Gedankenchaos

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BEN POV
Ich kann einfach meine Augen nicht von ihr nehmen. Und meine Hände schon gar nicht. Mir ist auch völlig egal, das bis vor ein paar Minuten noch jede Menge Leute hier waren, die uns sehen können. Und wenn schon. Sollen sie doch petzen gehen. Christian macht mir schon lange keine Angst mehr. Körperlich hat er keine Chance gegen mich. Seltsamer Weise bin ich mir aber ziemlich sicher, dass es ihn nicht interessieren wird. Wieder einmal empfinde ich so was wie Neid. Neid auf einen Mann, der das hat, was ich schon mein halbes Leben lang haben möchte. Jessica.

Ich weiß nicht, wie lange wir hier schon zusammen sitzen. Wie lange ich schon ihre Hand halte. Und wie oft ich mich in ihren Augen verloren habe. Sie hat die schönsten Augen der Welt. Und manchmal glaube ich darin Dinge zu sehen, die gar nicht möglich sind. Mein Daumen zieht kleine Kreise auf ihrem Handrücken. Ich liebe es, sie anzufassen und wie oft hab ich mir schon vorgestellt, sie an ganz anderen Stellen anzufassen.

Als ich ihr damals half, für die Ersthelferprüfung zu lernen, da bin ich manches Mal an meine Grenzen gekommen. Aber ich durfte sie ja nicht anfassen. Markus war ganz klar in seinen Aussagen. Fass ich sie an, dann zeigt er mich an. Sie war 16 und somit minderjährig. Wenn ich nicht aufpasse, dann triften meine Gedanken wieder in den nicht jugendfreien Bereich ab, also verbiete ich mir, an etwas anderes zu denken, als an das Hier und Jetzt. In meinen Gedanken habe ich diese Frau schon unzählige Male geliebt. Die wundervollsten Dinge mit ihr angestellt. Und ich würde alles dafür geben, es einmal Wirklichkeit werden zu lassen. Dummer Weise nur habe ich Grundsätze und Regeln und eine davon lautet: Keine Affäre mit verheirateten Frauen.

Mein verdammtes Handy holt mich aus meinen Gedanken. Ich entschuldige mich bei ihr und gehe ran.

„Ja." ich weiß, ich klinge nicht gerade freundlich. Doch als ich auf dem Bildschirm gesehen habe, wer da anruft, da hätte ich am liebsten wieder aufgelegt.

„Hey, Ben. Ich hab gehört, Du bist in der Stadt. Lust auf ein Treffen?"

Stephanie. Markus' Ex. Ausgerechnet. Sie hat ein Talent mich zum falschen Zeitpunkt anzurufen, wie keine Zweite. Aber...ich gebe zu...sie ist ein netter Zeitvertreib, den ich mir hier und da gönne. Sie sucht nichts festes, klammert nicht und das ist besser als bei vielen anderen. Seit Markus sie abgeschossen hat, treffen wir uns und gehen miteinander ins Bett. Haben Sex. Nicht den besten Sex der Welt, aber beschweren möchte ich mich auch nicht. Ich hatte schon mieseren Verkehr. Zumal Stephanie eine Frau ist, die genießen kann und ...schweigen. Bei ihr kann ich sicher sein, dass nicht die ganze Stadt am nächsten Morgen weiß, dass ich die Nacht bei ihr verbracht habe.

„Sorry, Süße. Heute wird es nichts. Ich bin noch auf der Feier. Ein anders Mal. Ich melde mich."

Ich lege auf ohne auf ihre Erwiderung zu warten. Sofort widme mich wieder meinem Gegenüber. Sie wirkt müde und wenn ich ehrlich bin traurig. Irgendetwas stimmt bei ihr nicht. Das kann ich deutlich spüren. Aber ich mag sie auch nicht direkt darauf ansprechen. Zumal sie mir in der Vergangenheit schon einige Male unmissverständlich klar gemacht hat, dass ihre Ehe mich nichts angeht. Es ist zum verrückt werden: Seit Jahren bin ich mir sicher, dass sie nicht glücklich ist in ihrem Leben, aber sie wird das niemals zugeben.

Christian, ihr Mann, ist ein rotes Tuch für mich. Er ist ein Jahr jünger wie Markus und ich. Seine Eltern besaßen eine gut gehende Firma für Medizin Technik in unserer Stadt. Er ist der Inbegriff dessen, was ich als verwöhntes Söhnchen bezeichnen würde. Er hatte nie Interesse an dem Laden seiner Familie und hat ihn seiner Schwester überlassen, die ihn voll gegen die Wand gefahren hat. Vor 10 Jahren musste sie Insolvenz anmelden und jetzt gehört das ganze einem chinesischen Konsortium. Die haben einen Manager eingestellt und die Familie ist komplett draußen. Wie gesagt, hatte Christian von Anfang an nichts am Hut mit Technik und so. Er lernte Hotelfachmann auf einer Schweizer Eliteschule. Dann kam er zurück, schwängerte Jess und begann als Manager bei einer deutschen Hotelkette. Er ging arbeiten und überließ Jessica Haushalt und Kind. Dabei war sie so talentiert. Sie wäre eine prima Ärztin geworden. Aber sie konnte gerade noch ihr Abi machen und dann wurde sie Mutter. Keine Ausbildung, kein Studium. Nichts. Erst als Aimée in die Schule ging hat sie angefangen zu arbeiten. Im Hotel ihres Mannes. Schnell hat sie sich einen Namen gemacht, weil sie super Hochzeiten und Geburtstage organisieren konnte. Die ganze Stadt hat seine wichtigen und großen Parties in ihrem Hotel gefeiert. Tja, und vor zwei Jahren dann hatte Christian die Schnauze voll. Er wechselte zu einer Firma die Senioren-Wohnanlagen betreibt. Luxuriöses Wohnen im Alter. Mit allem Schnick Schnack. Die Firma hat ihren Sitz in Köln. Da Aimée hier bei uns ihr Abi machen wollte, ist Jessica mit ihr im Allgäu geblieben. Aber...zu meinem Leidwesen, wird sie jetzt dann wohl doch zu ihm ziehen. Und ich habe wieder das Nachsehen.

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