Die Abfuhr

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POV Dag:

Seit langem ging ich heute mal wieder aus. Vincent und ich hatten uns vor genau drei Wochen getrennt und das zog mich unendlich doll nach unten. Mir ging es in der letzten Zeit nicht gut und in der ersten Woche versank ich so sehr im Selbstmitleid, dass ich meine Wohnung nicht mehr verließ. Meine Mama kam täglich vorbei um nach mir zu sehen. Vor ein paar Tagen hatte ich es aber geschafft mich wieder aufzurappeln und Klarheit in mein Leben zu bringen. Mir ging es noch nicht wirklich besser, aber ich wollte mich ablenken. So kam es auch zu der Entscheidung die Einladung eines Freundes zu einem entspannten Abend anzunehmen. Ich hoffte nur Vincent hier heute nicht zu sehen.

Er hatte sich von mir getrennt, mit der Begründung: Er würde es nicht mehr schaffen unsere Beziehung gerecht zu werden, weil die Arbeit immer im Vordergrund stand. Er würde es auch nicht mehr schaffen sich auf meine Gefühle einlassen zu können. Ich war wohl einfach nur Ballast für ihn.

Oft musste ich an ihn denken und seine Begründung versetzte mir jedes Mal einen Stich ins Herz. Seitdem hatten wir auch nicht mehr miteinander gesprochen. Er hatte seine letzten Sachen aus meiner Wohnung geholt, als ich nicht da war. ich war nicht bereit mich mit ihm auseinanderzusetzen. Was er aber nicht wusste, dass ich einen seiner Lieblingspullover versteckt hatte. Wenn meine Sehnsucht nach ihm zu groß war, roch ich manchmal daran. Auf der einen Seite tat es mir gut, aber auf der anderen verschlimmerte es das Gefühl zu wissen das er nie wieder zurückkommen würde. Wäre er nur ehrlich zu mir gewese, hätte ich ihm sofort verzeihen.

Ich wusste das seine Begründung eine Lüge war und er anscheinend jemand besseren kennengelernt hatte. Ich hatte die beiden sich küssen gesehen. Er brachte Vincent nach Hause und drückte ihm einfach einen Kuss auf die Lippen. Vincent war auch so anders in der letzten Zeit zu mir, so distanziert. Das machte es natürlich noch schlimmer. Niemand wusste so richtig die Wahrheit, warum wir nicht mehr zusammen waren. Am liebsten hätte ich es allen erzählt, aber ich wollte ihn auch nicht vor anderen bloßstellen.

Für ihn war ich doch immer das Beste, was ihm passieren konnte, meinte er zumindest immer zu mir. Er wollte auch nie jemand anderen haben und hatte noch zu Beginn unserer Beziehung alles für mich getan. Ich hatte ihn alle gegeben, die beste Version meiner selbst- mein Leben und meine Liebe.

Ich wusste das es von Anfang an nicht leicht war, aber irgendwie hatten wir es doch immer gemeistert. Vielleicht hatten alle anderen recht und unsere Beziehung machte wirklich keinen Sinn. Jedoch wollten wir es immer versuchen und in unseren Augen ging es auch die ganze Zeit gut. Das dachte ich zumindest. Langsam fing ich auch an das zu glauben. Manchmal liege ich abends im Bett und frage mich noch ob ich warten soll mit der Serie, welche wir immer gemeinsam schauten. Meistens konnte ich mich dann doch überwinden und alleine eine Folge schauen, auch wenn es schmerzte. Alle sagten mir es würde leichter werden, wenn ich mit ihm abgeschlossen hatte. Glauben konnte ich aber keinen so richtig, vielleicht weil der Schmerz wirklich zu tief saß oder sie langsam einfach keinen besseren Rat mehr hatten.

Ich hoffte ihm ging es ähnlich, zumindest würde es das für mich erträglicher machen. Doch so wie ich Vincent kannte, verdrängte er es und lebte in seiner heilen Welt ohne Probleme. Es war zwar nicht fair, aber ich glaubte schon das seine Liebe zu mir echt war.

Bei meinem guten Freund angekommen realisierte ich schnell, dass es kein entspanntes Zusammensein war, doch schon in eine Hausparty abdrifte. Ich scannte die Leute um mich herum und nahm mir ein Bier, ehe ich mich in ein Gespräch verwickeln ließ. Es tat gut wieder unter Leuten zu sein. Ich lachte an dem Abend sehr viel und genoss die unbeschwerte Zeit.

