First Love

Ablenkung

JESSICA POV

Ich muss verrückt sein. Den ganzen Tag bin ich schon super nervös und kann mich kaum konzentrieren. Das ist nun schon mein drittes Outfit, dass ich abwähle, weil es mir nicht gefällt. Es ist nur!! Ben, mit dem ich mich zum Essen treffe. Warum nur bin ich so nervös? Er will nichts von mir. Das sollte ich in 23 Jahren doch endlich mal verstanden haben. Seine Freiheit ist ihm wichtig. Sein Job und Florian. Eine Frau hat einfach keinen Platz in seinem Leben. Ist sicher auch nicht einfach mit ihm zusammen zu sein. Er hat, genau wie Christian früher, keinen 8 bis 17 Job. Als Unfall-Chirurg und Kardiologe kann es schon mal lange werden. Wochenende mit Notfällen. Das kann schwierig sein für eine Beziehung. Von Familie mal ganz zu schweigen.

Ach, was mach ich mir schon wieder für Gedanken? Ich muss dringend damit aufhören. Wenn ich den Abend heute überstehe, werde ich morgen meine Mädels einladen. Ein Abend mit meinen beiden Freundinnen. Klatsch und Tratsch verbreiten und Champagner trinken. Danach werde ich die Gefühle für diesen Kerl wieder ganz hinten in meinem Herzen verschlossen habe. So wie es immer ist. Wenn er da ist, dann gönne ich mir die Utopie von einem Leben an seiner Seite, lasse die kleine Flamme der Hoffnung, die irgendwo ganz tief in mir immer noch lodert, für ein paar Stunden aufflackern, gebe ihr Sauerstoff. Um sie dann wieder zu ersticken und in den Tiefen meines Herzens zu verschließen.

Schlussendlich greife ich zu einer engen schwarzen Lederhose, weißem Oversize-Hemd und Pullunder in mintgrün. Das passt gut zu meinen Augen. Ich schnappe mir meinen Trench und die Burberry Tasche und mache mich auf in die Innenstadt. Auch ich war schon lange nicht mehr im Korbinian. Christian bevorzugt asiatisch oder italienisch. Bayerische Küche ist bei ihm nicht so angesagt. Und Bier mag er generell eher weniger. In diesem Punkt wird unsere unterschiedliche Erziehung und der doch relativ andere Backround immer sichtbar. Meine Eltern waren gesellige Leute und Allgäuer mit Herz und Seele. Für sie gehörte Bier zu einer zünftigen Brotzeit, und einer Weißwurst morgens um 10 Uhr war mein Vater auch immer zugeneigt. Christians Eltern dagegen pflegten den Umgang mit ihren Freunden auf einer etwas anderen Ebene. Es gab piek feine Dinnés mit 5 Gänge Menü vom teuersten Caterer der Region und dazu nur Champagner und die besten Weine. Weiter gebracht hat es sie auch nicht.

Als ich pünktlich in den Gastraum reinkomme, da sehe ich ihn schon an einem der massiven Holztische. Herrgott ich war wirklich lange nicht mehr hier. Ich hatte das ganze anders im Kopf. Jetzt befinde ich mich in einem typischen Allgäuer Gastraum. Viel Holz, schwere Stoffe. Ich selbst würde mich so nicht einrichten, aber hier gefällt es mir. Es passt einfach zu einem Bayerischen Gasthaus.

Ganz Gentlemen steht Ben auf, als er mich sieht. Er kommt kurz um den Tisch herum mir entgegen. Er trägt eine dunkle Jeans und einen Pullover in Mint. Wir zwei. Ich muss den Kopf schütteln.

„Hallo." begrüße ich ihn kurz und gebe ihm einen Kuss.

„Hey, Kleines. Gut siehst Du aus." meint er und setzt sich wieder. Ich entscheide mich dafür mich direkt neben ihn auf die Bank zu setzen. Da kann ich ihn besser anschauen und ich kann etwas von seinem ganz eigenen Duft einatmen. Als ich heute das Bettzeug im Gästezimmer eingezogen habe, da hatte ich den schon in der Nase und ich muss sage, ich könnte mehr davon gebrauchen. Aber ich bin der Versuchung widerstanden, sein Kissen in mein Bett rüber zu nehmen. Kommt wohl nicht so gut, wenn Christian das heraus bekäme.

„Dito." reagiere ich auf sein Kompliment.

„Ich hab Dir ein Radler bestellt. Das war doch richtig?"

„Ja. Super. Ich muss ja noch fahren. Wo schläfst Du eigentlich?"

„Ich hab im Big Box ein Zimmer bekommen."

„Wann fährst Du morgen?"

„So früh wie möglich. Allerdings kann ich es entspannt angehen. Ich hab morgen keine Termine."