Was sich neckt, das ...

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Der Rest des Abends verlief unspektakulär. Bob aß gemeinsam mit seinen Eltern zu Abend und da er von Justus erfahren hatte, dass sie von seiner Beziehung mit Peter wussten und kein Problem damit hatten, konnte er sich ungezwungen mit ihnen unterhalten. Ihm kam zudem sehr gelegen, dass sie in eine Diskussion darüber vertieft waren, ob sie sich ein Wohnmobil anschaffen sollten. So erkundigte sich niemand nach seinem Tag und er kam nicht in Bedrängnis seinen frühen Feierabend erklären oder sich eine Notlüge einfallen lassen zu müssen.

Als Bob einige Stunden später wieder im Bett lag, hatte sich das Chaos in seinem Kopf allerdings noch immer nicht beruhigt. Obwohl er heute nicht viel getan hatte, zumindest körperlich, fühlte er sich vollkommen ausgelaugt. Der Tag hatte ihn sehr viel Kraft gekostet und er wollte nur noch schlafen. Doch jetzt, wo es ruhig und dunkel um ihn herum war, waren seine Gedanken noch lauter und unlenkbarer. Er war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob sein Plan wirklich so durchdacht war, wie es bei Tageslicht den Anschein gemacht hatte. Denn er wusste zwar nun einigermaßen über die Gegebenheiten seiner Beziehung mit Peter Bescheid, hatte aber etwas Entscheidendes vergessen. Die Praxis. Wenn der heutige Tag irgendein Indiz gewesen war, dann war Körperkontakt definitiv ein Teil ihrer Beziehung.

Die Vorstellung, Peter über das Freundschaftliche hinaus zu berühren oder von ihm berührt zu werden, hatte Bob bisher hartnäckig verdrängt. Nun konnte er sie jedoch nicht länger ignorieren. Vor seinem inneren Auge zeichneten sich einzelne Szenen ab: er hielt seine Hand, während sie spazieren gingen. Er kuschelte mit Peter auf der Couch, während sie einen Film anschauten. Er strich ihm eine rote Locke aus der Stirn, während sie am Strand lagen und in der Abendsonne dösten.

Entgegen seiner Erwartung löste keiner dieser Gedanken Unbehagen in ihm aus, sondern lediglich ein leichtes Kribbeln im Bauch. Er stutzte. Interessant.

Bewusst ging er noch einen Schritt weiter und stellte sich vor, wie es sich wohl anfühlen würde, Peter zu küssen. Das Kribbeln wurde stärker.

Seltsam. Was hatte das zu bedeuten? Empfand er vielleicht doch mehr für seinen Freund als er gedacht hatte? Oder war das eine völlig normale Reaktion auf solche Vorstellungen? Dann müsste er ja das gleiche fühlen, wenn er sich vorstellte, mit Justus...

Oh Gott, nein.

Er schüttelte vehement den Kopf, obwohl ihn niemand sehen konnte. Damit hatte er sich seine Frage wohl soeben selbst beantwortet. Teilweise zumindest. In Bezug auf Peter war er immer noch verwirrt.

Abrupt nahmen seine Gedanken wieder einen düstereren Ton an. Was, wenn er morgen kalte Füße bekam? Wenn etwas passierte, das er nicht wollte? Und Peter merkte, dass etwas nicht stimmte? Oder, oder, oder...?

Bob schüttelte erneut den Kopf, diesmal um die negativen Gedanken zu vertreiben. Bloß keine zweite Panikattacke. Er wünschte sich, seinen Kopf einfach abschalten zu können. Zum wiederholten Mal wechselte er die Position und drehte sich auf die Seite. Ein Blick auf seinen Wecker verriet ihm, dass er bereits seit einer Stunde vergeblich versuchte zu schlafen. Und der morgige Tag würde ohnehin anstrengend genug werden. Vielleicht half etwas Ablenkung.

Kurzentschlossen griff Bob nach seinem Smartphone und öffnete einen Podcast zum Thema Investigativer Journalismus in den USA, den er neulich entdeckt hatte. Er startete willkürlich eine Folge und lauschte den Sprechern eine Weile interessiert. Dabei merkte er, wie seine anderen Gedanken nach und nach leiser wurden und in den Hintergrund rückten. Es dauerte nicht lange, bis er tatsächlich eingeschlafen war.

***

Der Dienstagmorgen begann deutlich besser als der Tag zuvor. Bob hatte die Nacht wundersamerweise durchschlafen können und fühlte sich einigermaßen erholt. Falsche Hoffnungen, dass wieder alles beim Alten sein würde, machte er sich auch nicht mehr. Und wenn er ganz ehrlich zu sich war, wollte er das überhaupt noch? Seine Gedanken schrien immer noch laut durcheinander, doch er glaubte, zwischen den Sorgen und vielen Fragen auch eine Art neugierige Vorfreude zu spüren.

Die drei ??? - verque(e)re Welt (PeterxBob)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt