Köln

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JESSICA POV

Seit der Goldenen Hochzeit meiner Eltern sind nun schon wieder 4 Wochen vergangen. Gerade bin ich auf dem Weg nach Köln. Ich werde zwei Tage bei Christian sein und dann fliegen wir nach Palma. Von dort geht unsere Kreuzfahrt nach Lissabon los. Große Lust auf diese Reise habe ich nicht. Ich kenn zwar die meisten Städte noch nicht, aber es war einfach zu viel los in den letzten Wochen, als das ich wirklich Zeit hatte, mich auf diese Reise mental vorzubereiten.

Ich war an Aimées Seite bei ihren letzten Abiklausuren, habe sie abgeholt, wenn sie leicht angetrunken von einer Party nach Hause wollte. Ich war da, wenn Ben mich brauchte um Handwerkern Zutritt zu seinem Haus zu gewähren. Habe Lieferungen angenommen, die er in Berlin in Auftrag gegeben hat. Ich war da für meine Eltern. Habe eingekauft, meiner Mutter die Hand gehalten, ihren Sorgen ein Ohr geschenkt.

Ich mache mir genau wie sie Sorgen um meinen Vater. Seine Alzheimer Erkrankung schreitet immer weiter fort und meine Mutter kommt langsam an ihre Grenzen. Aber noch kann sie sich nicht durchringen Hilfe von einem Pflegedienst anzunehmen. Mal sehen wie es diese 14 Tage geht, wenn ich nicht in Rufbereitschaft bin. Dafür ist aber Ben in der Nähe. Er wird ein Auge auf die beiden haben. Ich konnte ihn überreden in unserer Einliegerwohnung zu schlafen. Dann braucht er kein Hotel und ist auch direkt an seiner Baustelle. Und ja, man kann wirklich Baustelle sagen. Ich hab ihn schon gefragt, ob Neubau nicht sinnvoller gewesen wäre. Er läßt Wände einreißen, neue Leitungen verlegen. Die Bäder werden erneuert und die Küche kommt ja auch noch neu. Er macht aus einem schönen Haus ein perfektes Haus. Ein paar Mal hat er mich nach meinem Rat gefragt und ich habe ihm gerne geantwortet.

In den 4 Wochen seit unserem Wiedersehen haben wir fast jeden Tag Kontakt gehabt. Mal schreiben wir uns, mal telefonieren wir. Irgendwie sind wir Freunde geworden. Und ich bin seine Baubetreuerin. Jeden Morgen lasse ich die Handwerker rein und schließe Abends die Türe hinter ihnen wieder zu. Was würde er wohl ohne mich machen? Wie hatte er sich das gedacht?

Gerade überlege ich auch, was ich ihm schreiben soll. Er hat mich gefragt, welche Wandfarbe ich für ein Schlafzimmer wählen würde. Schlafzimmer und Ben zusammen in meinem Kopf ist eine Vorstellung, die mich ziemlich wuschig macht. Was erwartet er?

<rot ist anregend, blau beruhigend...in welche Richtung soll es gehen?> schreibe ich ihm und muss tatsächlich keine Minute auf seine Antwort warten.

<anregend? Dazu könnte ich was sagen, lass es aber lieber. beruhigend? Mein Alltag wird stressig werden. Also, Blautöne. DANKE!>

Da ich in Mannheim umsteigen muss. Kann ich im Moment nicht weiter auf seine Nachricht eingehen. Aber Blau fürs Schlafzimmer in Kombi mit leichtem grau kann ich mir gut vorstellen. Das würde auch einem Mann wie Ben entsprechen.

Als ich endlich wieder sitze ziehe ich wieder das Handy raus. Ich schreibe ihm:

<Blau und ein leichtes Grau in Kombination. Das passt zu Dir.> Wieder dauert es weniger als eine Minute, bis ich seine Antwort lese.

<Danke für Deine Hilfe. Ich wünsch Dir einen schönen Urlaub. Komm heil wieder zurück.> Und dann lacht mich ein Smile an und ein zweites schickt mir einen Kuss.

Ich mag diese Art der Kommunikation mit ihm. Sie lenkt mich ab und, wenn ich ehrlich zu mir selber bin, dann sind das die wenigen Minuten am Tag, an denen ich mich wirklich gut fühle. Wann hat dieser beschissene Zustand angefangen? Keine Ahnung? Oder schlummert diese Traurigkeit schon eine Weile in mir? Ich könnte aus der Haut fahren. So kenne ich mich gar nicht. Liegt es an dem ungewissen, was vor mir liegt? Daran, mit Christian wieder Tag für Tag zusammen zu sein? Hab ich mich schon zu sehr ans Single Dasein gewöhnt? Gott was gehen mir alles für Gedanken durch den Kopf.

Endlich in Köln angekommen, erhalte ich eine Nachricht von Christian.

<stehe am Breslauer Platz. Bushaltestelle. Leider kein Parkplatz frei.>

Na toll. Jetzt kann ich die zwei schweren Koffer auch noch alleine schleppen. Zu Hause hatte ich wenigstens Hilfe von Ben.

Gott sei Dank findet sich ein netter Herr, der mir aus dem Zug hilft. So, nun Aufzug suchen. Aufzug holen. Einsteigen. Runter fahren. Aussteigen. Kurz orientieren... ah, ich muss nach links. Je einen Koffer an der Seite, den Rucksack auf dem Rücken, die Handtasche auf den Koffer gepackt, gehe ich gemütlich Richtung Ausgang. Wenn er mich schon nicht am Gleis abholt, dann kann der Herr auch ein bisschen warten.

Es hupt tatsächlich und ich schaue mich um und erkenne seinen Wagen. Noch immer steigt er nicht aus. Will er mir tatsächlich gar nicht helfen? War mein Mann schon immer so ein Stoffel?

Doch dann steigt er aus und macht den Kofferraum auf.

„Sag mal, hast Du Deinen halben Hausstand eingepackt?" Na das ist mal ne Begrüßung.

„Hallo, lieber Christian. Ja ich freue mich auch Dich zu sehen." entgegne ich ihm. Der Sarkasmus in meiner Stimme ist unüberhörbar.

„Hallo Schatz. Komm, wir müssen hier weg. Sonst bekomme ich noch ein Knöllchen. Steig ein."

Im Auto bekomme ich doch tatsächlich einen Kuss. Nein, wie gnädig.

„Du vergisst, dass wir 10 Tage Urlaub machen auf einem Kreuzfahrtschiff. Da brauch ich halt ne Menge Zeug. Ich lass dann aber einiges hier. Der Sommer dauert ja nicht mehr sehr lange und bald ziehen wir ja eh um."

„Mhh." murmelt er nur. Mehr hat er dazu nicht zu sagen?

Wie immer fahren wir in eines der Häuser seiner Firma. Dort hat Christian ein Appartement bezogen. So lange, bis wir dann in unser Haus nach Widdersdorf ziehen können. Es ist klein und hat auch nur ein Bett von 140cm Breite. Aber für die Tage, die ich da bin, reicht es uns immer.

„Du, ich muss heute nochmal ins Büro. Und am Abend habe ich einen Termin. Ich nehme mal nicht an, dass Du mit willst." Ist das jetzt sein Ernst? Seit 4 Wochen der erste Abend gemeinsam und....was soll's. Wir haben noch die nächsten 2 Wochen für uns. Der eine Abend...

„Ne, lass mal. Ich will eigentlich so schnell als möglich ins Bett." So hab ich mir das Willkommen in Köln ehrlich nicht vorgestellt.

Es dauert nicht mal eine Stunde, da bin ich alleine und sollte es auch für den Rest des Tages bleiben. Wann mein Ehemann nach Hause kam? Keine Ahnung, ich hab schon geschlafen.

First LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt