Neugierde

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Es war 18:37 Uhr. Bob saß im Büro der Musikagentur von Sax Sandler und starrte die große Wanduhr an, während er unruhig mit dem Bein wippte. Er willte die Zeiger sich schneller zu bewegen und so seinen Feierabend näher zu bringen, doch sie gehorchten ihm nicht. Die Zeit verging quälend langsam. Aus dem Büro nebenan vernahm Bob gedämpfte Stimmen, Sax führte gerade ein Gespräch mit dem Manager einer neuen Band.

Normalerweise liebte Bob seine Arbeit in der Agentur. Doch ausgerechnet heute war einer dieser Tage, an denen er nicht übermäßig viel zu tun hatte. Den Papierkram hatte er bereits fein säuberlich abgeheftet und die unzähligen Emailanfragen entweder selbst bearbeitet oder an die entsprechenden Personen weitergeleitet. Seit etwa einer halben Stunde saß er nun an seinem Schreibtisch und drehte buchstäblich Däumchen.

Bobs Tag hatte schon alles andere als vielversprechend begonnen. Im Schlaf hatte ihn immer wieder der gleiche Traum heimgesucht. Eine blitzartige Abfolge von Bildern: weiße Wände, fremde Gesichter und grelles Neonlicht. Ein unverständliches Gewirr an Stimmen hatte sich mit einem unangenehmen Piepen und Rauschen vermischt und ihn auch noch bis in den Wachzustand verfolgt. Erst das Klingeln seines Weckers hatte Bob schließlich aus den Fängen seiner Traumwelt befreit. Schweißgebadet war er aufgestanden, dazu körperlich erschöpft und emotional aufgewühlt. Dunkle Ringe hatten sich unter seinen Augen abgezeichnet und seine Haut war noch blasser gewesen als ohnehin schon.

In der Schule hatte er Justus und Peter kaum zu Gesicht bekommen. Donnerstags hatten sie verhältnismäßig wenig Überlappung, da er nicht nur zwei Freistunden, sondern auch eine Doppelstunde Kunst hatte. Ein Fach, um das seine Freunde einen weiten Bogen machten. Lediglich die Mittagspause hatten sie gemeinsam verbracht. Und weder Peter noch Justus sprachen ihn auf sein gespenstisches Aussehen an, wofür er insgeheim dankbar gewesen war.

Überraschenderweise hatte Justus auch mit keinem Wort ihren Fall und die daraus resultierenden Wochenendpläne erwähnt. Stattdessen hatte er sich ausgiebig über einen Zeitungsartikel ausgelassen, der die ... ja, was eigentlich? Bob hatte ihm gar nicht richtig zugehört. Justus' Vortrag hatte ihn daran erinnert, dass er seinem Vater den Artikel über das Fabrikgebäude weiterleiten wollte. Er hatte sein Smartphone hervorgeholt und eine Notiz eingetippt, als er eine Nachricht von Peter bekam, der Justus' Aufregung offensichtlich ebenso wenig teilte.

Peter [12:17]:

Ich halte ihn fest und du knebelst ihn?

Bob unterdrückte ein Kichern und schielte Peter von der Seite an. Dieser hatte sein Smartphone unter dem Tisch in der Hand und beobachtete Bobs Reaktion aus dem Augenwinkel. Als sich ihre Blicke trafen, verzog er die Lippen zu einem unauffälligen Grinsen. Justus schien von all dem nichts mitzubekommen und redete unbeirrt weiter. Bob öffnete den Chat und tippte eine Antwort.

Bob [12:18]:

Auf drei?

Daraufhin hatte Peter sich ein Lachen verkneifen müssen und sie hatten sich noch eine Weile alberne Gifs hin- und hergeschickt. Nach der Schule hatten sie sich schnell verabschiedet, da Peter zum Training, Justus auf den Schrottplatz und Bob in die Agentur musste.

Und dort saß er nun, gelangweilt und müde. Noch eine dreiviertel Stunde bis Feierabend. Bob entsperrte sein Smartphone und scrollte ein paar Minuten lustlos durch seine Apps. Plötzlich vibrierte es in seinen Händen und eine Nachricht von Peter erschien auf dem Display.

Peter [18:46]:

Na, wie läuft die Arbeit? Jeffrey geht morgen Nachmittag surfen und fragt, ob wir mitkommen wollen. Hast du Lust?

Peter [18:47]:

Also ich surfen, du am Strand chillen :D

Bob schmunzelte. Er mochte in dieser Welt vielleicht unfreiwillig zum Tänzer geworden sein, aber auf ein Surfbrett hatte er sich Gott sei Dank wohl noch nicht gewagt. Wäre ja noch schöner gewesen, wenn er neuerdings mit Peter um die Wette die Wellen ritt. Aber anscheinend war nicht alles gegen ihn. Und gegen einen Nachmittag am Strand hatte er auch nichts einzuwenden. In der Sonne liegen und ein gutes Buch lesen wäre eine willkommene Abwechslung von all dem nervenaufreibenden Chaos.

Die drei ??? - verque(e)re Welt (PeterxBob)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt