In der Nacht auf Freitag wurde Bob erneut von verstörenden Träumen geplagt. Mehrmals wachte er in einem Krankenhauszimmer auf, umgeben von Ärzt:innen in weißen Kitteln, die ihn mit ausdruckslosen Mienen anstarrten. Der stechende Geruch von Desinfektionsmittel stieg ihm in die Nase und irgendetwas kratzte unangenehm in seinem Hals. Er versuchte verzweifelt zu schlucken, aber sein Mund war wie ausgetrocknet. Nacheinander traten fremde Gesichter an ihn heran und verkündeten ihre Hiobsbotschaften.
Schlaganfall. Alzheimer. Hirntumor.
Ihre Stimmen klangen monoton und gleichgültig. Niemand lächelte oder sprach ihm Mut zu. Er fühlte sich alleine und zunehmend hilflos, sehnte sich nach seiner Familie und seinen Freunden. Er wollte nach ihnen rufen, doch aus seiner Kehle kam kein Laut. Panik übermannte ihn, dann wurde alles schwarz.
Keuchend schlug Bob wenige Minuten vor dem Klingeln seines Weckers die Augen auf. Wie am Tag zuvor klebten ihm auch diesmal die Haare feucht im Nacken und das T-Shirt am Körper. Stöhnend schleppte er sich ins Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel. Seine Augenringe waren noch eindrücklicher als gestern. Tatsächlich zog er kurz in Betracht, heimlich den Concealer seiner Mutter aufzutragen, um die dunklen Schatten zu kaschieren, entschied sich dann jedoch dagegen. Er wollte nicht noch mehr unnötige Aufmerksamkeit erregen.
Beim Frühstück empfing ihn seine Mutter ungewohnt herzlich und sah davon ab, sein Aussehen zu kommentieren. Bob nahm dankend die dampfende Tasse Kaffee entgegen und bereitete sich schweigsam eine Schüssel Müsli zu. Sein Vater hatte das Haus bereits verlassen, allerdings nicht, ohne ihm einen Notizzettel zu hinterlassen. Darauf waren zwei Namen mit Telefonnummern vermerkt.
Bob runzelte die Stirn, während er auf den Zettel starrte. Es dauerte einen Moment, ehe er die Botschaft seines Vaters verstand. Es mussten die beiden Autor:innen des Zeitungsartikels sein, den er seinem Vater weitergeleitet hatte. Bob wusste nur nicht so recht, ob er sich darüber freuen sollte. Dennoch faltete er den Zettel sorgfältig zusammen und steckte ihn in sein Portemonnaie.
Er hatte sich gerade einen vollen Löffel in den Mund geschoben, als sein Smartphone vibrierte und einen Anruf ankündigte. Er fischte es schmatzend aus seiner Hosentasche und las Peters Namen im Display. Seine Mutter warf ihm über den Rand ihrer Zeitung nur kurz einen Blick zu, verschwand dann aber wieder hinter der heutigen Ausgabe der Los Angeles Post.
Hastig schluckte Bob das Müsli hinunter und nahm den Anruf entgegen.
„Hallo? Peter?", meldete er sich.
„Guten Morgen!" Peters Stimme klang eindeutig zu fröhlich für diese Uhrzeit. „Hast du gut geschlafen?"
Bob brummte zerknirscht und schob sich währenddessen einen weiteren Löffel in den Mund. „Waf gibf?", fragte er kauend, als Peter nicht reagierte.
„Ich habe gestern mit Jeffrey ausgemacht, dass wir direkt von der Schule aus an den Strand fahren, um hoffentlich noch vor dem Feierabend-Ansturm ein paar gute Wellen zu erwischen. Wenn du bis in ungefähr zwanzig Minuten deine Sachen gepackt hast, kann ich dich einsammeln und mit zur Schule nehmen und heute Nachmittag dementsprechend auch. Und nach dem Surfen ... "
Bob hatte Mühe dem plappernden Peter zu folgen. Es war ihm ein Rätsel, wie jemand zu so früher Stunde schon solch gute Laune und vor allem so viel Energie haben konnte. Selbst wenn er eine erholsame Nacht gehabt hätte, wäre seine Energie jetzt nicht auf diesem Level. Andere Menschen brauchten fünf Tassen Kaffee am Morgen, um überhaupt mit dem Leben klarzukommen. Unverschämt, dachte er grimmig und schüttelte gedankenverloren den Kopf.
„Bob?", ertönte Peters Stimme prompt aus dem Lautsprecher. „Bist du noch dran?"
„Äh, ja. Ja, bin ich", antwortete Bob und rieb sich mit dem Handrücken einen Tropfen Milch weg, der ihm über das Kinn gelaufen war. „Zwanzig Minuten müsste ich hinkriegen. Hast du mit Justus gesprochen?"
DU LIEST GERADE
Die drei ??? - verque(e)re Welt (PeterxBob)
FanfictionAls Bob eines Tages erwacht, scheint plötzlich alles anders: die drei Fragezeichen stecken in einem undurchsichtigen Fall, an den er sich nicht erinnert, und er führt eine Beziehung, von der er ebenfalls nichts weiß. Mit einem Jungen. Genau genommen...