JESSICA POV
Verflixt nochmal! Irgendwie schaff ich es nicht einzuschlafen. Dabei bin ich wirklich müde. Der Tag heute war anstrengend. Die Goldene Hochzeit meiner Eltern. 50 Jahre sind sie verheiratet. Wir haben im Garten unseres Hauses gefeiert. Ich hab zusammen mit einem kleinen Team zwei Tage gearbeitet und die Party vorbereitet. Zelte aufgestellt. Porzellan und Besteck einsortiert. Deko und Lichter aufgehängt. Tische gedeckt und Blumen arrangiert und zu guter letzt habe ich den Aufbau des Buffets und der Getränke überwacht. Eine Biertheke haben wir aufgebaut um frisches Bier vom Fass anbieten zu können. Drei große Kühlschränke mussten bestückt werden und fast hätten wir das Eis für die Cocktails vergessen. Aber es hat alles so funktioniert, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich bin in vielerlei Hinsicht eine Perfektionistin und da es sich um das wichtigste und vielleicht auch letzte große Fest handelt, dass meine Eltern mit ihrer Familie und ihren Freunden feiern, war ich noch pedantischer als sonst.
Das Ben kommen würde, darauf hatte ich gehofft. Aber ich wäre ihm auch nicht böse gewesen, wenn er nich da gewesen wäre. Schließlich sind seine Eltern beide im letzten halben Jahr gestorben. Für uns alle überraschend und viel zu schnell. Außerdem ist mir immer mulmig zu Mute wenn er und Christian aufeinander trafen. Die beiden können sich auf den Tod nicht ausstehen. Warum das von Seiten Christians so ist, dass wusste ich. Er sah in Ben einen Konkurrenten. Einen Mann, der ihm seine Frau ausspannen wollte. Wie er darauf kommt, keine Ahnung. Kann mir nicht vorstellen, das Ben ihm mal irgendwas gesagt hat. Und ich, ich werde einen Teufel tun und ihm gestehen, dass Ben für mich nach wie vor eine heiße Versuchung ist. Und diese Versuchung liegt hier auf der anderen Seite des Gangs und schläft. Es wäre so einfach. Aufstehen, Türe auf, Türe zu, über den Gang rüber, Türe auf, Türe zu. Doch...ich bleibe liegen und wälze mich von rechts nach links und wieder zurück.
Der Ausklang des Abends mit ihm war schön. So wie es immer ist. Ich frage mich, warum er nie eine Frau gefunden hat, bei der er es länger ausgehalten hat. Die Worte meines Vaters klingen in meinen Ohren: <Ein Casanova ist er, unser lieber Benjamin>. Von Markus weiß ich, dass er in Tübingen an jedem Wochenende eine andere abgeschleppt hat. Kaum eine, die zweimal das Vergnügen mit ihm hatte. Natürlich weiß ich es nicht, aber ich denke mir, dass es in Berlin nicht anders war. Warum er ausgerechnet in Berlin weiter studiert hat, weiß ich auch nicht. Aber dadurch kam er an seinen Job in der Charité, den er fünf Jahre nach Ende seines Studiums antrat. Dazwischen war er in Chicago und in Kapstadt. Heute zählt er zu den renommiertesten Herzspezialisten Deutschlands. Sein Vater war sehr stolz auf ihn. Jedem der es hören wollte, oder auch nicht, erzählte er von seinem erfolgreichen Sprößling. Und nun kommt er ins Allgäu zurück. Wird mit 43 Chefarzt der Kardiologie in der Kemptener Klinik.
Aber ich werde meine Heimat verlassen und das wegen eines Mannes, bei dem ich mir nicht mal mehr sicher bin, ob ich ihn noch liebe. Aber er ist Aimées Vater und er hat mich damals nicht hängen lassen. Wenn ich daran denke, wie sein Vater in unserem Wohnzimmer stand und meinem Vater empfahl seine „Arbeit" zu tun und eine Abtreibung vorzunehmen. Als Paps sich weigerte da bat er ihm eine große Summe Geld. Und als Krönung hat er mich vor der Schule abgefangen und auf mich eingeredet. Auch mir bat er Geld. Und nicht gerade wenig.
Damals hab ich ziemlich geschwankt. Das mein Vater den Abbruch vornehmen würde, das war für mich von vorne herein ausgeschlossen. Ich kannte seine Meinung zu den Thema. Nicht nur in meinem speziellen Fall. Ich ging zu einer Beratungsstelle und holte mir dort einen unabhängigen Rat. Gerade als ich aus der Türe des Hauses in unserer Innenstadt kam, da stand Christian vor mir. Er nahm mich in den Arm. „Hey, wenn Du es willst, dann schaffen wir das. Ich habe ein Angebot. Ich könnte als Vizedirektor anfangen. Dann verdiene ich genug für unsere kleine Familie. Wenn Du willst heiraten wir. Alles geschieht, wie Du es willst."
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First Love
RomanceDie eine, die große Liebe. Manche treffen sie schon früh, Andere gar nicht. Manchmal aber auch sind es Umstände, Entscheidungen, die wir treffen und unsere Liebe weggeben. So ist es Ben und Jessica ergangen. Ob sie ihre neue Chance nutzen?