Plötzlich zog mich jemand an die Seite und sagte: „Dag bleib ganz ruhig, aber Vincent ist da. Ich habe euch im Auge, er wird dich nicht noch einmal verletzen." Im ersten Moment wusste ich gar nicht wie ich reagieren sollte. Mein Herz blieb für einen Moment stehen und ich seufzte innerlich. Jetzt wo ich einen Abend mal meinen Kopf abschalten konnte, musste er hier auch nur noch auftauchen. Ich nickte der Person dankend zu und versuchte mich wieder ins Gespräch einzubringen. Jedoch gelang mir das mehr schlecht als recht.

Gerade als ich in die Küche gehen wollte, um mir ein neues Bier zu holen, fiel mir Vincent auf. Er unterhielt sich gerade mit irgendjemanden den ich nicht kannte. Ich versuchte ihn zu ignorieren und zu vergessen. Ich machte mich mit meinem Bier wieder zurück zu den Leuten, die es gut schafften, mich abzulenken.

Plötzlich zog mich jemand an der Schulter in eine ruhigere Ecke. Verwirrt sah ich zu dieser Person und starrte direkt in Vincent seine Augen. Ich musste stark schlucken und brachte kein Wort raus. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf uns sah mich nervös an: „Hast du mal zwei Minuten?" „Ich habe keine Zeit für dich.", versuchte ich selbstbewusst zu antworten.

Er rang nach den passenden Worten, doch ich nahm ihn die Entscheidung ab: „Ich glaube wir haben uns nicht mehr zu sagen. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben und du brauchst mir auch nicht mehr unter die Augen treten. Ich war dir nie genug und das hast du mir auch deutlich gezeigt. Was hast du dir bitte gedacht als du gesagt hast das du mich liebst und dass du keinen anderen willst? Ich wusste ganz genau das dir früher oder später auffällt das du einen riesigen Fehler begannen hast und, dass dein Neuer nicht das für dich tun würde, was ich für dich getan habe. Ich hoffe du leidest jetzt genauso wie ich. Ich hoffe da es dir genauso weh tut, wie mir, wenn jemand deinen Namen sagt und dass dir die Luft wegbleibt, wenn jemand fragt, wie die Situation zwischen uns nun ist. Ich habe mehr als genug Nachrichten versucht dir zu schicken, die ich dann doch gelöscht habe. Lass mich also einfach in Ruhe."

„Dag bitte. Du bist doch mein Liebling und ich habe einen riesigen Fehler begangen. Nicht nur einen Fehler.", versuchte er es erneut und legte seine Hände in meine. Schnell zog ich meine Hände von ihm weg und sah Schmerz in seinen Augen. Es schmerzte so sehr und ich versuchte die Tränen in meinen Augen wegzublinzeln. Um den Schmerz für den Moment zu betäuben bis ich mir so doll auf meine Lippe, wie ich nur konnte. Ich war kurz davor einzuknicken und Vincent meine noch vorhandene viel zu große Liebe zu gestehen. Ihn einfach in die Arme zu fallen und mir sagen zu lassen das alles wieder gut wird. Einfach seine Liebe und Nähe spüren. Gemeinsam Zärtlichkeiten auszutauschen. Nichts sehnlicher wünschte ich mir doch oder ? Insgeheim wusste ich aber, dass ich mich damit ins Verderben reiten würde. Vielleicht würde ich irgendwann nochmal mit ihm reden, aber im Moment war alles noch zu frisch. Im Notfall würde ich einfach in seinen Pullover weinen und meinen Schmerz darin ersticken. Könnte man jemals einen Seitensprung verzeihen? Ich wusste es nicht.

Ich beobachtete ihn genau. Seine Augen füllten sich mit Tränen. „Bitte lass das, deine Nähe tut mir nicht mehr gut. Ich bin froh, dass du jetzt weg bist, auch wenn ich mich allein fühle. Ich will auch nichts mehr von dir hören. Verschwinde einfach aus meinem Leben.", log ich ihn an und ging.

Ich steuerte geradezu den Weg nach draußen an, um frische Luft zu schnappen. Da brauchte ich gerade einfach. Es tat so weh ihm eine Abfuhr zu erteilen, aber das musste es sein. Ich musste für meinen eigenen Seelenfrieden versuchen mit ihm abzuschließen.

SDP-One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt