Telefonstreich

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Was war bloß in seine Eltern gefahren? Bob lief rastlos in seinem Zimmer umher wie ein Tiger in seinem Käfig. Die Befürchtung, seine Eltern würden ihm nachkommen, um ihn zur Rede zu stellen, hatte sich bisher nicht bewahrheitet. Wahrscheinlich schrieben sie auch dieses Verhalten seinem angeblichen Kater zu. Er konnte immer noch nicht fassen, dass seine Eltern ihm vorwarfen, er hätte sich freiwillig derart die Kante gegeben.

Bob blieb stehen. Er musste mit seinen Kollegen sprechen. Die würden ihm sicherlich helfen können, schließlich waren sie ja bei seinem „Unfall" dabei gewesen. Mit einem genervten Seufzen ließ er sich auf sein Bett fallen und nahm sein Smartphone in die Hand. Als er diesmal den Bildschirm entsperrte, fiel sein Blick auf die Datumsanzeige.

Sonntag, 11. Mai.

Moment, das konnte doch nicht...

Bob blinzelte ein paar Mal. Doch der Wochentag änderte sich nicht. Bevor er damit beginnen konnte, ernsthaft an sich und seinen Sinnen zu zweifeln, öffnete Bob seine Kontaktliste und scrollte bis er Justus' Nummer fand. Bitte geh ran, geh ran, geh ran. Er hatte die Augen geschlossen und knetete mit der rechten Hand seinen Nacken während er mit der linken das Telefon ans Ohr hielt.

„Dritter! Du lebst! Aber du wolltest dich doch erst morgen melden. Wie geht's? Was gibt's?", ertönte die gut gelaunte Stimme des ersten Detektivs am anderen Ende der Leitung. Bob atmete erleichtert auf.

„Justus, hi. Ich brauche deine Hilfe. Ich glaube, meine Eltern drehen durch."

„Gewagte Theorie. Darf ich fragen, worauf sie basiert?", fragte Justus in gewohnter Manier.

Bob verdrehte die Augen.

„Ja, ja, Erster. Sofort. Aber zuerst noch eine andere Frage. Welcher Wochentag ist heute?", antwortete er leicht gereizt.

Justus schwieg einen Moment bevor er sprach.

„Es ist Sonntag." Eine kurze Pause. „Bob? Was ist los?", fragte er dann mit skeptischem Unterton.

Der dritte Detektiv atmete hörbar ein und aus. Er spürte Panik in sich aufkeimen und kämpfte dagegen an. Seine Stimme zitterte leicht als er endlich antwortete.

„Just. Was ist gestern – ich meine, heute – was ist... was haben wir..." Bob musste schlucken. Er räusperte sich und setzte von neuem an. „Haben wir uns dieses Wochenende gesehen?"

Er realisierte, wie merkwürdig die Frage für den ersten Detektiv klingen musste. Mit Sicherheit war er der nächste, der an Bobs Zurechnungsfähigkeit zweifelte. Wieder herrschte Stille.

Dann begann Justus plötzlich herzhaft zu lachen.

„Oh Mann, Dritter. Dich scheint es ja schlimmer erwischt zu haben, als wir gedacht hatten." Er kicherte.

„Was soll das heißen?", fragte Bob durch zusammengebissene Zähne. Die Panik verwandelte sich langsam in Wut und er krallte seine freie Hand in seinen Oberschenkel. Justus schien den Stimmungswechsel seines Freundes bemerkt zu haben.

„Hey, ruhig Blut, Kollege." Er hatte sichtlich Mühe, sein Lachen zu unterdrücken. „Ich kann nichts dafür, dass du zu tief ins Glas geschaut hast. Auch wenn ich ehrlich zugeben muss, dass ich etwas mehr Vernunft von dir erwartet hatte."

Das konnte doch nicht wahr sein. Jetzt fing Justus auch noch damit an. In welcher Art von Freaky-Friday-verkehrte Welt-Situation befand er sich hier? Bob hatte genug.

„Verdammt nochmal!", entfuhr es dem sonst so gelassenen Dritten. „Zum letzten Mal. Ich. Habe. Nicht. Gesoffen!", zischte er.

