15 - UNO

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Ausnahmsweise ist Landon mal nicht überpünktlich, sondern lässt auf sich warten.

Ich stehe neben der Eingangstür vom Lost und schaue auf das glitzernde Meer hinaus. Über mir hängt das weiße Schild mit dem Spruch You're not lost. You're here. Jedes Mal, wenn ich diese wenigen Worte lese, spüre ich tief in meinem Herzen, dass es die richtige Entscheidung war, nach Sunhaven zu kommen.

Ziemlich beeindruckend, wozu meine beste Freundin und ein Tischkalender fähig sind, nicht wahr?

Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als sich jemand neben mich stellt. Kurz flammt in mir die Hoffnung auf, dass es sich bei dieser Person um Landon handelt, aber blöderweise grinst mich sein älterer Bruder Phil an.

„Na, Maila?", begrüßt er mich, indem er mir spielerisch seinen Ellenbogen in die Seite stößt.

„Autsch!", fluche ich und strafe ihn mit einem bitterbösen Blick.

„Hey, ganz ruhig, Tiger!", lacht Phil daraufhin amüsiert. „Fahr mal wieder deine Krallen ein!"

„Was willst du von mir?", übergehe ich seinen dämlichen Kommentar. Nur weil ich gestern durchschaut habe, dass sich Phil hinter einer Maske versteckt, heißt das noch lange nicht, dass er mir plötzlich ultrasympathisch geworden ist.

Als könnte Mister Knopfauge Gedanken - oder zumindest Gesichtsausdrücke - lesen, fragt er mich geradeheraus: „Kann es sein, dass du mich nicht magst?"

Kurz steigt das Gefühl von Scham in mir auf, doch dann straffe ich meine Schultern und sage erhobenen Hauptes: „Korrekt!"

Für ein paar Sekunden schaut mich Phil überrumpelt an. Wenn mich nicht alles täuscht, dann wirkt er sogar ernsthaft getroffen.

„Und warum nicht?", hakt er zu meinem Bedauern mit gefurchter Stirn nach. „Ich habe dir doch nichts getan, Maila! Gut, meine Sprüche können vielleicht nervig sein, aber ansonsten war ich immer freundlich zu dir."

Ich möchte Phil widersprechen, doch die Worte bleiben mir im Hals stecken.

Je länger ich über seine Aussage nachdenke, umso mehr muss ich mir eingestehen, dass er recht hat.

Phil hat mir nichts getan. Es ist sein machohaftes Gehabe, das mir böse aufstößt und mich an meine Dating-Partner aus der Vergangenheit erinnert.

Mit attraktiven Männern wie Phil, die ein loses Mundwerk haben und göttliche Flirt-Fähigkeiten besitzen, habe ich schlechte Erfahrungen gemacht. Wahrscheinlich hat mein Hirn den Kellner deshalb so schnell als unsympathisch eingestuft.

Auch wenn es mir extrem schwerfällt, suche ich Phils Blick und murmele dann leise: „Tut mir leid. Das war nicht fair von mir."

„Ach, schon gut", winkt er direkt ab. „Ich wollte es einfach nur mal ansprechen, weil ich ja sehe, wie glücklich du meinen Bruder machst. Da wäre es doch blöd, wenn zwischen uns böses Blut fließt, oder?"

„Ja", stimme ich Phil knapp zu.

Mir ist natürlich bewusst, dass ich meine Abneigung nicht von heute auf morgen ablegen kann, aber ich werde mir große Mühe geben, ihn und seine Charaktereigenschaften zu tolerieren und zu akzeptieren.

Vielleicht hilft mir der Kontakt zu Phil ja sogar dabei, mit den ganzen Typen aus meiner Vergangenheit abzuschließen.

„Eine Sache noch, Maila. Dann nerve ich dich auch nicht länger." Phils dunkle Knopfaugen bohren sich in meine und kämpfen sich bis zu dem Grund meiner Seele voran. Seine Stimme klingt ernst, aber auch flehend, als er leise raunt: „Bitte brich Landon nicht das Herz, okay?"

Meersalzküsse im GepäckWo Geschichten leben. Entdecke jetzt