First Love

Nachtschicht

Eine Woche später

BEN POV

Ich versuche mich ein wenig auszuruhen. Als Chefarzt müsste ich zwar keine Nachtdienste machen, aber ich tue es. Es geht mir nicht gut damit, diese ungeliebten Dienste auf die Assistenz- und Oberärzte abzuwälzen. Sie alle sind schon über Gebühr beansprucht. Also mache ich auch mal Nachtdienst, wenn damit die jüngeren Kollegen tagsüber fit und aufnahmefähig sind.

Da ich neben meinem Facharzt in Kardiologie auch einen in Unfallchirurgie habe, bin ich auch quasi die Ideal-Besetzung für nachts. Meist sind wir zu dieser Tageszeit zu zweit und werden von den Nachtschwestern und einer OP-Schwester unterstützt. Das reicht für die anfallenden Arbeiten und nur bei größeren Notfällen müssen wir andere Kollegen aus ihrem Feierabend holen.

Heute ist Gott sei Dank ein ruhiger Tag. Da kann ich mich sicher ein bisschen hinlegen.

Im Ärztezimmer ziehe ich mir meine Hose aus und wechsle in eine weiße Jogginghose. Das ist bequemer zum Schlafen und ich kann trotzdem schnell raus und auf Station. Mein Hemd wechsle ich gegen ein weißes T-Shirt aus.

Die Liege hier im Chefarztzimmer ist sehr bequem und im Normalfall kann man sich gut hier ausruhen. Aber ich komme irgendwie mal wieder nicht zur Ruhe, wie so oft in den letzten Wochen. Ganz schlimm ist es geworden nach meiner Rückkehr von Mallorca. Obwohl ich Jessica aus dem Weg gehe, werde ich einfach nicht ruhiger. Es ärgert mich, dass sie mir nicht vertraut. Ich dachte, wir hätten in den letzten Monaten eine Basis aufgebaut, wo wir uns alles sagen können.

Das Gesehene läßt für mich nur zwei Alternativen zu. Entweder, dieses Arschloch betrügt Jess und sie merkt es nicht einmal, oder, und das wäre echt schräg: sie weiß es und deckt sein Doppelleben.

Ich weiß leider nicht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll. Ich weiß nur eines: Ich würde Christian am liebsten eine verpassen. Er hat keine Ahnung, was für eine tolle Frau er hat.

Vielleicht sollte ich morgen mal ein Gespräch mit ihr suchen. Ich brauch nur einen guten Aufhänger. Als ich darüber nachdenke, fällt mir Aimées Einladung ein. Ich wollte je eine Woche New York für uns buchen. Das hatte ich ganz vergessen.

Ich fahre mein Laptop hoch und google ein paar bekannte Begriffe

Christmas Shopping New York

Hotel New York

Es dauert eine ganze Zeit bis ich alles zusammen habe. Alle Komplettangebote waren zu voll gepackt. Aber wir wollen ja auch noch nach Boston und Zeit mit Aimée verbringen. 8 Tage habe ich gebucht. Hinflug am 12.12. Rückflug am 20. In New York hab ich ein 4 Sternehotel direkt am Central Park gebucht. Am Wochenende habe ich für zwei Nächte ein Hotel in Boston gebucht, dass nicht weit von Aimées Unterkunft ist. Alles andere werden wir vor Ort entscheiden. Kommt ja auch darauf an, wie das Wetter wird.

Ich mache schnell einen Ausdruck für Jess und sende eine Nachricht an ihre Tochter, damit die sich Zeit für uns blocken kann. Das Mädel wieder zu sehen, darauf freue ich mich richtig. Wir schreiben uns regelmäßig und manchmal ruft sie mich sogar an.

Seit mein Sohn bei mir wohnt, muss ich mich immer wieder daran erinnern, dass ich nicht mehr alleine für mich verantwortlich bin. Solche Urlaube müssen mit seiner Mutter abgesprochen werden. Die muss schließlich dann für ihn sorgen. Der Junge ist zwar schon 16, aber es geht halt nicht, dass ich ihn einfach eine Woche alleine lasse. Auch wenn es Karin sicher freuen würde ihn zu versorgen.

Unser Zusammenleben hat sich bisher ganz gut gestaltet. Florian geht zum Gymnasium nach Kempten, musste also nach seinem Umzug die Schule nicht wechseln. Er hat viele Freunde und hängt viel mit ihnen ab. Aber wir haben ein paar Spielregeln festgelegt und bisher hält er sich daran. Seine ersten Klausuren hat er geschrieben und ich bin gespannt, wie die Noten sind. Dumm ist er jedenfalls nicht, aber er ist ziemlich faul. In einigen Fächern tut er sich schwer. Wo ihn sein Weg mal hinführt? Keine Ahnung. Nur hab ich das Gefühl, er hat ein Faible für die Architektur entwickelt. Letztens hab ich ihn im Keller gefunden. Dort hab ich ein paar von den Entwürfen meines Vaters aufgestellt. Er hing ganz konzentriert über den dazu gehörigen Plänen. Vielleicht hat er ja Lust auf ein Praktikum in einem Architekturbüro. Wir werden sehen.