Bobs Herz stolperte. Er saß regungslos da und starrte Justus an. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Natürlich.
Akbar, die Gay Bar. Justus' Kommentare am Telefon. Peters Flirtereien und sein Drang nach Körperkontakt. Das war es, was ihn unterbewusst nicht losgelassen hatte.
Alles ergab plötzlich einen Sinn. Nur, dass nichts einen Sinn ergab.
Er und Peter? Ein Paar? Wie konnte das sein? Sie waren doch nur Freunde. Beste Freunde. Und Peter stand auf Mädchen. Und war mit Kelly zusammen!
„Erde an Bob? Hallo? Hey!"
Justus schnippte mehrmals mit den Fingern vor Bobs Gesicht. Der dritte Detektiv blinzelte und nahm dann erst den skeptischen Blick seines Freundes wahr.
„Alles okay? Die Vorstellung scheint dich ja ganz schön umgehauen zu haben. Findest du es so abwegig?", fragte Justus amüsiert.
„Naja, ich, äh, ich... Ich glaube, ich bin etwas überfordert", stotterte Bob. Etwas war etwas untertrieben. Seine Hände hatten zu schwitzen begonnen und seine Atmung ging schwer.
„Was ist mit Kelly?", war die erste Frage, die ihm in den Kopf schoss.
„Mit Kelly? Die haben sich doch schon vor Ewigkeiten getrennt", sagte Justus selbstverständlich. Bobs staunender Blick ließ ihn hinzufügen: „Aber in deiner... Erinnerung offenbar nicht."
Bob nickte geistesabwesend. Seine Gedanken fuhren inzwischen Karussell. Er spürte ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend.
„Wie lange sind wir schon zusammen?", fragte er mit monotoner Stimme.
„In etwa fünf Monate, glaube ich."
Fünf Monate. Fast ein halbes Jahr. Für Bob war allein die Vorstellung, mehr als Freundschaft mit Peter zu verbinden, etwas völlig Neues, ganz zu schweigen von einem halben Jahr Beziehung. Er hatte so viele Fragen, doch er wusste nicht, wo er anfangen sollte.
Wie sollte es nun weitergehen? Was musste er tun? Was konnte er tun? Was, wenn er Peter verletzen würde? Was, wenn er seinen besten Freund am Ende verlor?
Sein Puls beschleunigte sich und seine Atemzüge wurden schneller und flacher. Er bekam keine Luft mehr. Alles drehte sich und ihm wurde schlecht. Dann begann er zu fallen. Jemand hatte ihm ohne Vorwarnung den Boden unter den Füßen weggezogen und er stürzte unaufhaltsam in die Tiefe. Mit zusammengekniffenen Augen umklammerte er seinen Rucksack, in der Hoffnung sich an ihm festhalten zu können. Doch er fiel immer weiter, immer tiefer.
Plötzlich packte ihn etwas unsanft an den Schultern. Wie aus großer Entfernung hörte er eine Stimme, die seinen Namen rief. Fremde Hände befreiten seinen Rucksack aus seinem Griff.
„Nein!", wollte er schreien, doch es kam kein Ton heraus. Er drohte zu ersticken. Um ihn herum war alles schwarz.
Dann waren die Hände an seinem Gesicht und klatschten ihm auf die Wange.
„Bob!", hörte er noch einmal seinen Namen. „Sieh mich an!"
Mit aller Macht kämpfte er gegen die Übelkeit und den Schwindel an und hob keuchend die Lider. Er blickte geradewegs in ein paar dunkelbraune Augen.
„Sehr gut! Und jetzt einatmen. Und ausatmen. Ein. Aus", wiederholte die Stimme, die anscheinend zu den Augen gehörte, immer und immer wieder. Bob versuchte, sich auf seine Atmung zu konzentrieren und sie dem Rhythmus anzupassen, den die Stimme vorgab.
Sein Fall wurde allmählich langsamer, seine Umgebung und sein Magen hörten auf, sich zu drehen, und seine Sicht wurde klarer. Er registrierte, dass es Justus war, der noch immer über ihm lehnte und sein Gesicht fest in den Händen hielt. Die dunkelbraunen Augen sahen ihn unentwegt an.