Es dauerte einen Moment bevor der Erste darauf antwortete.

„Hast du nicht?"

Damit hatte Bob nicht gerechnet. Verdutzt hielt er inne und rieb sich mit der Hand das Gesicht.

„Nein", seufzte er schließlich. Mit einem Mal fühlte er sich völlig erschöpft. Es konnte ja nur ein schlechter Traum sein, alles andere ergab keinen Sinn. Bestimmt war es das Fieber, das noch immer in seinem Kopf tobte. Mit müder Stimme fuhr er fort: „Nein, habe ich nicht. Aber offensichtlich seid ihr ja alle anderer Meinung. Kannst du mir jetzt endlich den Gefallen tun und mir verraten, was wir angeblich dieses Wochenende gemacht haben? Und was zu meinem angeblichen Vollrausch geführt hat?"

„Das weiß ich auch nur aus zweiter Hand. Aus Pärchen-Angelegenheiten pflege ich mich normalerweise rauszuhalten." Justus lachte wieder.

Pärchen-Angelegenheiten? Bob gab auf. Er würde heute Abend nichts mehr verstehen und wusste ohnehin nicht, was er noch sagen sollte. Also schwieg er. Justus räusperte sich.

„Hör mal, warum rufst du nicht einfach Peter an, Dritter? Ich weiß nur, dass ihr zusammen im Akbar in L.A. wart. Peter wird dir sagen können, was ihr dort getrieben habt. So genau wollte ich das nämlich nicht von ihm wissen, wenn du verstehst, was ich meine", fügte er verschwörerisch hinzu.

Nein, Bob wusste nicht, was Justus meinte. Was zur Hölle war dieses Akbar? Was hatte er nicht genau wissen wollen?

Anstatt Klarheit zu bekommen, herrschte in Bobs Kopf nun ein noch größeres Chaos. Er war völlig überfordert. Justus war ihm nicht die erhoffte Hilfe gewesen. Ganz und gar nicht.

„Bob? Bist du noch dran?" Justus' Stimme riss Bob aus seinen Gedanken.

„Äh, ja. Sorry, Erster. Ok. Ja, ich werde Peter anrufen. Danke. Gute Nacht."

„Gute Nacht. Und bis morgen", verabschiedete sich Justus und legte auf.

Bob ließ seine Hand mit dem Smartphone sinken und starrte ins Leere. Er musste irgendwie aus diesem fürchterlichen Traum aufwachen. Vielleicht musste er dafür einfach nur schlafen gehen und dann würde er morgen wieder in seiner richtigen Realität aufwachen. Bestimmt. Jedenfalls würde er Peter heute nicht mehr anrufen. Noch so ein Telefonat verkrafteten seine Nerven nicht.

Er schlich leise zu seiner Zimmertür und öffnete sie vorsichtig. Dann lauschte er durch den Spalt. Der Flur war dunkel und von unten drangen noch immer gedämpfte Stimmen aus dem Wohnzimmer. Seine Eltern waren vermutlich auf der Couch eingeschlafen. Bedacht darauf, bloß keinen Krach zu machen, huschte er ins Bad, putzte sich rasch die Zähne und wusch sich mit eiskaltem Wasser das Gesicht. Nicht, dass er sich irgendetwas davon erhoffte. Doch die Kälte tat gut.

Dann ging er zurück in sein Zimmer und legte sich ins Bett. Bevor er das Licht aus machte, gab er noch einem letzten Impuls nach. Er öffnete auf seinem Smartphone den Browser und tippte die Worte Akbar und LA in das Suchfeld. Die Ergebnisse machten ihn stutzig. Bei Akbar handelte es sich um eine angesagte Bar. Genauer gesagt, eine Gay Bar.

Dort sollte er mit Peter gewesen sein? Warum?

Bob schüttelte den Kopf. Er schaltete das Display aus, legte sein Smartphone und seine Brille auf den Nachttisch und knipste das Licht aus.

Nicht mehr heute.

Er schloss die Augen und schlief sofort ein.


Die drei ??? - verque(e)re Welt (PeterxBob)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt