten Tage. Wir wechseln ab, zwischen Zocken zuhause oder in die Stadt Eis Essen und Spazieren gehen. Ab und zu spielen wir draussen auch etwas Volleyball, der Sport hat es uns seit dem Camp echt angetan. Mittwochs fragen wir sogar Keiji und Kotaro spontan nach einem Treffen und unternehmen daraufhin zu viert noch was. Vor allem da Volleyball zu viert mehr Spass macht als zu zweit. Allerdings müssen wir Keiji und Kotaro trennen, da sie sonst einfach zu gut sind. Fröhlich machen Tetsurou und ich uns wieder auf den Heimweg. Morgen ist auch bereits mein erster Arbeitstag. An unserer Kreuzung verabschieden wir uns wie gewohnt.

"Bin wieder zuhause.", melde ich mich nach dem Eintreten. Heute war ein richtig schöner Tag, ich hatte viel Spass und es hat gut getan mit Keiji und Kotaro, aber vor allem Keiji zu quatschen. "Willkommen zurück.", ruft meine Mutter aus der Küche entgegen. Ihrem Tonfall kann ich entnehmen, dass etwas nicht stimmt. Mit einem unguten Gefühl mache ich mich auf den Weg zur Küche. Es überrascht mich nicht, dass ich dort eine Menge Alkoholflaschen vorfinde. Einige sind bereits leer. "Weisst du Hajime.", lallt sie mich voll. Ängstlich weiche ich einige Schritte zurück. "Meine Arbeitskollegin hat von ihrem Sohn erzählt." Sie hält inne und torkelt weiter auf mich zu. "Er ist eine kleine Schwuchtel und sie hat auch noch mit Stolz erzählt, dass er jetzt einen Freund hat." Eindringlich sieht sie mich an. "Zum glück bist du nicht auch so eine Schande für mich, nicht wahr Hajime? Du würdest mir das nicht antun?", fragt sie mich unschuldig. Ich schlucke schwer und beobachte, wie sie ihre Hand nach mir ausstreckt. Starr vor Angst kann ich mich nicht bewegen. Das Klingeln meines Handys reisst mich aus dem Schock. Schnell ziehe ich es hervor und erblicke Toorus Namen mit einem gemeinsamen Foto von uns auf dem Bildschirm. "Wer ist das?", fragt sie mich wütend. "Und warum hast du ihn mit einem Herz eingespeichert?", ruft sie hysterisch. "Du willst mir doch nicht etwa sagen, dass du genauso eine nutzlose Schwuchtel bist?" Mein Herz rutscht mir in die Hose, ich hatte total vergessen, dass ich Tooru mit einem Herzchen eingespeichert hatte, beziehungsweise war er das selbst, ich habe es bloss nicht geändert. Und sein Timing ist gerade ganz mies. "Womit habe ich so einen nutzlosen Sohn wie dich verdient? Es war schon schlimm genug dich aufzuziehen, obwohl ich dich gar nicht wollte!", fragt sie sich verzweifelt mit Blick in den Himmel. Zum Glücke ist es nichts neues für mich, dass ich von ihrer Seite kein gewolltes Kind war, dass weiss ich bereits. Dennoch ist es wie ein Stich in mein Herz. "Ich muss dir diese Abartige Art austreiben. Wenn ich die Krankheit aus dir herausschlage, kommst du sicher wieder zur Vernunft." Ihre Augen funkeln mich gefährlich an. Ich schaffe es gerade noch mein Gesicht zu drehen und die Augen zu schliessen, als ich ihren ersten Schlag in meinem Gesicht spüre. Der heftige schmerz lässt mich in die Knie gehen, wo ich sogleich den nächsten tritt in den Bauch versetzt bekomme. Es schnürt mir die Luft ab. Japsen versuche ich Sauerstoff in meine Lungen zu bekommen. "Mutter, bitte. Hör auf.", flehe ich sie leise an. "Ich will keinen Sohn, der eine Schwuchtel ist. Die werden alle über mich lachen und mich verspotten. Willst du das etwa? Was habe ich nur falsch gemacht, warum bist du so geworden? Will mich Gott so strafen?", redet sie weiter und tritt unaufhörlich gegen mich. Entfernt höre ich das Brummen meines Handys auf der Ablagefläche. "Ich kann nichts dafür, dass ich Schwul bin. Es ist keine Krankhe", versuche ich mich zu rechtfertigen, breche aber hustend ab und krümme mich vor Schmerz auf dem Boden. Im Augenwinkel sehe ich, wie sie eine Flasche vom Tisch nimmt und mit dieser auf mich zukommt. "Du kannst wieder gesund werden.", versucht sie mir einzureden. Langsam weiche ich kriechend von ihr zurück. "Mutter, bitte.", höre ich meine Heisere Stimme flehen, die in ihrem Kreischen untergeht. Wäre ich doch bloss nicht in die Küche nachsehen, denke ich mir noch. Der harte Aufprall der Flasche mit meinem Kopf lässt mein Sichtfeld einen Moment verschwimmen. Sogleich schütze ich ihn mit meinen Armen. Unaufhörlich schlägt sie mit dieser zu. Meine Arme schmerzen bereits, das wird bestimmt blaue Flecken geben. "Es tut mir leid.", flüstere ich leise. Ein Klirren ertönt und Flüssigkeit tropft mir auf den Kopf. Ein Blick nach oben verrät mir, dass es Blut ist. In einem Strom läuft es meinen Arm runter und tropft auf meinen Kopf. Die zerbrochene Flasche muss mir mit der scharfen Kante den Arm aufgeschnitten haben. "Ich bin wieder zuhause!", höre ich entfernt die Stimme meines Vaters. Gott sei Dank, das ist meine Rettung. Wie durch Watte nehme ich seine entsetzte Stimme wahr, ich verstehe nicht, was er sagt. Mein Sichtfeld ist verschwommen. Langsam gleite ich von der sitzenden in eine liegende Position. Ich versuche meinen Arm nach oben zu halten, um die Blutung zu stillen, scheitere aber daran.

Ich öffne meine schweren Augen wieder. Verwirrt nehme ich meine Umgebung wahr. Kopfschmerzen machen sich bemerkbar und meine Arme und Bauch schmerzen. Ich liege in meinem Zimmer im Bett. Ich brauche einen Moment, um mich zu erinnern, was passiert ist. Da trifft mich die Erinnerung wie ein Blitz, sofort setzte ich mich im Bett auf. Kurz dreht sich mein Sichtfeld und mir wird übel, es verschwindet aber glücklicherweise sogleich wieder. Langsamer stehe ich auf. Mein linker Arm ist in einen Verband gewickelt. "Wer war das?", frage ich mich leise. Ich öffne meine Tür, im Korridor brennt noch Licht. Wie spät ist es eigentlich, frage ich mich selbst. Von unten nehme ich zwei Männerstimmen wahr, die angeregt miteinander diskutieren. Leise schleiche ich mich näher, um sie besser zu verstehen. Eine Stimme gehört ganz klar Tetsurou, die würde ich überall erkennen und die andere ist meinem Vater. Was macht denn Tetsurou hier?

IwaOi - Im SurfcampWo Geschichten leben. Entdecke jetzt