„Bob?"
„Ja. Ja, alles gut. Ich... ich...", murmelte Bob benommen.
„Schon gut. Ganz ruhig." Justus löste seine Hände von Bobs Gesicht. Er richtete sich auf und zog seinen Kopf aus dem Auto. Bob rieb sich die Augen und drehte sich im Fahrersitz langsam zur Seite, sodass er die Füße draußen auf den Boden stellen konnte. Er schaute Justus an.
„Was war das? Ich war plötzlich wie... wie in einem freien Fall. Und alles hat sich gedreht und ich habe keine Luft mehr bekommen."
Der Erste erwiderte seinen Blick besorgt. „Ich denke, das war eine Panikattacke, Dritter."
„Oh Mann..." Bob vergrub das Gesicht in den Händen und massierte seine Schläfen.
„Allerdings. Wenn ich gewusst hätte, dass...", setzte Justus an.
„Dann was? Hättest du mich angelogen? Nein, Just. Ich wollte die Wahrheit wissen", unterbrach ihn Bob. Seine Stimme klang nun um einiges fester. Er wirkte gefasster und schien wieder einigermaßen er selbst zu sein. „Ich glaube, die letzten Tage waren einfach etwas zu viel."
Justus betrachtete ihn schweigend.
„Was wirst du tun? Ich meine, was willst du Peter sagen?", fragte er schließlich.
Bob schüttelte hilflos den Kopf.
„Wenn ich das wüsste, Erster. Ich will ihn auf gar keinen Fall verletzen. Aber ich muss erstmal irgendwie klarkommen. Alleine, denke ich."
„Ich verstehe", sagte Justus nickend.
Bob sah ihn skeptisch an. Wirklich?
„Ja, Bob, entgegen eurer persistierenden Ansicht, ich sei ein gefühlskaltes Monster, kann ich sehr wohl Empathie empfinden", erwiderte Justus daraufhin geschwollen und vielleicht ein wenig gekränkt.
Bob musste lachen. „Schon gut, Erster. Danke. Ich denke, ich werde mich jetzt im Sekretariat krankmelden und nach Hause fahren. Kein Wort von dem, was in der letzten halben Stunde hier passiert ist, zu Peter, okay?"
„Großes Detektiv-Ehrenwort!"
Die beiden Freunde lächelten sich an. Justus klopfte Bob zur Verabschiedung auf die Schulter und nahm seinen Rucksack in die Hand. Als er sich gerade umdrehen wollte, um zu gehen, fiel Bob noch etwas ein.
„Just, warte! Was hat es eigentlich mit dem Fall auf sich, den du heute Nachmittag so dringend mit uns besprechen wolltest?"
„Das ist erstmal nebensächlich. Fahr' heim und ruh' dich aus, Dritter. Peter und ich kommen zur Not auch alleine zurecht. Soll ich ihm etwas ausrichten?"
„Hm. Sag ihm einfach, dass es mir nicht gut ging. Bis morgen lasse ich mir etwas einfallen." Hoffentlich.
„Alles klar. Tschüss!"
„Tschüss."
Bob blickte Justus noch eine Weile nach, bis dieser zum zweiten Mal an diesem Tag im Schulgebäude verschwunden war. Er hatte wenig Lust, sich noch einmal bis in den Verwaltungstrakt am hinteren Ende der Schule zu schleppen, um im Sekretariat Bescheid zu geben. Ein Anruf würde auch genügen.
Er hob seinen Rucksack auf, der immer noch neben dem Auto lag, und warf ihn auf den Beifahrersitz. Dann startete er den Motor und machte sich auf den Heimweg.
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Die drei ??? - verque(e)re Welt (PeterxBob)
FanfictionAls Bob eines Tages erwacht, scheint plötzlich alles anders: die drei Fragezeichen stecken in einem undurchsichtigen Fall, an den er sich nicht erinnert, und er führt eine Beziehung, von der er ebenfalls nichts weiß. Mit einem Jungen. Genau genommen...